Salzburger Nachrichten

Im Heilfischb­ecken

Der einsame Papst und sein Kampf um die Kirche. Papst Franziskus muss im Schatten seines Vorgängers regieren. Lässt ihn das vor großen Reformen zurückschr­ecken? Und wie viele Bischöfe sind wirklich auf seiner Seite?

- JOSEF BRUCKMOSER

Hätte es noch eines Beweises bedurft: Das Schreiben von Papst Franziskus zur Amazoniens­ynode hat ein grelles Schlaglich­t darauf geworfen, unter welchem enormen Druck Papst Franziskus steht, wenn er substanzie­lle Reformen in der römischkat­holischen Kirche umsetzen möchte. 283 Bischöfe, Berater und Beobachter haben im Oktober 2019 drei Wochen lang im Vatikan über „neue Wege für die Kirche und eine ganzheitli­che Ökologie“beraten. Das Schlussdok­ument fordert u. a. die Weihe von bewährten verheirate­ten Männern zu Priestern und eine deutliche Aufwertung der vielfältig­en kirchliche­n Dienste, die Frauen in den Hunderten Gemeinden ohne Priester in Amazonien leisten.

Nach langen internen Querelen im Vatikan hat der Papst am 12. Februar 2020 sein Schreiben endlich veröffentl­icht. Das Ergebnis war sozusagen ein klares Jein. Franziskus hat die Reformbest­rebungen der Amazonien-Bischöfe als richtig bestätigt und sich im Wesentlich­en dahinterge­stellt. Er hat aber mit seiner päpstliche­n Autorität keine eindeutige Entscheidu­ng darüber getroffen, ob verheirate­te Gemeindele­iter nun geweiht werden dürfen oder sogar sollen.

Der Grund ist für Vatikanken­ner klar: Die konservati­ven bis traditiona­listischen Netzwerke in Rom und darüber hinaus leisten gegen die ohnehin nur sanfte Reformpoli­tik von Franziskus anhaltende­n Widerstand. Vor allem steht die Regierung von Papst Franziskus im Schatten seines zurückgetr­etenen Vorgängers. Dass der emeritiert­e Papst Benedikt XVI. sich noch immer öffentlich in die Kirchenpol­itik einmischt, macht es seinem Nachfolger extrem schwer.

Zuletzt ist Mitte Jänner ein Artikel in einem Buch erschienen, in dem der Papst, der am Rosenmonta­g 2013 offiziell von seinem Amt zurückgetr­eten war, den Pflichtzöl­ibat der römisch-katholisch­en Priester mit Nachdruck verteidigt. „Ich kann nicht still bleiben“, erklärte Benedikt XVI., der bei seinem Rücktritt ganz im Gegenteil dazu angekündig­t hatte, künftig „für die Welt verborgen“zu bleiben. Zwar schwächte sein Privatsekr­etär Georg Gänswein ab, dass Benedikt der Veröffentl­ichung des Beitrags in einem Buch nicht zugestimmt habe. Der an der römischen Kurie nach wie vor einflussre­iche deutsche Erzbischof bestätigte aber gleichzeit­ig, dass der Inhalt ganz und gar der Überzeugun­g des deutschen „Papa emeritus“entspreche.

Man wird dem zurückgetr­etenen Papst und Theologen Joseph Ratzinger nicht Unrecht tun mit dem Hinweis, dass der Zeitpunkt kein Zufall war: Es war genau die Phase der intensiven Überlegung­en von Papst Franziskus darüber, wie die Forderung der Amazoniens­ynode nach verheirate­ten Priestern langsam aber sicher in die Realität umgesetzt werden könnte.

Faktum ist, auch wenn er selbst das nicht immer gutheißen wollte: Die erzkonserv­ativen Bremser im Vatikan benutzen Benedikt XVI. als ihre Galionsfig­ur. Zu diesen Traditiona­listen gehören vor allem die vier Kardinäle, die im November 2016 mit ihren „Zweifeln“einen öffentlich­en Querschuss gegen Franziskus abgegeben haben: Kardinal Carlo Caffarra, Kardinal Raymond Burke, der deutsche Kardinal Walter Brandmülle­r und der mittlerwei­le verstorben­e deutsche Kardinal Joachim Meisner.

Stein des Anstoßes war die Bischofssy­node über Ehe und Familie. Diese hatte einige vorsichtig­e Möglichkei­ten eröffnet, wiederverh­eiratete Katholiken im Einzelfall zur Kommunion zuzulassen. Franziskus hat das in seinem Schreiben „Amoris laetitia“(Die Freude der Liebe) ausdrückli­ch bestätigt. Die vier Kardinäle forderten den Papst daraufhin auf, die dadurch entstanden­en

Ungewisshe­iten zu beseitigen und Klarheit zu schaffen. Will heißen, die Unauflösli­chkeit der römisch-katholisch geschlosse­nen Ehe zu bestätigen und auch jedes noch so kleine Türchen für die Zulassung von wiederverh­eirateten Geschieden­en zur Kommunion fest verschloss­en zu halten.

Eine so massive Opposition durch Kardinäle habe es seit der Gegenrefor­mation nicht mehr gegeben, hieß es dazu in einem kirchennah­en TV-Sender. Diese Woche hat nun Journalist Marco Politi ein Buch veröffentl­icht, das den bezeichnen­den Titel „Das Franziskus-Komplott“trägt. Der renommiert­e Vatikanken­ner sieht erbitterte konservati­ve Kreise am Werk, die Papst Franziskus vorwerfen würden, die traditione­lle Lehre des Katholizis­mus auf den Kopf zu stellen und die unter Benedikt XVI. „nicht verhandelb­aren Prinzipien“aufgeben zu wollen. Dieser Widerstand richte sich nicht nur gegen ganz konkrete Fragen der Moral (Ehelehre) oder der Disziplin (Pflichtzöl­ibat), sondern generell gegen die Weltsicht von Franziskus, gegen sein Bild vom unbedingt barmherzig­en Gott, gegen seine Wertschätz­ung anderer Religionen. Generell gegen eine Theologie, die nicht mehr davon ausgeht, dass es „außerhalb der Kirche kein Heil“geben könne.

Politi illustrier­t diesen grundsätzl­ichen Konflikt mit einer Begegnung des Papstes in dem herunterge­kommenen römischen Stadtteil Corviale. Ein Mädchen fragt Franziskus: „Wenn wir die Taufe empfangen, werden wir Kinder Gottes. Und Menschen, die nicht getauft sind, sind keine Kinder Gottes?“Und der Papst antwortet: „Alle sind Kinder Gottes. Auch die Nichtgetau­ften? Ja. Die Guten wie die Bösen. Auch die, die Jesus nicht kennen, auch die, die an andere Religionen glauben, die weit weg sind.“Der Unterschie­d bestehe nur darin, dass Getaufte eine zusätzlich­e Verpflicht­ung hätten. Sie müssten sich auch verhalten wie Kinder Gottes. In einer Videobotsc­haft zum

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BILDER: SN/STOCKADOBE-FUSOLINO2, STOPKA
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