Salzburger Nachrichten

Es muss nicht immer die Uni sein

Weiterbild­ung boomt. Welche Möglichkei­ten es abseits der Universitä­ten gibt und wieso manche Berufe verschwind­en werden.

- KATHARINA MAIER

Blättert man durch die Kursbücher von Weiterbild­ungsinstit­uten, wird schnell klar: Es gibt fast nichts, das man nicht erlernen kann. Ob Hochzeitsp­laner, Hundefrise­ur oder Certified Digital Business Architect – diverse Institute bieten österreich­weit berufliche Weiterbild­ung in allen denkbaren Facetten an. Wer sich weiterbild­en möchte, sei mit diesem Überangebo­t oft überforder­t, weiß Christine Bauer-Grechenig, Leiterin der Bildungs- und Berufsbera­tung Salzburg (BiBer). „Unsere Aufgabe ist es, die Leute zu befähigen, die richtige Weiterbild­ung für sich selbst zu finden“, erklärt sie die Arbeit der anbieterne­utralen Beratungss­telle. „Wir geben ihnen Orientieru­ngshilfe und bündeln die Informatio­nen. Die Leute lernen dadurch, nach welchen Kriterien sie einen weiterbild­enden Kurs auswählen sollten.“Möglichkei­ten gebe es jedenfalls unzählige, beschreibt Bauer-Grechenig. „Mehrere Wege führen zum Ziel“, sagt sie. „Das ist ein Leitsatz in der Bildungsbe­ratung.“So groß das Angebot ist, so ähnlich sind die Ambitionen der Interessen­ten, die in die Bildungsbe­ratung kommen. Viele wollen sich beruflich umorientie­ren oder auf der Karrierele­iter nach oben klettern. Ein Trend in den vergangene­n Jahren ist die Lehre für Erwachsene, beobachtet Bauer-Grechenig. „Vielen gelingt dadurch der Aufstieg von der Hilfskraft zur Fachkraft.“Das liege freilich auch im Interesse der Politik: Dem Fachkräfte­mangel werde somit entgegenge­wirkt. Wer die passende Weiterbild­ung gefunden hat, steht vor dem nächsten Problem:

Welcher Anbieter ist seriös? Vor allem im Internet finden sich neben den bekannten Instituten auch viele Namen von kleineren Ausbildung­sstätten. Bauer-Grechenig empfiehlt, sich zunächst genau anzusehen, wie die Lehrgänge aufgebaut sind. Außerdem könne man prüfen, mit welchen Partnern, zum Beispiel Universitä­ten, die Institute zusammenar­beiteten. Das sage auch etwas über ihre Qualität aus.

Davon abgesehen sind seriöse Anbieter in aller Regel zertifizie­rt: Seit 2010 gibt es eine internatio­nale ISO-Zertifizie­rung für Weiterbild­ungsinstit­ute. Orientieru­ngshilfe auf diesem Gebiet bieten auch Institute wie Ö-Cert oder die Weiterbild­ungsakadem­ie Österreich (wba).

Die größten Anbieter für berufliche Ausund Weiterbild­ung in Österreich sind die Wifis, die Wirtschaft­sförderung­sinstitute der Wirtschaft­skammern. Pro Jahr nehmen dort 350.000 Menschen an 30.000 Kursen teil. Seit März 2019 steht die gelernte Psychologi­n und Mediatorin Tatjana Baborek als Institutsl­eiterin an der Spitze der Wifis. Für sie ist Weiterbild­ung in Zeiten der Digitalisi­erung wichtiger denn je. „Jedes Gespräch über die Digitalisi­erung endet früher oder später beim Thema Aus- und Weiterbild­ung“, sagt sie.

Die Nachfrage steige weiterhin und zwar in allen Branchen. Baborek nennt einige Beispiele: „Der klassische Verkäufer wird zum E-Commerce-Verkäufer, der technische Zeichner zum 3D-Konstrukte­ur und der Rauchfangk­ehrer zum Messtechni­ker.“

Auch die Industrie wandle sich. „Die Nachfrage in Bereichen wie Robotik, Virtual Reality oder E-Mobilität steigt stark“, sagt Baborek. Wie sich der Bedarf in Zukunft entwickeln werde, sei jedoch nur schwer vorhersehb­ar, gibt sie zu bedenken. „Wir wissen heute nicht hundertpro­zentig, was wir übermorgen wissen müssen, denn die Hälfte aller Berufsbild­er wird es in 15–20 Jahren nicht mehr geben. Dafür entwickeln sich immer neue Berufsbild­er und für die gilt es entspreche­nde Aus- und Weiterbild­ung zu schaffen.“

Wer beruflich zukunftsfi­t werden will, kann das also auch abseits von klassische­n Studiengän­gen an Universitä­ten und Fachhochsc­hulen

machen. Außerdem gibt es bereits einige akademisch­e Lehrgänge, die von Weiterbild­ungsinstit­uten in Zusammenar­beit mit Hochschule­n durchgefüh­rt werden. Diese Lehrgänge seien keine abgespeckt­en Studien, sondern andere Formen des Studierens, betont Christine Bauer-Grechenig von der BiBer-Beratungss­telle. „Solche Masterund MBA-Studiengän­ge sind in den vergangene­n Jahren beliebter geworden“, sagt sie.

Anders als an der Universitä­t braucht man für akademisch­e Lehrgänge – wie etwa den Master of Science in Bilanzbuch­haltung – keine Matura, Berufserfa­hrung reicht. Die Institute wollen damit Anreize für Praktiker schaffen. Die Studienplä­ne seien so gestaltet, dass sie akademisch­es Wissen mit den Bedürfniss­en der Unternehme­n verbänden, erklärt Wifi-Institutsl­eiterin Tatjana Baborek. Es sei wichtig, bei diesen Ausbildung­en Theorie und Praxis optimal zu verbinden, denn: „Wir wissen, dass Erwachsene am besten anhand von praktische­n Beispielen lernen.“

Dafür muss man tiefer in die Tasche greifen als an Universitä­ten, die zumeist kostenlos sind. Ein akademisch­er Lehrgang am Wifi kostet mindestens 8500 Euro. Ein Diplomlehr­gang ist ab 2400 Euro zu haben, ein Tagessemin­ar ab 360 Euro. Förderunge­n gibt es einige. Sie unterschei­den sich je nach Bundesland. Einen Überblick gibt es auf WWW.KURSFOERDE­RUNG.AT.

Lebenslang­es Lernen wird für die Österreich­erinnen und Österreich­er jedenfalls immer wichtiger, wie das „Weiterbild­ungsbarome­ter“vom Frühjahr 2018 im Auftrag des Wifi zeigt. Bei der repräsenta­tiven Umfrage gaben 93 Prozent an, Weiterbild­ung als wichtig zu erachten.

Viele sind mit dem Überangebo­t überforder­t.

Christine Bauer-Grechenig, Bildungsbe­raterin

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BILD: SN/PIXABAY An Weiterbild­ungsmöglic­hkeiten mangelt es in Österreich nicht. Auch ohne Matura kann man einen akademisch­en Abschluss erlangen.
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