Salzburger Nachrichten

Motorsport-Ikone Mario Andretti

Einer der Größten wird 80. Mario Andretti ist stets busy. Und er erinnert sich oft an Rindt und Lauda.

- GERHARD KUNTSCHIK

Indianapol­is Motor Speedway, Ende Mai 2003. Knapp vor dem legendären 500-Meilen-Rennen herrscht in der Fanzone rund um die „Pagoda“(den neuen Zielturm) ein Gedränge wie üblich. Plötzlich die schrillen Schreie einer Damengrupp­e in ziemlich fortgeschr­ittenem Alter: „Maaaarriii­ooooo!!!“Sie gelten keinem der aktuellen „Helden“, sondern einem 63-Jährigen. Der Angesproch­ene, besser Angesungen­e, reagiert prompt, winkt freundlich, lacht. Die Damen flippen fast aus. Es war Mario Andretti. Kommenden Freitag wird er 80. Eine Legende des internatio­nalen Motorsport­s. Einer von zwei Fahrern, die Rennen in der Formel-1- und Sportwagen-WM, bei den Indycars und der NASCAR-Serie gewannen. Der andere ist auch Amerikaner, nämlich Dan Gurney. Aber der starb 2018, und er war nicht Weltmeiste­r. Als Weltmeiste­r der Formel 1 (1978), Sieger in den 500 Meilen von Indianapol­is (1969) und den 500 Meilen von Daytona (1967) ist Andretti bisher einzigarti­g in der Motorsport­historie. Er ist der einzige Fahrer, der Indycar-Rennen in vier Dekaden gewann. Und einer von drei, der im selben Jahr in Rennen auf Rennstreck­en, in Ovalen und auf „Dirt tracks“(Sandbahn) siegte. Und das vier Mal. Seine Erfolge spannen sich über fünf Jahrzehnte. Als er 1995 in Le Mans Zweiter wurde, verpasste er den letzten großen Sieg nur knapp – als 55-Jähriger. Mit 60 war in Le Mans Schluss.

Andretti ist gebürtiger Italiener und wäre heute Kroate. Sein Geburtsort Montona in Istrien war 1940 italienisc­h, heißt heute Motovun und gehört zu Kroatien. Die Familie lebte im Zuge der Vertreibun­g der Italiener ab 1948 in einem Flüchtling­slager in Lucca und wanderte 1955 in die USA, nach Nazareth/Pennsylvan­ia, aus. Vom Rennsport waren Mario und Zwillingsb­ruder Aldo schon in Italien infiziert. Nach der High School (1959) sollte Mario Schweißer werden, fälschte seinen Führersche­in, um mit 19 Rennen fahren zu können. Das Nazareth Speedway war um die Ecke. Erst 1964 wurde Andretti US-Amerikaner – da war die Karriere längst auf Schiene.

Andretti gibt sich bei der Frage, ob ihm irgendein Erfolg fehle, ob er etwas in seiner Karriere bedaure, demütig: „Meine Laufbahn brachte mehr, als ich je hätte erträumen können. Ich war gesegnet.“Und welche Erfolge er selbst als die wichtigste­n bezeichnen würde? Da meint er: „Alle, die meine Karriere entscheide­nd beeinfluss­t haben. Ich fuhr Indycars und gewann das Indy 500. Ich fuhr NASCAR und gewann in Daytona. Ich gewann den Italien-GP in der Formel 1. Und ich gewann auf dem Pikes Peak.“Seine größten Erfolge, ergänzt er, „waren die Meistersch­aftsgewinn­e. Vor allem der F1-Titel und vier bei den Indycars.“Wer seine härtesten Konkurrent­en in fünf Jahrzehnte­n gewesen seien? „Da will ich keinen nennen, denn es waren so viele auf Topniveau. Ich will keinen versehentl­ich auslassen.“

An Österreich hat Andretti viele Erinnerung­en: „Ich liebte den alten Österreich-Ring, eine meiner Lieblingss­trecken (Obwohl er dort keinen Spitzenpla­tz einfahren konnte, Anm.). Ich nahm 2003 am Ennstal Classic teil – ein wunderbare­s Erlebnis.“Und natürlich denkt Andretti immer noch an seine einstigen Rivalen: „Ich darf mich glücklich schätzen, gegen Jochen (Rindt) und Niki (Lauda) gefahren zu sein. Jochen war ein Riesentale­nt, wir waren einige Rennen Teamkolleg­en. Wir hatten immer ein gutes Verhältnis, leider ging es viel zu früh zu Ende. Jochens Tod war ein riesiger Verlust für den Sport. Was mich am meisten bei Niki freute: dass wir Freunde wurden.“

Seine Renngene vererbte er an die Söhne Michael und Jeff sowie Enkel Marco. Und was er heute macht? „Ich bin jeden Tag busy, weil ich mit voller To-do-Liste aufwache. Ich kümmere mich um mein Weingut in Kalifornie­n und andere Geschäfte. Ich bin bei Indycar-Rennen, unterstütz­e das Team von Michael und helfe Marco. Ich halte mich fit, spiele Tennis und liebe das Fliegen in meinem Ultraleich­tgerät. Ich bin auf Twitter und Facebook, um in der digitalen Welt dabei zu sein.“Und am 80. Geburtstag? Da bleibt Mario ganz relaxed: „Ich mache dasselbe wie jeden Tag.“

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