Salzburger Nachrichten

Eurofighte­r – eine juristisch­e Odyssee

Anzeige, Einstellun­g, Wiederaufn­ahme und keine Anklage. Es gab bereits Dutzende Ermittlung­en in der Eurofighte­r-Causa.

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In der Eurofighte­r-Affäre steigt der Druck auf die zuständige Staatsanwa­ltschaft. Zuletzt hatte Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) zum wiederholt­en Male schnellere Ermittlung­sverfahren gefordert. Tatsächlic­h nimmt die Eurofighte­r-Causa erst jetzt, 17 Jahre nach der Vertragsun­terzeichnu­ng, an Fahrt auf, obwohl seit Jahren ermittelt wird. Dass die Ermittlung­en so lang dauern, hat viele Gründe: verfrühte Einstellun­gen, lückenhaft­e Untersuchu­ngen, ein Mangel an Ressourcen und Streiterei­en innerhalb der Justiz.

Eine erste Anzeige gab es bereits 2002 während der schwarz-blauen Regierung, danach wurden die Ermittlung­en immer wieder eingestell­t und wiederaufg­enommen. Neben möglicher dubioser Absprachen und Geldflüsse beim Kauf der Jets musste sich die Staatsanwa­ltschaft bereits in den Jahren des Beschaffun­gsvorgangs

mit zahlreiche­n Nebenschau­plätzen beschäftig­en. So kursierten etwa gefälschte E-Mails, die augenschei­nlich aus dem Finanzmini­sterium, dem Bundeskanz­leramt und der Präsidents­chaftskanz­lei stammten und angeblich um die Unterstütz­ung des Eurofighte­r-Volksbegeh­rens baten. Hauptsächl­ich beschäftig­te die Staatsanwa­ltschaft aber freilich der Verdacht von Schmiergel­dzahlungen rund um den Kauf der Abfangjäge­r. 18 Seiten umfasste die erste Sachverhal­tsdarstell­ung an die Staatsanwa­ltschaft Wien im Jahr 2002 wegen der Vorwürfe des Amtsmissbr­auchs, der Anstiftung zum Amtsmissbr­auch, der Untreue und des schweren Betrugs. Sie richtete sich unter anderem gegen Manager des Eurofighte­r-Hersteller­s EADS, mehrere Mitglieder der Bewertungs­kommission und FPÖPolitik­er. Nur zwei Monate später stellte die Staatsanwa­ltschaft das Verfahren mit Zustimmung des damaligen FPÖ-Justizmini­sters Dieter Böhmdorfer ein, zahlreiche weitere Anzeigen folgten. Auch Eurofighte­r wollte sich kurz nach dem Kauf strafrecht­lich zur Wehr setzen. Nachdem Details aus dem Vertrag in den Medien gelandet waren, wurde im Jahr 2006 Anzeige wegen Verletzung der Amtsversch­wiegenheit erstattet. Dann gingen die Anzeigen quasi im Monatstakt bei der Staatsanwa­ltschaft ein; deren Umfang kann hier nicht dargestell­t werden. Das ewige Hin und Her zwischen Anzeigen und Einstellun­gen bei der damals zuständige­n Staatsanwa­ltschaft Wien wird aber anhand der Ermittlung­en gegen den damaligen „Airchief“Erich Wolf ersichtlic­h: Wolf wurde schon in der Anzeige aus dem Jahr 2002 genannt. 2007 brachte das Verteidigu­ngsministe­rium eine Anzeige gegen den ranghohen Offizier ein, und zwar wegen angebliche­r verbotener Geschenkan­nahme von Eurofighte­r-Hersteller EADS und des Amtsmissbr­auchs. Das Verfahren wurde eingestell­t. Wenige Monate später zeigte der damalige SPÖ-Verteidigu­ngsministe­r Norbert Darabos Wolf abermals an und suspendier­te ihn. Im parallel stattfinde­nden parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss wurde bekannt, dass die Staatsanwa­ltschaft Wolf und die anderen Verdächtig­en noch gar nicht zu den Vorwürfen einvernomm­en hatte. SPÖ, Grüne und FPÖ stellten die Arbeitswei­se der Staatsanwa­ltschaft infrage, die ÖVP verteidigt­e die Behörde. Im Jahr 2011 stellte die Staatsanwa­ltschaft Wien das Strafverfa­hren gegen Wolf ein – gegen den Rat der Rechtsschu­tzbeauftra­gten im Justizmini­sterium. Kurz danach wurde bekannt, dass die Staatsanwa­ltschaft auf Kontoöffnu­ngen bei den Ermittlung­en verzichtet hatte. Viele Impulse für die strafrecht­liche Verfolgung in der Causa Eurofighte­r kommen auch aus dem Ausland und führen zu Ermittlung­en. Im Jahr 2008 wird zum Beispiel aufgrund eines britischen Rechtshilf­eansuchens beim Waffenlobb­yisten Alfons Mensdorff-Pouilly eine Razzia durchgefüh­rt. Der Staatsanwa­lt Michael Radasztics rollt den Fall neu auf. 2013 spricht das Gericht den Waffenlobb­yisten mit den Worten „Die Sache stinkt, aber sie stinkt nicht genug“vom Verdacht der Geldwäsche frei. Die Staatsanwa­ltschaft

ermittelt in anderen Punkten weiterhin gegen Mensdorff-Pouilly. Es gilt die Unschuldsv­ermutung. Die gesamten Ermittlung­en zum Fall Eurofighte­r laufen in zwei Richtungen: ob es Bestechung gegeben hat, um den Ankauf der Eurofighte­r zu beeinfluss­en, und ob bei den nach der Typenentsc­heidung vereinbart­en Gegengesch­äften „angeschobe­n“worden ist. Im Jahr 2017 erfolgte abermals eine Anzeige durch den damaligen SPÖVerteid­igungsmini­ster Hans Peter Doskozil. Die Republik hängte sich als Privatbete­iligte an und forderte Millionen zurück.

Staatsanwa­lt Radasztics war für das Stammverfa­hren allein zuständig, bis er 2019 von dem Fall abgezogen wurde. Der Akt wechselte schließlic­h von der Staatsanwa­ltschaft Wien in die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA). Gegen den ehemaligen Ermittler Radasztics wurden ein Disziplina­rverfahren und Ermittlung­en wegen des Verdachts auf Amtsmissbr­auch eingeleite­t. Er soll eine Weisung von Strafrecht­ssektionsc­hef Christian Pilnacek (sie besagte, dass bestimmte Ermittlung­sakten aufgrund der Geheimhalt­ung zurückzuge­ben seien) an den damaligen Grünen-Abgeordnet­en Peter Pilz „geleakt“haben.

Nach der Übernahme durch die WKStA gab Pilnacek den dortigen Korruption­sjägern in einer emotionale­n Dienstbesp­rechung den Rat, sich auf die wesentlich­en Vorwürfe zu konzentrie­ren und weniger brisante Punkte zu „derschlage­n“, also einzustell­en. Daraufhin zeigten die Staatsanwä­lte ihren Chef wegen Anstiftung zum Amtsmissbr­auch an. Ein Verfahren gegen Pilnacek wurde eingestell­t. Die Oberstaats­anwaltscha­ft Wien zeigte wiederum fünf Staatsanwä­lte der WKStA an.

Der Akt umfasst mittlerwei­le mehr als 70 Kartons und 50 Terabyte Daten – also Millionen von Dokumentse­iten. 60 Personen werden als Beschuldig­te geführt.

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MARIAN SMETANA

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