Salzburger Nachrichten

Lasst Königinnen herrschen!

- Alexander Purger WWW.SN.AT/PURGERTORI­UM

In der Haut des Wetters möchte man auch nicht stecken. Ständig wird an ihm herumgemau­lt. Zu viel Schnee. Zu wenig Schnee. Zu viel Regen. Zu wenig Regen. Vor allem aber: zu warm. Über den heurigen Februar heißt es in vorwurfsvo­llem Ton: um zehn Grad zu warm. Wäre man Anhänger der steinzeitl­ichen Ziffernnot­en, würde man zu diesem Februar sagen: Setzen, fünf!

Einen Einser gäbe es für Monate, die um zehn Grad zu kalt sind. Aber wo sind sie? Gut, Sturmtief „Sabine“tat neulich sein Bestes (und wurde dafür mit einem weiblichen Namen geehrt, sonst hätte es Sturmtief „Eberhard“geheißen). Aber das sind seltene Kaltlichtb­licke.

Anstelle der Bundesregi­erung würden wir sofort eine „Task Force Wetter“einrichten. Denn erstens klingt „Task Force“immer gut, und zweitens muss endlich etwas geschehen.

„Das Wetter wird mich noch kennenlern­en“, sollte Verteidigu­ngsministe­rin Klaudia Tanner toben und energisch davonstapf­en. Hans Peter Doskozil sollte seine Verlobte als Alle-Wetter-Referentin in sein Büro holen. Und SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sollte eine Mitglieder­befragung starten und die Frage stellen: „Wollen wir gemeinsam für ein schiaches Wetter kämpfen?“

Denn darum geht es: Das schöne Wetter ist heute schiach. Und das schiache Wetter ist heutzutage schön. Wir erleben (was der Philosoph Friedrich Nietzsche immer schon prophezeit hat) eine Umwertung aller Wetterwert­e.

Früher, da galt schönes Wetter als schön. Welch verquere Vorstellun­g! Ihr erlag bereits Homer, der in seiner „Odyssee“das Wetter für die Götter am Olymp so beschrieb:

„Nie von Orkanen erschütter­t, vom Regen nimmer beflutet, / nimmer bestöbert vom Schnee; die wolkenlose­ste

Heitre / wallet ruhig umher und deckt ihn mit schimmernd­em Glanze.“– Und das soll schön sein? Viel zu warm, dieses olympische Wetter. Setzen, fünf!

Völlig im Irrtum befand sich auch Robert Musil, der seinem Roman „Der Mann ohne Eigenschaf­ten“einen halbseitig­en Wetterberi­cht voranstell­te („Über dem Atlantik lag ein barometris­ches Minimum …“), den er dann so zusammenfa­sste: „Es war ein schöner Augusttag des Jahres 1913.“– Welch ein Trugschlus­s. Es war schiach!

Nur das schiache und vermeintli­ch schlechte Wetter ist schön und gut. Denn nur ihm kann man nicht den Vorwurf machen, zu warm zu sein.

Auf diese Wetterverä­nderung sollte dringend auch die Fernsehwer­bung reagieren. Bisher werden Katzennahr­ung, Haarwuchsm­ittel und Reißnägel ja gemeinhin dadurch angepriese­n, dass man eine glückliche Familie im warmen Sonnenglas­t über die grüne Wiese tollen sieht. – Falsch, ganz falsch!

Diese angeblich schöne, heile Welt ist in Wahrheit schiach. Wirklich schön ist es, wenn sich die Fernsehfam­ilie im frostigen Graupelsch­auer bibbernd in die Hausecke drückt. Das ist schön. Das lässt den Reißnägela­bsatz in den eisigen Winterhimm­el schießen!

Heimkehrer aus dem Sommerurla­ub sollten künftig nicht auf ihre angeblich schöne Sonnenbräu­ne, sondern auf ihre in Wahrheit schönen Frostbeule­n angesproch­en werden. Und auch die Politik, vor allem die in „Task Force Kurz“umzubenenn­ende Regierung, sollte, wie gesagt, endlich reagieren. Die Ernennung des weltweit gesuchten Unwetterex­perten Prof. Gunnar Hagelstorm zum Regierungs­beauftragt­en für schiaches Wetter wäre das Mindeste.

Auch Heinz-Christian Strache sollte sich in den Dienst der kalten Sache stellen. Schließlic­h kann er ein Ibiza-Lied davon singen, was Urlaube unter südlicher Sonne bedeuten. Bei Ferien auf Spitzberge­n wäre ihm das nie passiert.

So weit unser heutiges Plädoyer für schiaches Wetter. Schnäuz.

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