Der Fall Kuciak wirkt immer noch nach
Diese Woche startete der Hauptprozess zum Mord an dem slowakischen Journalisten Ján Kuciak vor knapp zwei Jahren. Das Verfahren könnte auch eine Chance sein, das erschütterte Vertrauen in die slowakische Justiz wiederaufzubauen.
Ján Kuciak und Martina Kušnírová planten, im Mai 2018 zu heiraten – drei Monate zuvor wurden der 27-jährige slowakische Journalist und seine gleichaltrige Verlobte in ihrer Wohnung in einem Vorort von Bratislava erschossen. Diese Woche begann der Hauptprozess gegen den Todesschützen und den mutmaßlichen Drahtzieher der Ermordung, den slowakischen Geschäftsmann Marián Kočner.
Bereits am Montag gestand der Auftragsmörder Miroslav M. die Tat. Der mutmaßliche Auftraggeber schweigt aber weiter. Bereits kurz nach der Tat, die am 21. Februar vor zwei Jahren passierte, geriet Kočner ins Visier der Ermittler. Es war ein offenes Geheimnis, dass die Recherchen von Ján Kuciak dem Unternehmer ein Ärgernis waren. Denn der Investigativjournalist recherchierte zum Sumpf aus Korruption und Steuerhinterziehung, in dem Kočner seine Geschäfte betreiben soll. Vier Monate bevor er erschossen wurde, erstattete Kuciak eine Strafanzeige gegen Kočner. Der Geschäftsmann hatte den Journalisten angerufen, um ihm zu sagen, dass er sich in Zukunft mehr für Verwandte und Freunde von Kuciak „interessieren“werde – eine unmissverständliche Drohung.
Bereits kurz nachdem die Ermordung des Journalisten und seiner Freundin ans Licht gekommen war, gingen Zehntausende auf die Straße – nicht nur für die Pressefreiheit.
Die Demonstranten forderten den Rücktritt des damaligen Premierministers Robert Fico. Denn Kuciak zeichnete in seinen Recherchen ebenfalls Verbindungen zwischen der italienischen Mafia und den höchsten Stellen im Staat nach. Fico trat Mitte März 2018 auf Druck der Öffentlichkeit von seinem Amt als Ministerpräsident ab.
Der Prozess zum Mord an Kuciak wird in der Slowakei genau verfolgt. Die linksliberale slowakische Tageszeitung „Pravda“nannte das Verfahren gar das „am meisten beachtete in der slowakischen Geschichte“. Der Aufschrei nach dem Journalistenmord ist auch nach zwei Jahren noch nicht verhallt. „Die Ermordung Kuciaks war ein Zeichen, dass mit dem Rechtsstaat der Slowakei etwas nicht in Ordnung ist“, sagt Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen in Österreich.
Und auch außerhalb der Slowakei findet der Mord an Kuciak viel Beachtung. Denn es gibt Parallelen zu einem anderen Fall: Auch in Malta recherchierte die Journalistin Daphne Caruana Galizia über Korruptionsfälle, die bis zu Premier Joseph Muscat reichten, der am Wochenende sein Amt als Ministerpräsident aufgrund der Massenproteste
niederlegen musste. „Das Erschreckende ist: Das passiert nicht irgendwo am anderen Ende der Welt. Sowohl Malta als auch die Slowakei gehören der EU an“, betont Möhring von Reporter ohne Grenzen. Sie ist überzeugt: Solange der Mordfall Ján Kuciak nicht umfassend aufgeklärt wird, so lange wird der Journalistenmord die slowakische Öffentlichkeit beschäftigen.
Das Misstrauen der Bürgerinnen und Bürger gegenüber den Institutionen ist immer noch groß. Laut aktuellem Eurobarometer haben fast drei Viertel der Slowakinnen und Slowaken kein Vertrauen in die Justiz. Der Prozess sei daher laut „Pravda“auch eine Chance, das erschütterte Vertrauen in die Gerechtigkeit zurückzubringen.
„Die Journalisten wurden durch den Mord an Kuciak nicht eingeschüchtert.“