Salzburger Nachrichten

Kein Gipfelsieg im ersten Anlauf

Der EU-Haushalt für die nächsten sieben Jahre ist weiter ungeklärt. Viktor Orbán stellte sich mit einer Maximalfor­derung gegen die „Sparsamen Vier“.

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Der Versuch war ehrgeizig, aber er scheiterte. Ratspräsid­ent Charles Michel hatte gehofft, das nächste Mehrjahres­budget der Europäisch­en Union im ersten Anlauf schnüren zu können. Dazu hatte er am Donnerstag die 27 Staatsund Regierungs­chefs zu einem Sondergipf­el nach Brüssel geladen und bis einschließ­lich Samstag zu vergattern versucht.

Sylvia Wörgetter berichtet für die SN aus Brüssel

Doch Freitagabe­nd nach mehr als 48 Stunden Verhandlun­gen musste er zur Kenntnis nehmen: Im ersten Anlauf wird das nichts. „Wir brauchen noch mehr Zeit“, sagte Michel.

Der Poker um den rund eine Billion Euro schweren Haushalt von 2021 bis 2027 wurde unterbroch­en. Man vertagte sich auf unbestimmt­e Zeit. Denn die Dotierung des EUHaushalt­s von 2021 bis 2027 muss einstimmig erfolgen. Davon sind die Staatsspit­zen noch weit entfernt.

Die „Sparsamen Vier“– das sind Österreich, die Niederland­e, Dänemark und Schweden – beharrten weiterhin darauf, dass der Beitragssa­tz zur Union bei 1,0 Prozent der Wirtschaft­sleistung eingefrore­n werde. Einen geringfügi­g höheren Satz, so deutete sich an, könnten sie nur akzeptiere­n, wenn sie im Gegenzug die Rabatte für Nettozahle­r behalten dürfen. Davon würde auch Deutschlan­d profitiere­n.

Ein Einfrieren des Beitrags würde aber massive Kürzungen der Regionalfö­rderungen bedeuten. Und das träfe 17 Länder hart, die sich als „Freunde der Kohäsion“verstehen, weil sie auf eben diese Förderunge­n angewiesen sind. Neben den südeuropäi­schen Ländern Portugal und Spanien zählen auch die vier Visegrád-Staaten (Polen, Ungarn, Tschechien, Slowakei) dazu.

Ungarns Regierungs­chef Viktor Orbán haute denn auch mächtig auf den Tisch. Er forderte im Namen der 17 Länder ein viel größeres Budget, das auf einem Beitragssa­tz von 1,3 Prozent beruhen soll. Das liegt um 300 Milliarden über dem, was die „Sparsamen Vier“zu bezahlen bereit sind.

Diese waren geschlosse­n aufgetrete­n und wollen das auch weiter tun, wie Bundeskanz­ler Sebastian Kurz am Ende des Gipfels betonte.

Die Stunden vor dem Abbruch des Gipfels waren spannend verlaufen. Zunächst schien es, als könnten die deutsche Bundeskanz­lerin Angela Merkel und der französisc­he Staatspräs­ident Emmanuel Macron ein Scheitern noch verhindern. Das deutsch-französisc­he Duo hatte zunächst die Kompromiss­bereitscha­ft der vier „Sparsamen“ausgelotet. Dann erweiterte es den Kreis um Ratspräsid­ent Charles Michel und

EU-Kommission­schefin Ursula von der Leyen. Derweil rechnete laut Diplomaten einer mit seinem Team eifrig im Hintergrun­d: Budgetkomm­issar Johannes Hahn. Es galt Reserven zu finden. Denn es wird zusätzlich­es

Geld gebraucht, um die Herausford­erungen der Zukunft zu finanziere­n – vom Klimaschut­z bis zur Digitalisi­erungsoffe­nsive. Doch davon war am Freitag kaum noch die Rede.

Charles Michel brachte schließlic­h einen etwas niedrigere­n Beitragssa­tz ins Spiel: 1,069 Prozent der Wirtschaft­sleistung sollten die Staaten zum Unionshaus­halt beitragen. Der Unterschie­d zu seinem ursprüngli­chen Papier (1,074 Prozent oder 1094 Milliarden Euro über sieben Jahre) war marginal.

Theoretisc­h haben die Staaten noch bis zum 31. Dezember Zeit, eine Lösung zu finden. Und diese muss auch noch das EU-Parlament zufrieden stellen. Es fordert einen Beitragssa­tz von 1,3 Prozent, eigene Einnahmequ­ellen für die EU wie etwa eine Plastikste­uer sowie einen Sanktionsm­echanismus gegen Länder, die den Rechtsstaa­t unterminie­ren. Werden diese Forderunge­n nicht zumindest teilweise erfüllt, droht ein Veto des Parlaments.

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BILD: SN/AFP Deutschlan­ds Kanzlerin Angela Merkel und Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron versuchten sich als Moderatore­n – vergebens.
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