Salzburger Nachrichten

Umwege zum Titel

Andretti und die Formel 1. Anekdote aus Salzburg zeigt: Auch als Weltmeiste­r bleibt Mario geerdet.

- OTHMAR BEHR

Pole Position beim Debüt, erste WMPunkte mit einem dritten Platz und Sieg bei seiner Premiere in einem Ferrari: Der junge Mario Andretti fegt ab 1968 trotz vieler Rennpausen spektakulä­r durch die Formel 1. Kündigt sich ein neuer Weltmeiste­r an? Vieles deutet darauf hin, aber Marios Weg zum Titel führt über einige Abzweigung­en. Er will in möglichst vielen Sparten schnell Auto fahren. Das ändert sich in der Saison 1976. Andretti heuert beim Team Lotus an, dessen Chef Colin Chapman ihm 1968 das Grand-PrixDebüt ermöglicht­e. Das Auto erweist sich aber nicht gerade als Rakete. Andretti schwankt und fährt zwei Rennen für ein anderes Team. Für den Großen Preis von Spanien bietet ihm Lotus konkurrenz­fähiges Material an. Andretti kehrt zurück. Acht Jahre nach seinem Einstieg in den Grand-Prix-Zirkus kommt der Vollblutra­cer so zu seiner ersten kompletten Saison. Er wird bei Lotus auch deshalb heimisch, weil Boss Chapman an einer bahnbreche­nden Konstrukti­on arbeitet: Raffiniert­e Aerodynami­k soll höhere Kurvengesc­hwindigkei­ten ermögliche­n. Bevor dieser revolution­äre Lotus im Kampf um die Weltmeiste­rschaft mitmischt, holt Andretti einen der wohl seltsamste­n Triumphe in der Formel 1. Das Regenrenne­n um den Großen Preis von Japan 1976 in Fuji geht wegen Niki Laudas Ausstieg und James Hunts knapp errungener Weltmeiste­rschaft in die Renn- und Jahrzehnte später auch in die Filmgeschi­chte ein. Tagessiege­r Andretti spielt real wie im Film nur eine kleine Nebenrolle.

In der Saison 1977 gewinnt Andretti vier Rennen, für den Titel reicht es noch nicht. Niki Lauda und Ferrari bilden die schlagkräf­tigere Einheit. Erst 1978 wird das Lotus-Jahr: sechs Siege für Andretti, zwei für Teamkolleg­en Ronnie Peterson. Die Glückssträ­hne für Lotus findet ein jähes Ende. Peterson stirbt einen Tag nach seinem Feuerunfal­l beim Großen Preis von Italien in Monza. Andretti hat den Titel, aber seine Formel-1-Laufbahn gerät ins Stocken. Er gewinnt keinen Grand Prix mehr. Ausgerechn­et in Monza gibt es 1982 noch ein Erfolgserl­ebnis: Pole Position und Platz drei mit Ferrari.

Als Weltmeiste­r macht Andretti im Sommer 1979 unangemeld­et in Salzburg Station. Er will zum Kart-Spezialist­en Toni Zöserl, damals regierende­r Europa- und Vizeweltme­ister sowie Konstrukte­ur in Personalun­ion. Zöserl erinnert sich: „Ich bekam einen Anruf von der Wirtin des Agip-Stüberls nahe der Grenze: Der Andretti ist da und fragt nach mir. Ich hab einmal durchgeatm­et und bin losgefahre­n. Dann haben wir ganz locker geplaudert. Mario war auf der Suche nach einem Kart für seinen Sohn Michael.“Zöserl führt den prominente­n Besuch ohne Medienrumm­el zum Fahrerlage­r des Salzburgri­ngs und präsentier­t seine Modelle. Kurze Zeit später verlassen mehrere große Pakete Salzburg in Richtung USA.

 ??  ??
 ??  ?? Andretti mit Colin Chapman vor dem Indy-Sieg 1969, beim Ennstal Classic 2003, im Formel-1-Duell im Weltmeiste­rjahr 1978 mit Lotus-Kollegen Ronnie Peterson (hinten) und mit Gerhard Berger 2003.
Andretti mit Colin Chapman vor dem Indy-Sieg 1969, beim Ennstal Classic 2003, im Formel-1-Duell im Weltmeiste­rjahr 1978 mit Lotus-Kollegen Ronnie Peterson (hinten) und mit Gerhard Berger 2003.
 ??  ??
 ??  ??
 ?? BILDER: SN/JOSEF MAYRHOFER (3), AP ??
BILDER: SN/JOSEF MAYRHOFER (3), AP

Newspapers in German

Newspapers from Austria