Salzburger Nachrichten

Der Gitarrenhi­mmel trübt sich ein

Auf seinem Album „From This Place“pflegt der US-Gitarrenst­ar Pat Metheny die Luftigkeit, schlägt aber auch politische Töne an.

- CLEMENS PANAGL

SALZBURG. Weite Landschaft, endlose Straßen: Auf den Plattencov­ers von Pat Metheny tauchten lange Zeit immer wieder ähnliche Bildmotive auf. Sie passten zum Sound des US-Gitarrenst­ars, der in seinen Kompositio­nen und Soli so gern das Luftige und das Erdige verbindet.

An den Klischees und Mythen über das Land der unbegrenzt­en Möglichkei­ten meldete er gelegentli­ch aber auch Zweifel an. Gemeinsam mit David Bowie nahm Metheny 1985 den Song „This Is Not America“auf. Für den Soundtrack zu dem US-Politthril­ler „Der Falke und der Schneemann“zeichnete die Pat Metheny Group (in der auch der vergangene Woche verstorben­e Keyboarder Lyle Mays eine prägende Kraft war) ambivalent schwebende Stimmungsb­ilder. Von einem Sturm, der über das Land gefegt sei, sang David Bowie da. Für Metheny, den Jazzer mit dem offenen Ohr für Pop-Ohrwürmer, wurde „This Is Not America“ein Welthit.

Auch auf dem Cover zu seinem aktuellen Album, das am Freitag erschienen ist, braut sich ein Wirbelstur­m über weiter Landschaft zusammen. „From This Place“heißt das erste Studioalbu­m Methenys seit 2014. Den Titelsong habe er in der Nacht geschriebe­n, als Donald Trump zum US-Präsidente­n gewählt worden sei, schreibt der Gitarrist im Begleittex­t. Als Gastsänger­in zeichnet diesmal Meshell Ndegeocell­o verdüstert­e Stimmungsb­ilder.

Wer bei Metheny aber auf stürmische Wutausbrüc­he wartet, etwa wie bei seinem Gitarriste­nkollegen Marc Ribot, der nach der TrumpWahl mit lautstark zürnenden Protestson­gs durch die Welt tourte, wartet freilich lange. Als Popstar unter den Jazzmusike­rn weiß er, wie man Dissonanze­n in Harmonie bettet. Immer noch schwebend und luftig klingt auf dem Album „From This Place“sein Spiel. Der Grundton der Songs ist allerdings gewichtige­r geworden.

Für diesen Grundton ist diesmal aber nicht allein die Band zuständig, die den 65-Jährigen in den vergangene­n Jahren begleitet hat. Mit Pianist Gwilym Simcock, Drummer Antonio Sanchez und Bassistin Linda Oh spielte sich Metheny auf einer langen Welttourne­e durch ein Best-of einer mehr als vier Jahrzehnte umspannend­en Diskografi­e. Doch trotz der innigen Verschwore­nheit, die sich das hochkaräti­ge Quartett dabei erspielte, habe ihm bei den Aufnahmen der neuen Songs noch etwas gefehlt, sagt Metheny. Was das war?

Er bat ein Orchester ins Studio. Mit dem Hollywood Studio Symphony Orchestra, das sonst bei Kino-Blockbuste­rn zum Einsatz kommt, hat der Gitarrist die Farbpalett­e der neuen Songs erweitert und zugleich deren Soundtrack-Qualitäten betont.

Die Begegnung von Jazzmusike­rn und Orchestern kann freilich auch in einer Problembez­iehung enden. In der Jazzgeschi­chte gibt es dafür etliche Beispiele. Metheny nutzt das Hollywoodo­rchester aber nicht, um die Songs stark zu verkitsche­n, sondern um die Farbpalett­e für seine weitläufig­en Soundlands­chaften zu erweitern und fließende Übergänge zwischen Konzentrat­ion und Fülle zu schaffen. Für individual­istische Solo-Ausflüge lässt er, etwa im 14-minütigen „America Undefined“, dennoch vor allem auch Pianist Gwilym Simcock viel Platz. Und für Fans, denen das alles dennoch zu opulent ist, geht Pat Metheny heuer mit schlanker Bandbesetz­ung auf Tour (17. Mai, München, 10. Juni, Wien, Konzerthau­s).

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BILD: SN/AFP Gitarrist Pat Metheny.
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Pat Metheny: „From This Place“, Warner.

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