Die ÖVP im Enthüllungsmodus
Jahrelang hat die ÖVP die Existenz einer Eurofighter-Affäre geleugnet, jetzt ruft sie am lautesten nach Aufklärung. Was ist da passiert?
Es entbehrt nicht der Komik, wenn ausgerechnet Bundeskanzler Sebastian Kurz sich nun an die Spitze der Eurofighter-Aufklärer setzt. Und der Justiz – wie jüngst im ORF-„Report“geschehen – bittere Vorwürfe macht, dass bei den Ermittlungen in der leidigen KorruptionsCausa nichts weitergeht. Wörtlich sagte Kurz: „Ich verstehe nicht, warum bei uns die Ermittlungen so lange dauern.“
Dabei ist die Sache eigentlich ganz leicht zu verstehen. Einer der Gründe, warum „bei uns die Ermittlungen so lange dauern“, könnte darin bestehen, dass besagte Ermittlungen von der ÖVP bisher politisch nicht erwünscht waren. Jahr und Tag haben uns ÖVP-Wirtschaftspolitiker erklärt, wie toll die Gegengeschäfte (die laut Kritikern nichts weiter sind als ein „Einfallstor für die Korruption“) nicht seien. Jahr und Tag stand die ÖVP (beispielsweise in den mittlerweile drei parlamentarischen Eurofighter-Untersuchungsausschüssen) auf der Bremse, als es um die Aufarbeitung der mutmaßlichen Korruptionsaffäre ging. Seit Jahr und Tag ist uns das Wort des seinerzeitigen Bundeskanzlers Wolfgang Schüssel im Ohr, dass sich die Eurofighter über eine „wirtschaftliche Plattform“praktisch von selbst finanzieren würden. Und der damalige Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil schildert glaubhaft, dass ihm, als er vor drei Jahren Anzeige in der Eurofighter-Causa erstattete, ÖVP-Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner einige Unfreundlichkeiten ins Gesicht sagte.
Und jetzt kann es der ÖVP plötzlich nicht schnell genug gehen. Und auch nicht energisch genug, wie auch die türkise Verteidigungsministerin Klaudia „Airbus wird mich noch kennenlernen“Tanner bekundete.
Der Stimmungsumschwung in der ÖVP ist strategisch begründet. Da ist zum einen der Umstand, dass die Causa Eurofighter durch die Enthüllungen der letzten Wochen deutlich an Eigendynamik zugelegt hat. Wer jetzt noch Sympathien für den Rüstungsdeal zeigt, der hat politisch nichts mehr zu gewinnen. Und wer jetzt noch abstreitet, dass der von der Regierung Schüssel durchgeführte Ankauf der Kampfflugzeuge streng nach Korruption riecht, gerät in akute Gefahr, sich lächerlich zu machen. Das hat Sebastian Kurz nicht vor.
Und da ist zum Zweiten der Umstand, dass die Causa Eurofighter bestens zur Profilierung taugt. Die Herren Doskozil und Wolfgang Peschorn (damals wie heute Präsident der Finanzprokuratur), die 2017 zur Anzeige gegen
Eurofighter schritten, können sich heute im populären Licht der Korruptionsbekämpfer sonnen. Sollten es Klaudia Tanner und Sebastian Kurz schaffen, dem Rüstungskonzern Airbus einige Millionen als sogenannte „Wiedergutmachung“zu entlocken, winkt ihnen die dankbare und bei Wahlen sehr probate Rolle als Drachentöter.
Dass ausgerechnet die ÖVP nun am lautesten nach Eurofighter-Aufklärung und -Wiedergutmachung ruft, hat auch mit dem Generationenwechsel zu tun, der in der Volkspartei stattfand. Die türkise ÖVP des Sebastian Kurz hat mit der schwarzen ÖVP des Wolfgang Schüssel nicht mehr viel zu tun. Als die Regierung Schüssel den Eurofighter-Kaufvertrag unterzeichnete, ging Kurz gerade in die AHS-Oberstufe. Die junge Juristin Klaudia Tanner verabschiedete sich damals gerade aus dem Ministerkabinett Ernst Strassers, um für einige Jahre in der Privatwirtschaft (Kapsch BusinessCom) anzuheuern. Die damals führenden Politiker sind längst in Pension (oder haben, man denke an Karl-Heinz Grasser, ganz andere Sorgen). Die Generation Kurz kann also relativ unbefangen an die Aufarbeitung des mittlerweile 17 Jahre alten Schlamassels gehen.
Und die Chancen, dass endlich Licht ins Affärendunkel kommt, waren nie so gut wie jetzt: Die ÖVP, die früher bremste, ruft nun nach klaren Verhältnissen. Die Grünen, die diese klaren Verhältnisse immer schon wollten, stellen mit Justizministerin Alma Zadić eine entscheidende Funktionsträgerin. Die SPÖ macht sowieso schon seit Jahren Druck, den vornehmlich schwarz-blauen Skandal aufzuklären. Die FPÖ ist seit Ibiza um ein Saubermannimage bemüht und wird der Aufklärung nichts in den Weg legen. Und die Neos stehen ohnehin für Transparenz. Die Justiz hat erstmals seit Jahren freie Hand, eine der übelsten Affären der Zweiten Republik aufzuklären.