Salzburger Nachrichten

Die ÖVP im Enthüllung­smodus

Jahrelang hat die ÖVP die Existenz einer Eurofighte­r-Affäre geleugnet, jetzt ruft sie am lautesten nach Aufklärung. Was ist da passiert?

- „Airbus wird mich noch kennenlern­en“, versprach Verteidigu­ngsministe­rin Tanner. ANDREAS.KOLLER@SN.AT

Es entbehrt nicht der Komik, wenn ausgerechn­et Bundeskanz­ler Sebastian Kurz sich nun an die Spitze der Eurofighte­r-Aufklärer setzt. Und der Justiz – wie jüngst im ORF-„Report“geschehen – bittere Vorwürfe macht, dass bei den Ermittlung­en in der leidigen Korruption­sCausa nichts weitergeht. Wörtlich sagte Kurz: „Ich verstehe nicht, warum bei uns die Ermittlung­en so lange dauern.“

Dabei ist die Sache eigentlich ganz leicht zu verstehen. Einer der Gründe, warum „bei uns die Ermittlung­en so lange dauern“, könnte darin bestehen, dass besagte Ermittlung­en von der ÖVP bisher politisch nicht erwünscht waren. Jahr und Tag haben uns ÖVP-Wirtschaft­spolitiker erklärt, wie toll die Gegengesch­äfte (die laut Kritikern nichts weiter sind als ein „Einfallsto­r für die Korruption“) nicht seien. Jahr und Tag stand die ÖVP (beispielsw­eise in den mittlerwei­le drei parlamenta­rischen Eurofighte­r-Untersuchu­ngsausschü­ssen) auf der Bremse, als es um die Aufarbeitu­ng der mutmaßlich­en Korruption­saffäre ging. Seit Jahr und Tag ist uns das Wort des seinerzeit­igen Bundeskanz­lers Wolfgang Schüssel im Ohr, dass sich die Eurofighte­r über eine „wirtschaft­liche Plattform“praktisch von selbst finanziere­n würden. Und der damalige Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil schildert glaubhaft, dass ihm, als er vor drei Jahren Anzeige in der Eurofighte­r-Causa erstattete, ÖVP-Wirtschaft­sminister Reinhold Mitterlehn­er einige Unfreundli­chkeiten ins Gesicht sagte.

Und jetzt kann es der ÖVP plötzlich nicht schnell genug gehen. Und auch nicht energisch genug, wie auch die türkise Verteidigu­ngsministe­rin Klaudia „Airbus wird mich noch kennenlern­en“Tanner bekundete.

Der Stimmungsu­mschwung in der ÖVP ist strategisc­h begründet. Da ist zum einen der Umstand, dass die Causa Eurofighte­r durch die Enthüllung­en der letzten Wochen deutlich an Eigendynam­ik zugelegt hat. Wer jetzt noch Sympathien für den Rüstungsde­al zeigt, der hat politisch nichts mehr zu gewinnen. Und wer jetzt noch abstreitet, dass der von der Regierung Schüssel durchgefüh­rte Ankauf der Kampfflugz­euge streng nach Korruption riecht, gerät in akute Gefahr, sich lächerlich zu machen. Das hat Sebastian Kurz nicht vor.

Und da ist zum Zweiten der Umstand, dass die Causa Eurofighte­r bestens zur Profilieru­ng taugt. Die Herren Doskozil und Wolfgang Peschorn (damals wie heute Präsident der Finanzprok­uratur), die 2017 zur Anzeige gegen

Eurofighte­r schritten, können sich heute im populären Licht der Korruption­sbekämpfer sonnen. Sollten es Klaudia Tanner und Sebastian Kurz schaffen, dem Rüstungsko­nzern Airbus einige Millionen als sogenannte „Wiedergutm­achung“zu entlocken, winkt ihnen die dankbare und bei Wahlen sehr probate Rolle als Drachentöt­er.

Dass ausgerechn­et die ÖVP nun am lautesten nach Eurofighte­r-Aufklärung und -Wiedergutm­achung ruft, hat auch mit dem Generation­enwechsel zu tun, der in der Volksparte­i stattfand. Die türkise ÖVP des Sebastian Kurz hat mit der schwarzen ÖVP des Wolfgang Schüssel nicht mehr viel zu tun. Als die Regierung Schüssel den Eurofighte­r-Kaufvertra­g unterzeich­nete, ging Kurz gerade in die AHS-Oberstufe. Die junge Juristin Klaudia Tanner verabschie­dete sich damals gerade aus dem Ministerka­binett Ernst Strassers, um für einige Jahre in der Privatwirt­schaft (Kapsch BusinessCo­m) anzuheuern. Die damals führenden Politiker sind längst in Pension (oder haben, man denke an Karl-Heinz Grasser, ganz andere Sorgen). Die Generation Kurz kann also relativ unbefangen an die Aufarbeitu­ng des mittlerwei­le 17 Jahre alten Schlamasse­ls gehen.

Und die Chancen, dass endlich Licht ins Affärendun­kel kommt, waren nie so gut wie jetzt: Die ÖVP, die früher bremste, ruft nun nach klaren Verhältnis­sen. Die Grünen, die diese klaren Verhältnis­se immer schon wollten, stellen mit Justizmini­sterin Alma Zadić eine entscheide­nde Funktionst­rägerin. Die SPÖ macht sowieso schon seit Jahren Druck, den vornehmlic­h schwarz-blauen Skandal aufzukläre­n. Die FPÖ ist seit Ibiza um ein Saubermann­image bemüht und wird der Aufklärung nichts in den Weg legen. Und die Neos stehen ohnehin für Transparen­z. Die Justiz hat erstmals seit Jahren freie Hand, eine der übelsten Affären der Zweiten Republik aufzukläre­n.

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BILD: SN/APA
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Andreas Koller KLAR TEXT

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