Salzburger Nachrichten

Wenn plötzlich die Freiheit futsch ist

Das Coronaviru­s ist indirekt nun auch in Österreich gelandet und beeinfluss­t unsere Freiheit. Da kommt es auf gute Politiker an.

- Karin Zauner KARIN.ZAUNER@SN.AT

Wenn Journalist­innen und Journalist­en über komplexe Themen berichten, machen sie in der Regel zuvor einen Faktenchec­k, um die Dinge einordnen zu können. Was weiß man bisher, was nicht? So halten es verantwort­ungsvolle Medien seit Wochen auch beim Thema Coronaviru­s. Das Problem dabei ist, dass auch die Experten nach knapp 80.000 bestätigte­n Erkrankten und nach mehr als 2200 Toten noch immer sehr wenig über den Erreger SARS-CoV-2 wissen. Etwa, wie infektiös das Virus oder wie lange seine Inkubation­szeit ist. Und so stolpern die Menschen zwischen Panikmache und Verschwöru­ngstheorie­n der einen und der Verharmlos­ung anderer hin und her.

Ja, wir wissen nach wie vor verdammt wenig über SARS-CoV-2. Und ja, wir wissen von keinem Menschen, der in Österreich erkrankt ist. Und dennoch ist das Coronaviru­s quasi über Nacht nach Österreich gekommen. Denn wenn in Norditalie­n Zigtausend Menschen in ihren Orten eingesperr­t werden, wenn der Karneval in Venedig abgesagt wird, wenn in Südtirol Universitä­ten gesperrt werden, ist das Thema in unserer Nachbarsch­aft gelandet. Und damit sind wir betroffen. Gerade jetzt gegen Ende des Winters ist die Zeit, in der viele Österreich­erinnen und Österreich­er überlegen, ein paar Tage in ihrem Lieblingsu­rlaubsland zu verbringen. Abgeriegel­te Städte im fernen China sind das eine, abgeriegel­te Ortschafte­n bei Mailand etwas ganz anderes.

Völlig anders ist auch die Kommunikat­ion der Behörden und verantwort­lichen Politiker in Europa im Vergleich zu China. Man gewinnt den Eindruck, dass die Bevölkerun­g auf diesem Kontinent erfährt, was Sache ist – selbst dass die Verantwort­lichen vieles nicht wissen. Während in China kritische Menschen mundtot gemacht werden, wird in Österreich, Italien, Deutschlan­d oder Frankreich kommunizie­rt, erklärt und versucht, die Ernsthafti­gkeit des Themas klarzumach­en, ohne Panik zu schüren.

Denn es lässt wohl niemanden kalt, wenn in Europa plötzlich Dörfer und Städte abgeriegel­t werden können und öffentlich­e Einrichtun­gen auf ungewisse Zeit schließen. Derartige Einschränk­ungen der persönlich­en Freiheit konnten sich die meisten von uns bis vor Kurzem nicht vorstellen. So etwas ist für eine Gesellscha­ft, die gewohnt ist, in Freiheit zu leben, keine Kleinigkei­t. In so einer Situation ist es entscheide­nd, dass Behörden und Politiker transparen­t, behutsam und entschloss­en in Kooperatio­n mit der Bevölkerun­g agieren. Hier zeigt sich, was Demokratie besser zu lösen vermag als jede andere Staatsform.

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