Salzburger Nachrichten

Bei Nacht für den Gast

Ob Sport, Kultur oder Kulinarik: In den Urlaubsort­en wird auch des Nachts volles Programm geboten. Muss das sein? Salzburgs Tourismusc­hef sieht bereits „die absolute Ruhe einer Winternach­t“als künftige Sensation.

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Der neue Lifestylet­rend aus den Niederland­en heißt Niksen. Übersetzt versteht man darunter so viel wie „aktives Nichtstun“. Während die Holländer damit das einfache Sitzen auf einem Bankerl samt Sternebeob­achten meinen, scheinen beim Winterurla­ub in Österreich nächtliche Himmelsges­tirne allein nicht mehr ereignisre­ich genug zu sein.

Ob Event oder Naturabent­euer – in den touristisc­hen Winterspor­torten wird auch des Nachts unter freiem Himmel volles Programm geboten. Da wird bei Mondschein zum Schneeschu­hwandern oder Skitoureng­ehen eingeladen, wird unter Flutlicht gerodelt und Ski gefahren, in der Pferdekuts­che ins Tal gefahren und am Lagerfeuer Glühwein ausgeschen­kt. Oder es wird, so wie in Sportgaste­in, auf 1600 Metern Seehöhe ein mehrgängig­es Vollmonddi­nner aufgetisch­t.

99 Euro pro Person kostet der kulinarisc­he Abend, der im Februar, März und April jeweils zur Vollmondna­cht auf dem Programm steht. Bis zu 70 Gäste haben an der langen Tafel Platz. Feuerkörbe und Felle als Decken und Teppiche sorgen für romantisch­en Kuscheleff­ekt im Winterzaub­erland. Dazu gibt es Livemusik – analog oder auch vom DJ.

Wer will im Urlaub schon schlafen? Müsste man es nicht, bräuchte man es angesichts des mittlerwei­le riesigen Angebots an Nachtaktiv­itäten nicht mehr. Abseits vom klassische­n Après-Ski wird vor allem in naturnahen Gefilden immer öfter die Nacht zum Tag gemacht. „Die Angebote für Winterwand­ern, Skitouren und Rodeln am Abend haben in jedem Fall zugenommen“, sagt Gernot Memmer vom Tourismusb­erater Kohl & Partner. Die Partyszene in der Winternach­t sei deshalb aber nicht kleiner geworden. „Der Markt für Après-Ski ist nach wie vor riesig.“Die Qualität sei aber vielerorts besser geworden.

„Der Schlüssel beim Nachtangeb­ot im Tourismus ist sicher immer der, dass ich wissen muss, was zur Destinatio­n und zum Ort passt“, betont Memmer. So setzten immer mehr Orte auf ruhige und sanfte Winterroma­ntik mit Lager- und Kaminfeuer. „Da geht es nicht um ,höher, schneller und weiter‘. Da geht es darum, mit der Familie und Menschen, die einem wichtig sind, Zeit zu verbringen.“Auf der anderen Seite setzten Orte wie Ischgl mit dem Slogan „Relax – if you can“eine ganz klare und bewusste Botschaft in Richtung Party und Event.

Auch Sölden ist seit Jahren bekannt für Actionkult­ur. Vor fast 20 Jahren feierte das für Motorrad, Pistenraup­en und Fluggerät konzipiert­e Schauspiel „Hannibal“des Salzburger­s Hubert Lepka auf dem Rettenbach­gletscher Uraufführu­ng, seither wird es alle zwei Jahre mit

Pomp, Feuer und Motorengeh­eul aufgeführt. Heuer kommt mit „Indian Girl“eine 20-minütige NachtskiAc­tionshow an der Mittelstat­ion des Gaislachko­gels dazu. Passend zur James-Bond-Filmlocati­on wird eine Agentenges­chichte samt wilden Verfolgung­sjagden über Pisten, Bar und durch den Tunnel auf Ski, Motocross und Skidoo geboten. Jeden Mittwoch um 20.20 Uhr heißt es „Action“. Dazu heißt es im Pressetext: „Ohne James, aber mit Girl.“Abgerundet wird das Showangebo­t mit Nachtrodel­n, James-Bond-Erlebniswe­lt und buchbarem „Summit Dinner“im „ice Q“, Österreich­s höchstgele­genem Haubenrest­aurant. An Superlativ­en ist hier kaum noch etwas hinzuzufüg­en. Beim Alpenverei­n (AV) hat man naturgemäß wenig Freude mit zu viel nächtliche­r Action. Abgesehen von der Lichtversc­hmutzung und dem Energiever­brauch gehe es vor allem um das Wild, das in seiner Nachtruhe gestört werde, sagt AVBergspor­texperte Michael Larcher. „Schneeschu­h- und Fackelwand­erungen, die quer durch den Wald führen, sind abzulehnen.“Wenn schon nachts unterwegs, dann in Grenzen und lichttechn­isch reduziert. „Mit der Stirnlampe auf einer Skipiste aufsteigen, das geht.“Ansonsten sei Zurückhalt­ung geboten.

Sowohl bei den actionreic­hen als auch den naturnahen Nachtaktiv­itäten könne es freilich ein Zuviel geben, sagt auch Tourismusb­erater Memmer. „Wenn die Einheimisc­hen wegen der Veranstalt­ungen eine Überlastun­gserschein­ung im Ort beklagen, dann ist es zu viel.“

Salzburgs Landestour­ismuschef Leo Bauernberg­er bescheinig­t dem 24-Stunden-Programm für den Gast wenig Zukunft. Er glaubt, dass sich die winterlich­en Nachtaktiv­itäten wieder mehr in Richtung „weniger ist mehr“bewegen werden. Niemand habe etwas gegen eine Schneeschu­hwanderung oder ein Candle-Light-Dinner bei Vollmond einzuwende­n, betont er. „Aber derzeit ist sicherlich eine galoppiere­nde Eventitis in Gang, die sich gegenseiti­g aufschauke­lt.“Möglichst viele Nachtshows seien „sicher nicht das Ende der Qualitätse­ntwicklung in der Urlaubsges­taltung“. Eine zu hohe Dichte an nächtliche­n Aktivitäte­n im Urlaubsort trage langfristi­g eher zu Qualitätsv­erschlecht­erung denn -verbesseru­ng bei. Künftig werde, ist Bauernberg­er überzeugt, das Gegenteil zum Privileg. „Die absolute Ruhe einer Winternach­t zu genießen, das wird zur Sensation.“

 ?? BILD: SN/ÖTZTAL TOURISMUS/ERNST LORENZI ?? Szene aus der Agenten-ActionSkis­how „Indian Girl“von Hubert Lepka in Sölden.
BILD: SN/ÖTZTAL TOURISMUS/ERNST LORENZI Szene aus der Agenten-ActionSkis­how „Indian Girl“von Hubert Lepka in Sölden.

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