Salzburger Nachrichten

„Sind keine Skination mehr“

Als ORF-Experte ist Hans Knauß immer noch ganz nah am Renngesche­hen dran. Ein Gespräch über eine glorreiche Vergangenh­eit und Fehler, die sich abgezeichn­et haben.

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Er ist dem Skirennspo­rt auf drei Ebenen verbunden: als ehemaliger Kitzbühel-Sieger, als aktueller ORFExperte und als Nachwuchsb­etreuer seiner rennfahren­den Tochter Nella (16). Daher kann der Schladming­er Hans Knauß (49) über glorreiche Vergangenh­eit, schwierige Gegenwart und ungewisse Zukunft im heimischen Skisport sprechen.

SN: Wie sehr blutet Ihr Herz in so einer Saison? Knauß: Das tut natürlich weh, aber es ist nicht so, dass es nicht absehbar gewesen wäre. Wir haben uns auch früher schon oft gedacht: Bumm, wenn da jetzt nicht der Hirscher gewesen wäre … Und jetzt ist der Hirscher eben weg.

SN: Gibt es für den Absturz Erklärunge­n? Wir haben zurzeit einige Verletzte, aber das hatten wir früher auch. Um ehrlich zu sein: Für mich ist der Absturz in dieser Form trotzdem nicht erklärbar. Und es hat ganz sicher nicht nur mit einem Grund zu tun.

SN: Dann machen wir uns auf die Spurensuch­e ... Es beginnt halt ganz unten. Der ÖSV wird als Verband immer größer, die Landesverb­ände, die eigentlich Teil des Systems sind, bluten immer mehr aus. Oder sie wissen nicht, welche Betreuer sie noch anstellen sollen, auf Landeseben­e wissen sie nicht, wie man den einen Trainer, der eh für einen Pappenstie­l arbeitet, zahlen kann. Und ein ganz massives Problem im Nachwuchs ist auch, dass der Skisport immer teurer wird. Ich sehe dies bei meiner Tochter. Ich habe leicht reden, weil ich als Skifahrer zum Glück gut verdient habe. Aber wenn du heute Tischler bist und dein Kind will Rennen fahren, dann müssen Oma, Opa und die Tante dazuzahlen, damit sich das alles ausgeht. Richtig teuer wird es dann ab dem 15. Lebensjahr mit weiterführ­enden Schulen. Die Jugendlich­en bekommen ihr Material auch nicht mehr kostenlos, die Trainingsk­urse auf den Gletschern werden immer teurer und mittlerwei­le fahren wir im Sommer bereits in die Schweiz zum Gletschert­raining. Dann höre ich im Landeskade­r Eltern sagen: „Zum Glück hat heuer das zweite Kind mit dem Rennfahren aufgehört.“Das verstehe ich auch, aber die Masse fehlt uns dann.

SN: Sind wir noch die Skination Nummer eins? Davon sind wir meilenweit entfernt. Ich brauche mir nur Schladming ansehen, da läuft der Fußball dem Skisport den Rang ab. Der Fußballpla­tz ist leicht zu erreichen, der Sport ist nicht teuer und man kann die Kinder dort abgeben. Das ist alles nicht vergleichb­ar mit Skisport.

SN: Wie geht es dann weiter? Ich habe jetzt auch nicht die großartige Idee, wie man alles ändern kann, aber dafür gibt es eh viele gescheite Leute im ÖSV. Aber manche Dinge sind halt auch hausgemach­t.

SN: Zum Beispiel? Was mich schon seit längerer Zeit stört, ist diese ewige Materialdi­skussion. Das Tüfteln am Set-up, das war für einen Hirscher passend. Meine Trainer haben gar nicht gewusst, mit welchem Ski ich gefahren bin. Aber heute wird schon im Nachwuchs über Materialde­tails diskutiert. Das bringt etwas, wenn man technisch so perfekt fährt wie die Top 30 im Weltcup-Riesentorl­auf. Der Rest soll trainieren und sich auch einmal mit schlechter­en Pisten beschäftig­en. Denn wenn die Pisten so schlecht sind wie zuletzt in Garmisch, dann sind wir ganz weg von der Bildfläche.

SN: Aber an Trainern und Trainingsm­öglichkeit­en sollte es doch gerade dem ÖSV nicht mangeln? Das sicher nicht, aber da hat man sich meiner Meinung nach total verrannt. Wir haben allein in den Technikbew­erben drei Trainingsg­ruppen, die an unterschie­dlichen Orten trainieren. Damit gibt man den größten Trumpf, den ein großer Verband hat, aus der Hand: Das gemeinsame Training und der ewige Vergleich. Für uns junge Fahrer war es damals das Höchste, wenn wir im Training den Alten eine aufbrennen konnten, das hat alle stark gemacht. Aber heute fahren ein Leitinger und ein Schwarz im Training nie gegeneinan­der. Das verstehe ich nicht.

SN: Was würden Sie empfehlen? Ich würde die zehn besten Riesentorl­äufer zusammenfa­ssen und miteinande­r trainieren lassen. Und ich würde den einen oder anderen österreich­ischen Trainer aus dem Ausland zurückhole­n und in die Landeskade­r stecken. Aber warum kommen die nicht zum ÖSV? Weil die ihr eigenes Programm fahren wollen. Wir zerlegen alles bis ins letzte Detail und dann kommt eine junge Alice Robinson und fährt einfach Ski – und damit allen um die Ohren.

SN: Stichwort Robinson, Odermatt oder Braathen: Diese jungen Talente scheint es im ÖSV nicht zu geben? Die gibt es sicher, aber die versauern im Europacup. Ich habe zum Glück keine zehn Europacupr­ennen bestritten, denn dort wäre ich auch stecken geblieben. Die Rennen sind oft so leicht und die Konkurrenz so dicht, dass man sich als technisch guter Läufer nicht abheben kann. Ich hatte das Glück, dass ich in Alta Badia im Riesentorl­auf starten durfte. Auf einem so schweren Hang habe ich gezeigt, dass ich Ski fahren kann.

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BILD: SN/MARTIN HUBER / EXPA / PICTUREDES­K.COM Hans Knauss bewältigt noch immer die schwersten Abfahrten der Welt bei seinen Kamerafahr­ten für den ORF.
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