Frauenhass darf nicht zur Einstiegsdroge für Extremisten werden
Der Anschlag in Hanau reiht sich ein in eine lange Liste. Wieder war der Täter rechtsradikal. Und hasste Frauen.
Toronto, Christchurch, Halle, Hanau: Zu oft kommt es vor, dass Menschen aus rechtsradikalen und rassistischen Motiven um sich schießen. Bei der Tat vergangenen Mittwoch im hessischen Hanau kamen elf Menschen ums Leben.
Der mutmaßliche Täter Tobias R. gab in einem Bekennerschreiben Einblicke in sein Geistesleben: Er dürfte ein sogenannter Incel gewesen sein – also einer, der keine sexuelle Beziehung zu einer Frau hatte. Die Bezeichnung steht für „involuntary celibate“, also „unfreiwillig enthaltsam“. Schuldige am ungewollten Singledasein sind für Anhänger dieser Bewegung schnell gefunden: Frauen. Keine sei ihm gut genug gewesen, schrieb Tobias R.
Das ist gefährlich. Anhänger dieser Bewegung hängen der Ideologie einer vorherrschenden Männlichkeit nach. Ihre Gefühle sind geprägt von Misogynie (also dem Hass gegen Frauen) und Gewalt gegen Frauen.
Hinzu kommt, dass die Gewaltspirale im Netz einen idealen Nährboden findet. Klickt man sich ein wenig durch die Foren der IncelBewegung, wird einem übel. Im Forum „PhilosophyOfRape“wird offen über die Vorzüge von Vergewaltigungen diskutiert. Es sei nicht nur moralisch vertretbar, Frauen zu vergewaltigen, sondern sogar mutig.
Ein anderes beliebtes Forum der Incel-Anhängerschaft ist „The Red Pill“auf der Plattform Reddit. Der Name des Forums ist ein Selbstbetrug. Als rote Pille wird in der Cyberkultur der Moment beschrieben, in dem man die vermeintlich schmerzhafte Wahrheit der Realität erkennt. Zum Beispiel, dass ein Bevölkerungsaustausch bevorstehe. Oder eben, dass der Feminismus Männern ihr Recht auf Sex verwehre. Verschwörungstheorien wird Tür und Tor geöffnet.
Eine im Jänner veröffentlichte Studie bestätigt, dass sich Frauenhasser im Netz immer stärker radikalisieren. 38 Millionen Posts wurden dazu in entsprechenden Foren analysiert. Die sich entwickelnde toxische Atmosphäre wird auch „Manosphere“genannt. Frustrierte Männer bestärken sich und stacheln sich auf. Auf solchen Plattformen wird laut Studie mehr Hass verbreitet als in anderen Foren.
Dem muss Einhalt geboten werden. Der sich aufschaukelnde Frauenhass darf nicht zur Einstiegsdroge für Extremisten werden. Und: Das Motiv der Frauenfeindlichkeit wird meist nur wenig beachtet. Häufig ist es nur eine Randnotiz, neben Antisemitismus und Rassismus. Der Weg davon, sich als Opfer von feministischen Bewegungen zu sehen, bis zum Entschluss, der weiße Mann müsse sein Land vor Migration und Andersdenkenden retten, ist nicht weit. Diese Pille der Wahrheit müssen wir alle schlucken. Und hoffen, dass sie zu Einsicht verhilft.