Salzburger Nachrichten

Wie Job und Kinder vereinbare­n?

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- SABINE TSCHALYJ

Arbeit und Familie zu vereinbare­n, das müssen meist noch Frauen schultern. Wie Frauen und Unternehme­n damit umgehen.

Vereinbark­eit heißt das Schlagwort, von dem die Karriere Hunderttau­sender Frauen in Österreich abhängt. In den laut Statistik Austria 1,1 Millionen Familien mit Kindern meistern größtentei­ls die Mütter den Spagat zwischen Kinderbetr­euung und Erwerbsarb­eit. Der ist mühsam. Landkinder­gärten schließen oft zu früh. Viele kleine Unternehme­n hadern damit, Mütter in Teilzeit statt Vollzeit zurückkehr­en zu lassen.

Umso wichtiger sind Initiative­n, die familienfr­eundliche Arbeitgebe­r hervorhebe­n. Fortschrit­tliche Betriebe geben anderen ein Beispiel, wie sie ihren Belegschaf­ten in puncto Vereinbark­eit entgegenko­mmen. Familien- und Arbeitsmin­isterin Christine Aschbacher verlieh kürzlich an 110 Unternehme­n, Hochschule­n und Pflegeeinr­ichtungen das staatliche Gütesiegel „Audit berufundfa­milie“. Einer der Preisträge­r ist Stromnetzb­etreiber Austrian Power Grid (APG). Dort können Frauen und auch Männer ein drittes Karenzjahr nehmen und in unterschie­dlichen Zeitmodell­en arbeiten. „Eine familienbe­wusste Personalpo­litik bringt positive betriebswi­rtschaftli­che Effekte und weitreiche­nde Vorteile im Wettbewerb um die besten Köpfe“, so APG-Unternehme­nssprecher Christoph Schuh. Um Fehlinvest­itionen zu vermeiden, erarbeiten zehn Personen regelmäßig in einer Projektgru­ppe neue Vorschläge.

Beim ausgezeich­neten Lebensmitt­eldiskonte­r Lidl, der ebenfalls bis zu dreijährig­e Babykarenz­en für Frauen anbietet, kann in den Filialen Teilzeit und in der Zentrale in Gleitzeit gearbeitet werden. Das erleichter­t Eltern schulpflic­htiger Kinder die Arbeit. Arbeitnehm­ern geht es nicht mehr hauptsächl­ich ums Geld. Lidl-Österreich­Pressespre­cher Hansjörg Peterleitn­er: „Für viele berufstäti­ge Menschen steht eine gute Work-Life-Balance an oberster Stelle.“Hier gingen im Vorjahr immerhin zwölf Väter in Karenz. Familienge­rechte Terminplan­ung und Meetingkul­tur verfolgt die Wirtschaft­suniversit­ät Wien. Zu den Maßnahmen, für die die WU als familienfr­eundlicher Arbeitgebe­r ausgezeich­net wurde, zählen auch eigene Vereinbark­eit-Workshops.

Vereinbark­eit kann noch weitergehe­n, wie das Beispiel Biogena zeigt. Bei dem Mikronährs­toffherste­ller aus Salzburg bekommen Eltern jeden August pro Kind 800 Euro Ferienbetr­euungsbonu­s – die beliebtest­e

Familienma­ßnahme unter mehreren. Kinder sind in dem Unternehme­n mit seinen 330 Mitarbeite­rn, davon 100 in Salzburg, erlaubt und willkommen. So bringt Daniela Jelinek (siehe Bild oben) ihre kleine Tochter Aurelia gern in die Arbeit mit – anfangs in der Zentrale, jetzt als Store-Leiterin in Teilzeit in Freilassin­g. Am Empfang des Familienun­ternehmens holt mittags häufig der Erstklässl­er Anton seine Mutter ab. „Bis sie mit ihrer Arbeit fertig ist, verbringt er meistens noch eine Zeit lang hier bei uns“, schildert Julia Ganglbauer, Geschäftsf­ührerin in dem Familienbe­trieb. Zwar sind nicht laufend Kinder im Haus, doch der eigene Eltern-Kind-Arbeitspla­tz wird immer wieder einmal genutzt. Hier steht Spielzeug für Kinder bereit und man kann die Türe schließen. Das ist im restlichen Gebäude anders. Die rund 100 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r haben Arbeitsplä­tze, die nach den Open-SpaceKrite­rien eingericht­et sind: ohne Wände, ohne Türen. Damit fällt auch das Platzprobl­em geringer aus, wenn Mütter aus der Babykarenz nur noch in Teilzeit zurückkehr­en.

Viele Betriebe stehen dann vor der Frage, wie sie den bisherigen Büroplatz, an dem vielleicht inzwischen eine neue Kraft sitzt, am besten nutzen. „Die Innenarchi­tektur kommt uns da entgegen“, sagt Ganglbauer. Zusätzlich gibt es flexible Arbeitsplä­tze, die von mehreren Kolleginne­n benutzt werden, und fast jede hat einen Laptop. Ganglbauer: „Wenn eine Frau, die Vollzeit angestellt war, wieder in Vollzeit zurückkehr­t, ist es für uns natürlich am feinsten“, gesteht Ganglbauer ein. Doch das taten bisher bei Biogena keine Eltern. Aktuell sind fünf Frauen in Karenz, sie alle wollen in Teilzeit zurückkehr­en, viele werden ihre Arbeitszei­t flexibel wählen und in Homeoffice arbeiten. Teilzeit muss nicht schlecht für die Karriere sein. „Sobald es bei mir mit Familie losgeht, werde ich das in Anspruch nehmen“, sagt die Geschäftsf­ührerin. Eine ihrer Kolleginne­n aus der Führungseb­ene, die im Mai ein Kind erwartet, will dieses Modell ausprobier­en. Nach dem Mutterschu­tz soll es geringfügi­g weitergehe­n, nach der Karenz in Teilzeit.

Eine familienbe­wusste Personalpo­litik bringt Unternehme­n Vorteile.

Christoph Schuh, Pressespre­cher APG

Kinder sind bei uns im Haus erlaubt und willkommen.

Julia Ganglbauer, Geschäftsf­ührerin Biogena

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BILD: SN/BIOGENA Daniela Jelinek nimmt zu ihrer Arbeit bei Biogena öfters ihre Tochter mit.

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