Es muss nicht immer die Uni sein
Weiterbildung boomt. Welche Möglichkeiten es abseits der Universitäten gibt und wieso manche Berufe verschwinden werden.
Blättert man durch die Kursbücher von Weiterbildungsinstituten, wird schnell klar: Es gibt fast nichts, das man nicht erlernen kann. Ob Hochzeitsplaner, Hundefriseur oder Certified Digital Business Architect – diverse Institute bieten österreichweit berufliche Weiterbildung in allen denkbaren Facetten an. Wer sich weiterbilden möchte, sei mit diesem Überangebot oft überfordert, weiß Christine Bauer-Grechenig, Leiterin der Bildungs- und Berufsberatung Salzburg (BiBer). „Unsere Aufgabe ist es, die Leute zu befähigen, die richtige Weiterbildung für sich selbst zu finden“, erklärt sie die Arbeit der anbieterneutralen Beratungsstelle. „Wir geben ihnen Orientierungshilfe und bündeln die Informationen. Die Leute lernen dadurch, nach welchen Kriterien sie einen weiterbildenden Kurs auswählen sollten.“Möglichkeiten gebe es jedenfalls unzählige, beschreibt Bauer-Grechenig. „Mehrere Wege führen zum Ziel“, sagt sie. „Das ist ein Leitsatz in der Bildungsberatung.“So groß das Angebot ist, so ähnlich sind die Ambitionen der Interessenten, die in die Bildungsberatung kommen. Viele wollen sich beruflich umorientieren oder auf der Karriereleiter nach oben klettern. Ein Trend in den vergangenen Jahren ist die Lehre für Erwachsene, beobachtet Bauer-Grechenig. „Vielen gelingt dadurch der Aufstieg von der Hilfskraft zur Fachkraft.“Das liege freilich auch im Interesse der Politik: Dem Fachkräftemangel werde somit entgegengewirkt. Wer die passende Weiterbildung gefunden hat, steht vor dem nächsten Problem:
Welcher Anbieter ist seriös? Vor allem im Internet finden sich neben den bekannten Instituten auch viele Namen von kleineren Ausbildungsstätten. Bauer-Grechenig empfiehlt, sich zunächst genau anzusehen, wie die Lehrgänge aufgebaut sind. Außerdem könne man prüfen, mit welchen Partnern, zum Beispiel Universitäten, die Institute zusammenarbeiteten. Das sage auch etwas über ihre Qualität aus.
Davon abgesehen sind seriöse Anbieter in aller Regel zertifiziert: Seit 2010 gibt es eine internationale ISO-Zertifizierung für Weiterbildungsinstitute. Orientierungshilfe auf diesem Gebiet bieten auch Institute wie Ö-Cert oder die Weiterbildungsakademie Österreich (wba).
Die größten Anbieter für berufliche Ausund Weiterbildung in Österreich sind die Wifis, die Wirtschaftsförderungsinstitute der Wirtschaftskammern. Pro Jahr nehmen dort 350.000 Menschen an 30.000 Kursen teil. Seit März 2019 steht die gelernte Psychologin und Mediatorin Tatjana Baborek als Institutsleiterin an der Spitze der Wifis. Für sie ist Weiterbildung in Zeiten der Digitalisierung wichtiger denn je. „Jedes Gespräch über die Digitalisierung endet früher oder später beim Thema Aus- und Weiterbildung“, sagt sie.
Die Nachfrage steige weiterhin und zwar in allen Branchen. Baborek nennt einige Beispiele: „Der klassische Verkäufer wird zum E-Commerce-Verkäufer, der technische Zeichner zum 3D-Konstrukteur und der Rauchfangkehrer zum Messtechniker.“
Auch die Industrie wandle sich. „Die Nachfrage in Bereichen wie Robotik, Virtual Reality oder E-Mobilität steigt stark“, sagt Baborek. Wie sich der Bedarf in Zukunft entwickeln werde, sei jedoch nur schwer vorhersehbar, gibt sie zu bedenken. „Wir wissen heute nicht hundertprozentig, was wir übermorgen wissen müssen, denn die Hälfte aller Berufsbilder wird es in 15–20 Jahren nicht mehr geben. Dafür entwickeln sich immer neue Berufsbilder und für die gilt es entsprechende Aus- und Weiterbildung zu schaffen.“
Wer beruflich zukunftsfit werden will, kann das also auch abseits von klassischen Studiengängen an Universitäten und Fachhochschulen
machen. Außerdem gibt es bereits einige akademische Lehrgänge, die von Weiterbildungsinstituten in Zusammenarbeit mit Hochschulen durchgeführt werden. Diese Lehrgänge seien keine abgespeckten Studien, sondern andere Formen des Studierens, betont Christine Bauer-Grechenig von der BiBer-Beratungsstelle. „Solche Masterund MBA-Studiengänge sind in den vergangenen Jahren beliebter geworden“, sagt sie.
Anders als an der Universität braucht man für akademische Lehrgänge – wie etwa den Master of Science in Bilanzbuchhaltung – keine Matura, Berufserfahrung reicht. Die Institute wollen damit Anreize für Praktiker schaffen. Die Studienpläne seien so gestaltet, dass sie akademisches Wissen mit den Bedürfnissen der Unternehmen verbänden, erklärt Wifi-Institutsleiterin Tatjana Baborek. Es sei wichtig, bei diesen Ausbildungen Theorie und Praxis optimal zu verbinden, denn: „Wir wissen, dass Erwachsene am besten anhand von praktischen Beispielen lernen.“
Dafür muss man tiefer in die Tasche greifen als an Universitäten, die zumeist kostenlos sind. Ein akademischer Lehrgang am Wifi kostet mindestens 8500 Euro. Ein Diplomlehrgang ist ab 2400 Euro zu haben, ein Tagesseminar ab 360 Euro. Förderungen gibt es einige. Sie unterscheiden sich je nach Bundesland. Einen Überblick gibt es auf WWW.KURSFOERDERUNG.AT.
Lebenslanges Lernen wird für die Österreicherinnen und Österreicher jedenfalls immer wichtiger, wie das „Weiterbildungsbarometer“vom Frühjahr 2018 im Auftrag des Wifi zeigt. Bei der repräsentativen Umfrage gaben 93 Prozent an, Weiterbildung als wichtig zu erachten.
Viele sind mit dem Überangebot überfordert.
Christine Bauer-Grechenig, Bildungsberaterin