Lienz bringt die doppelte Erlösung
Mikaela Shiffrin besiegt beim Technik-Double nicht nur die Konkurrenz, sondern auch ihre Selbstzweifel eindrucksvoll. Katharina Liensberger gab nicht nur auf der Piste ein großes Versprechen für die Zukunft ab. Leider als einzige Österreicherin.
Erstaunlich offen, so auch wieder beim Weltcupwochenende in Lienz, spricht Mikaela Shiffrin über ihre Karriere, ihre Leistungen und ihre Gedanken. Und dennoch hat man bei der Ausnahme-Skirennfahrerin immer wieder das Gefühl, dass sie sich selbst schwertut, ihren Erfolg zu begreifen. Schließlich ist es auch außergewöhnlich, zum Teil sogar beispiellos, was die US-Amerikanerin abliefert. Um 1,36 Sekunden distanzierte Shiffrin am Samstag den Rest der Riesentorlauf-Welt. „Nur“61 Hundertstel waren es dann im Slalom am Sonntag.
Das alles ist längst nicht mehr überraschend, vielmehr ist es oft das, was sie darüber zu Protokoll gibt. „Ich hatte das Gefühl, dass ich schlechter werde, weil ich gesehen habe, dass ich wahrscheinlich nicht mehr 17 Rennen gewinnen werde wie in der vergangenen Saison. Dieses Gefühl war nach Courchevel da und ich habe einen mentalen Kampf ausgetragen, dass ich es wieder loswerde. Dass ich nicht zu viel von mir erwarten kann“, sagte die nun 64-fache Weltcupsiegerin, womit sie in der ewigen Bestenliste nur mehr hinter Ingemar Stenmark (86), Lindsey Vonn (82) und Marcel Hirscher (67) liegt. Der Sieg im Riesentorlauf sei daher eine „riesige Erleichterung“gewesen, nachdem der 17. Platz in Courchevel große Zweifel in ihr ausgelöst hatte. Eindrucksvoller hätte sie diese nicht beseitigen können. Der Sieg im Slalom wiederum sei ganz anders zu werten. „Im Slalom weiß ich, dass ich sehr schnell bin.“Obwohl sie auch da im Duell mit Petra Vlhová Zweifel hatte. „Wenn ich sehe, wie gut sie fährt, dann bin ich mir nie sicher, dass ich es auch so kann. Ich versuche es einfach nur und so treiben wir uns gegenseitig immer auf ein neues Level.“Unglaubliche 19 der vergangenen 23 Slaloms hat sie nun gewonnen. Die restlichen vier gehen auf das Konto der Slowakin. Die Dritte am Sonntag, die Schweizerin Michelle Gisin, lag bereits 1,72 Sekunden zurück. Und so fehlten Katharina Liensberger, Österreichs einzigem, aber nun umso hoffnungsvollerem Lichtblick in Lienz, nur 16 Hundertstel auf ein perfektes Wochenende und die Krönung beim nachweihnachtlichen Technik-Double. Tags zuvor fuhr die 22-jährige Vorarlbergerin völlig überraschend auf Platz drei und schaffte damit nicht nur ihren ersten Podestplatz im Riesentorlauf, sondern zeigte – wenngleich als Einzige – in Österreichs Problemdisziplin mit zuvor nur einem Podestplatz in den vergangenen drei Saisonen auch groß auf. „Es ist ein großartiges Ende des Jahres. Dass ich so schnell an der Spitze sein kann, nach allem, was passiert ist, hätte ich nicht gedacht. Aber oft lernt man aus Rückschlägen mehr.“
Liensberger sprach so den großen Trainingsrückstand nach dem Materialstreit an. Sogar eine Sperre für die gesamte Saison stand im Raum (siehe auch „Im Skizirkus“). Dass die beiden Topplatzierungen keine Ausnahme, sondern erst der Anfang einer Erfolgsgeschichte waren, wird vom Können und Mut auf der Piste sowie von ihrem Auftreten und Denken abseits davon genährt. „Es ist eine große Erleichterung. Aber ich weiß auch, dass ich noch so viel besser werden muss und kann, dass nach oben keine Grenzen gesetzt sind“, sagt Liensberger. „Was möglich ist, hat ja Mikaela wieder gezeigt.“Dahin zu kommen ist ihr Ziel. Man traut es ihr zu.