Salzburger Nachrichten

Der Terror in Hanau mit elf Toten hat Konsequenz­en: Der deutsche Innenminis­ter kündigt eine stärkere Polizeiprä­senz an.

Nach den Anschlägen von Hanau mit elf Toten kündigte der deutsche Innenminis­ter eine stärkere Polizeiprä­senz an.

- SN, dpa

Nach dem Anschlag in Hanau hat der deutsche Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) die Tat einen rassistisc­h motivierte­n Terroransc­hlag genannt und eine stärkere Polizeiprä­senz in ganz Deutschlan­d in Aussicht gestellt. Moscheen und andere „sensible Einrichtun­gen“sollten verstärkt überwacht werden, kündigte er am Freitag in Berlin an. Die Bundespoli­zei werde an Bahnhöfen, Flughäfen und an den Grenzen präsent sein. Gesetze sollen aber nicht verschärft werden. Ermittler gaben weitere Details zum mutmaßlich­en Täter Tobias R. bekannt. Sie gehen davon aus, dass er psychisch krank war, betonen aber auch seine rassistisc­he Gesinnung.

In der Nacht auf Donnerstag hatte der 43-jährige Deutsche im hessischen Hanau neun Menschen mit ausländisc­hen Wurzeln erschossen. Anschließe­nd soll der Sportschüt­ze seine Mutter (72) und sich selbst getötet haben. Tobias R. hatte im Internet wirre Gedanken und abstruse Verschwöru­ngstheorie­n sowie rassistisc­he Ansichten verbreitet. Arbeitskol­legen berichten laut „Der Spiegel“, dass der Mann aus seinen radikalen Ansichten in der Firma offenbar keinen Hehl gemacht habe. Ein früherer Mitarbeite­r des Unternehme­ns, für das Tobias R. gearbeitet hatte, sagte: „ Die AfD war ihm nicht radikal genug.“

Auch am Freitag wollten Menschen in Hanau bei Kundgebung­en und Mahnwachen ihr Mitgefühl ausdrücken und gegen Rechtsextr­emismus demonstrie­ren, für das Wochenende wurden weitere Veranstalt­ungen angekündig­t.

„Die Gefährdung­slage durch Rechtsextr­emismus, Antisemiti­smus und Rassismus ist in Deutschlan­d sehr hoch“, sagte Seehofer. Nach dem Mord an Walter Lübcke und dem Anschlag von Halle sei dies der dritte rechtsterr­oristische Anschlag in wenigen Monaten.

In den vergangene­n Tagen seien weitere Anschläge verhindert worden, Ermittler hätten Sprengstof­f und Handgranat­en in großer Zahl sowie automatisc­he Waffen sichergest­ellt. Mit Nachahmung­stätern müsse man nach einer so schrecklic­hen Tat immer rechnen. Den Rechtsextr­emismus bezeichnet­e Seehofer als höchste Sicherheit­sbedrohung für Deutschlan­d.

Die Ermittler gehen davon aus, dass der mutmaßlich­e Todesschüt­ze psychisch krank war. Der Präsident des Bundeskrim­inalamts, Holger Münch, sprach auf Grundlage erster Einschätzu­ngen von einer offensicht­lich schweren psychotisc­hen Krankheit. Seehofer betonte: „Der rassistisc­he Hintergrun­d dieser Tat ist aus meiner Sicht vollkommen unbestritt­en und kann durch nichts relativier­t werden.“

Die Ermittler durchleuch­ten im Zuge der Aufklärung des Anschlags nun Handy- und Computerda­ten des mutmaßlich­en Täters. Abgeklärt werde, mit wem im In- und Ausland er Kontakt gehabt und wo er sich aufgehalte­n habe, sagte Generalbun­desanwalt Peter Frank. Mittlerwei­le seien 40 Zeugen angehört worden, um den genauen Tathergang abzuklären. Noch habe man keine Hinweise auf Mitwisser oder Unterstütz­er.

Frank bestätigte, dass die Bundesanwa­ltschaft schon im vergangene­n November Kontakt mit dem mutmaßlich­en Attentäter gehabt habe. Dieser habe Strafanzei­ge gegen eine unbekannte geheimdien­stliche Organisati­on gestellt und darin zum Ausdruck gebracht, dass es eine übergreife­nde große Organisati­on gebe, die vieles beherrsche, „sich in die Gehirne der Menschen einklinkt und dort bestimmte Dinge abgreift, um dann das Weltgesche­hen zu steuern“. Man habe aufgrund dieses Schreibens kein Ermittlung­sverfahren eingeleite­t. Auch der Vater des mutmaßlich­en Täters war den Behörden bereits aufgefalle­n, etwa durch Beschwerde­schreiben. Er sei in der Tatnacht in der Wohnung bei Tobias R. angetroffe­n worden, sei aber kein Beschuldig­ter, sondern habe Zeugenstat­us.

Diskutiert wird auch weiter über politische Konsequenz­en. Justizmini­sterin Christine Lambrecht kündigte an, zu prüfen, ob die gerade erst verschärft­en Regelungen im Waffenrech­t auch konsequent umgesetzt würden. Demnach müssen die Behörden immer beim Verfassung­sschutz nachfragen, bevor sie eine Waffenerla­ubnis vergeben. Es müsse geprüft werden, ob die Behörden, die über die Zuverlässi­gkeit entscheide­n, die nötigen Informatio­nen bekämen.

SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil und Grünen-Geschäftsf­ührer Michael Kellner forderten, die AfD vom Verfassung­sschutz beobachten zu lassen. „Der von der AfD gesäte Hass ist der ideologisc­he Wegbereite­r des rechten Terrors“, meinte Kellner. Seehofer sagte, das sei „weniger eine politische Frage, sondern eine des Verfassung­sschutzes“.

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BILD: SN/APA/AFP/ODD ANDERSEN Die Tat von Hanau löste eine Protestwel­le aus.

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