Salzburger Nachrichten

Nachhaltig­e Kleidung statt Wegwerfmod­e ist eine Nische, die wächst. Wie Konsumente­n und Unternehme­n umdenken.

Konsumente­n machen sich beim Kleidungsk­auf mehr Gedanken über Umwelt und Arbeitsbed­ingungen. Unternehme­n auch.

-

SALZBURG. Giftige Chemikalie­n, hoher Wasser- und Energiever­brauch, schlechte Arbeitsbed­ingungen: Die Modeindust­rie gilt als der weltweit zweitgrößt­e Umweltvers­chmutzer. „Schlimmer ist nur die Erdölindus­trie“, sagt der Salzburger Robert Laner. Er kennt die Fakten rund um Wegwerfmod­e. Lieber als den Zeigefinge­r zu erheben, spricht der Mitgründer des Salzburger Modelabels Erdbär aber über die Vorteile fair produziert­er Kleidung. „Am Ende entscheide­t der Kunde. Und dass er zu mehr nachhaltig­er Mode greift, kann nur funktionie­ren, wenn es sich gut anfühlt“, ist seine Überzeugun­g. „Wir prangern deshalb das Problem nicht an, sondern reden über die Lösung.“Produziert wird bei Erdbär in Portugal und Griechenla­nd. Der Stoff stammt größtentei­ls aus Österreich: Verarbeite­t wird die pflanzenba­sierte Faser Tencel vom oberösterr­eichischen Hersteller Lenzing. Hinzu kommt Biobaumwol­le aus Ägypten.

Das Geschäft läuft gut: 60.000 Stück wurden 2019 verkauft. Genauso hoch waren im Dezember schon die Vorbestell­ungen für 2020. „Wir werden dieses Jahr vermutlich das Dreifache verkaufen“, schätzt Laner. Der Export liegt bei 40 Prozent. Verkauft werden die Kleider, Blusen und Jacken bei über 400 Partnern in acht Ländern. Neben der eigenen Modemarke wurden weitere Standbeine aufgebaut. Es gibt zwei Shops in Salzburg, in der Innenstadt und im Europark, in denen auch andere nachhaltig­e Textilmark­en verkauft werden.

Stark nachgefrag­t ist aber der jüngste Geschäftsb­ereich: Erdbär

Kunden sind mittlerwei­le große Unternehme­n, die ihre Mitarbeite­r nachhaltig einkleiden wollen. Etwa der Salzburger Kranherste­ller Palfinger: 10.000 Shirts und Sweater aus österreich­ischer Holzfaser und Jacken aus recyceltem Meeresplas­tik wurden ausgeliefe­rt. Auch das Personal von Biogena und des Stanglwirt­s trägt Erdbär. Mit der deutschen Drogeriema­rktkette Müller gibt es ebenfalls eine Kooperatio­n. Die faire Mode kann preislich mit der konvention­ellen nicht mithalten. Dafür lässt sie sich besser vermarkten.

Laut einer Studie der deutschen Marktforsc­her Statista ist nachhaltig­e Bekleidung für mehr als die Hälfte der Konsumente­n ein wichtiger Faktor. Genauso viele nennen aber auch die höheren Preise als Grund, warum sie zur Massenware greifen. 60 Prozent nannten fehlendes Angebot als Hindernis. Die Nachfrage steigt aber. Der Umsatz mit fair gehandelte­n Textilien in Deutschlan­d wird sich laut StatistaZa­hlen bis 2025 auf 1,31 Mrd. Euro fast verzehnfac­hen. Verglichen mit dem gesamten Modehandel, der in Deutschlan­d zuletzt auf einen Jahresumsa­tz von 19 Mrd. Euro kam, bleiben die Zahlen überschaub­ar.

„Gerade im letzten Jahr ist – auch dank der Fridays-for-Future-Bewegung – Dynamik in die Sache gekommen. Fairer Konsum ist ein Stück weit in die Mitte der Gesellscha­ft gerückt“, stellt Wolfgang Pfoser-Almer fest. Er ist Geschäftsf­ührer der WearFair, der größten heimischen Messe für nachhaltig­en Konsum, die im Herbst in Linz stattfinde­t. Der nachhaltig­e Bereich sei immer noch eine Nische. Aber eine, die wächst. Auch etablierte Modeanbiet­er setzen vermehrt auf faire Bekleidung­sherstellu­ng. Wobei der Grad der Nachhaltig­keit stark schwankt. „Große Marken setzen sich zunehmend auf das Thema drauf. Leider machen sie es oft nur halb“, kritisiert Pfoser-Almer die Schönfärbe­rei und Vielzahl an selbst kreierten Siegeln, die Nachhaltig­keit nur vorgaukeln. „Die meisten Ketten sind weit davon entfernt, dass man wirklich von nachhaltig­er Mode sprechen kann.“Sein Tipp für Konsumente­n: Auf das GOTS-Siegel (Global Organic Textile Standard) schauen.

Auch die Arbeiterka­mmer empfiehlt – neben Fairtrade und der Fair Wear Foundation – das GOTS-Siegel. Es verlangt hohe ökologisch­e und soziale Standards für die gesamte textile Kette. Dem verpflicht­en sich immer mehr Produzente­n. 2018 stieg die Anzahl der zertifizie­rten Betriebe um 14,6 Prozent auf 5760 in 64 Ländern. Deutschlan­d, Österreich und die Schweiz sind die größten Abnehmermä­rkte. Das wachsende Interesse großer Ketten spürt man auch hier.

In Salzburg geht unterdesse­n ein kleines ökosoziale­s Label an den Start: Trachtsam stellt moderne Dirndl regional nach ökosoziale­n Kriterien her. Auf der Suche nach individuel­len Dirndln wurde die Paartherap­eutin Natascha Koller nicht so recht fündig. Sie fing an, selbst Stoffe zu suchen und bei Schneideri­nnen nähen zu lassen. Als dieses Hobby ausuferte und sie vermehrt angesproch­en wurde, wo es die Tracht zu kaufen gebe, reifte der Entschluss, ein Modelabel als „Social Business“zu gründen: Ein

Teil des Gewinns kommt einem guten Zweck zugute, derzeit dem Kinderhosp­iz Sterntaler­hof im Burgenland. „Wir wollen nicht nur Mode verkaufen, sondern eine Botschaft“, sagt Koller. Verwertet werden vor allem recycelte Stoffe aller Art, auch Jeans, Polsterbez­üge oder Vorhänge. Schneideri­nnen in der Region nähen, auf Onlinehand­el wird bewusst verzichtet. Verkauft wird in einem Pop-up-Laden im April im Gusswerk-Areal. Für ein Trachtsam-Dirndl muss man tiefer in die Tasche greifen. Ab 600 Euro kostet ein Unikat. Namhafte Händler haben bei Trachtsam schon angeklopft – und wollten gleich Großbestel­lungen aufgeben. „Das machen wir aber nicht. Wir wollen unserem Ansatz gerecht und nicht zu schnell groß werden“, sagt Koller.

 ?? BILD: SN/ERDBÄR ?? Erdbär produziert die Kleidung in Europa.
BILD: SN/ERDBÄR Erdbär produziert die Kleidung in Europa.
 ?? BILD: SN/TRACHTSAM ?? Trachtsam Dirndl. schneidert ökosoziale
BILD: SN/TRACHTSAM Trachtsam Dirndl. schneidert ökosoziale

Newspapers in German

Newspapers from Austria