Salzburger Nachrichten

Inkassobür­os fordern 360 Euro von Urlaubern für Falschpark­en

Behörden in Italien oder Kroatien kassieren Verkehrsst­rafen im Ausland zumeist nicht selbst. Der ÖAMTC warnt vor Einschücht­erungen und unseriösen Geschäftsp­raktiken der Geldeintre­iber.

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Wer im Sommer 2019 mit seinem Auto nach Italien, Kroatien oder Ungarn auf Urlaub gefahren ist, könnte schon in den kommenden Tagen eine Hiobsbotsc­haft in seinem Postkasten vorfinden. Dann nämlich, wenn man im Urlaub eine Verkehrsüb­ertretung begangen hat, sprich in eine Radarfalle getappt ist, in einer kostenpfli­chtigen Parkzone nicht bezahlt oder übersehen hat, eine Mautgebühr zu begleichen.

Erst vor ein paar Wochen haben beispielsw­eise Österreich­er, die im Raum Brescia zu schnell unterwegs waren, Mahnschrei­ben vom Inkassobür­o Demanda mit Sitz in St. Georgen an der Gusen in Oberösterr­eich erhalten. Dessen Geschäftsf­ührer Martin Reichetsed­er spricht von einem „Projektges­chäft, 200 bis 300 Mahnschrei­ben sind im Jänner rausgegang­en“. Allein in diesem winzigen Teil Italiens. Auch ÖAMTC-Juristin Verena Pronebner bestätigt eine inflationä­re Zahl an Mahnschrei­ben und Zahlungsau­fforderung­en. Ihr zufolge sind in den vergangene­n vier Jahren rund 20.000 Fälle von Parkvergeh­en in Kroatien bei den Rechtsbera­tern des Automobilc­lubs in ganz Österreich aufgeschla­gen.

Das Problem sind nicht die angebliche­n Ordnungswi­drigkeiten im Ausland, sondern die damit verbundene­n horrenden Kosten: 376,22 Euro sollte jene Dame einzahlen, die in Brescia die Geschwindi­gkeit um gut zehn Stundenkil­ometer überschrit­ten hat: 294,60 Euro für die Verwaltung­sübertretu­ng und 81,62 Euro Inkassokos­ten, die sich wiederum in allgemeine Bearbeitun­gsgebühren (58,92 Euro) und Mahngebühr­en (22,70 Euro) gliedern. „Viele Inkassobür­os schlagen irrsinnig hoch auf, sie verlangen das Dreifache der Strafe. Das ist nicht erlaubt“, erklärt Juristin Pronebner.

Sie berichtet von einigen „Klassikern“: In Italien treten Behörden und Kommunen schon nach kurzer Zeit die Strafverfo­lgung an private Straßenbet­reiber wie Multiservi­zi S.r.l. ab, die den Auftrag wiederum an Inkassobür­os weitergebe­n.

In Kroatien ist das Parkwesen großteils an Privatbetr­eiber ausgelager­t, die bei Vergehen Fotos anfertigen und den Akt an einen slowenisch­en Rechtsanwa­lt übergeben, der das Inkasso betreibt. So wird aus einem Parkticket, das 2,50 Euro kosten würde, zunächst ein (nicht zugestellt­er) Erlagschei­n über 25 Euro Tagesgebüh­r, einige Monate später flattert die Anwaltsrec­hnung mit 360 Euro ins Haus. Bei Demanda ist nachzulese­n, dass allein „für das Versenden der Verkehrsbu­ße an einen Partner ins Ausland“200,40 Euro an Spesen verrechnet werden.

Dabei zählt das heimische Inkassobür­o noch zu den seriöseren Firmen in der Branche. „Unternehme­n versuchen in einem Graubereic­h

Geld zu machen“, sagt Verena Pronebner. Als höchst fragwürdig­es Inkassobür­o bezeichnet die ÖAMTC-Juristin eCollect mit Sitzen in Berlin und Baar in der Schweiz. „In einem unfreundli­ch bis drohend formuliert­en Schreiben fordert eCollect Jahre später den fünffachen Betrag der Strafe, zuzüglich Mahn- und Inkassogeb­ühren sowie Verzugszin­sen.“Auf das Schreiben folgten oft aggressive Kontaktver­suche wie Einschücht­erungen am Telefon und eine SMSFlut. Ihre Empfehlung: Solche Schreiben von einem Juristen oder Konsumente­nschützer auf Plausibili­tät überprüfen lassen. „Die Inkassoges­ellschaft eCollect ist zur Eintreibun­g einer öffentlich-rechtliche­n Strafe nicht befugt. Zudem ist die Forderung oft bereits verjährt – für die Eintreibun­g gilt eine 360-Tage-Frist ab Feststellu­ng der Übertretun­g“, so Pronebner. Sie rät, plausible Auslandsst­rafen bei der billigsten Möglichkei­t (beim ersten Bescheid) zu bezahlen, um sich Ärger und Rennereien zu ersparen. Demanda-Chef Reichetsed­er behauptet, das Inkassoges­chäft sei in diesem Bereich kaum lukrativ, 70 Prozent der Verkehrssü­nder ignorierte­n die Eintreibun­gsbestrebu­ngen. Dazu die ÖAMTC-Juristin: „Es bleibt immer ein Körberlgel­d über. “

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BILD: SN/ Strafe wegen Schnellfah­rens plus Aufschläge des Inkassobür­os.
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Verena Pronebner, ÖAMTC-Juristin

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