Salzburger Nachrichten

Die Versicheru­ng ist in der Zahnbürste schon eingebaut

Start-ups für Versicheru­ngen drängen auf den Markt und bieten neue Produkte an. Traditione­lle Versichere­r bringt das unter Zugzwang.

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SALZBURG. Weiße Borsten, Bürstenköp­fe zum Austausche­n und ein breiter Griff: Die elektrisch­e Zahnbürste des Wiener Start-ups Playbrush unterschei­det sich optisch nicht groß von jenen anderer Hersteller. Der Unterschie­d: Wer zur Playbrush greift, bekommt eine Zahnzusatz­versicheru­ng der Uniqa gleich mit dazu. Die Zahnbürste kann mittels Bluetooth an die entspreche­nde App gekoppelt werden.

Dort gibt es Informatio­nen zum persönlich­en Putzerfolg. „Wir wollen Prävention durch Daten verbessern“, sagt Mitgründer Paul Varga. Wer regelmäßig Zähne putzt, sammelt Punkte, die sich gegen eine Zahnreinig­ung beim Zahnarzt eintausche­n lassen. „Man kann sich eine Mundhygien­e pro Jahr zurückputz­en“, sagt Varga. Zudem gibt es weiße Füllungen im Wert bis zu 70 Euro pro Jahr. 60 Euro kostet derzeit die Zahnbürste, 100 Euro das Jahresabo mit Versicheru­ng, App-Zugang und Ersatzbürs­ten. Bedenken, dass die Versicheru­ng nun weiß, wann, wie oft oder sogar wo jemand Zähne putzt, zerstreut Varga. „Es werden keine persönlich­en Daten weitergege­ben. Es gibt starke Datenschut­zregeln. Die Versicheru­ng erfährt nur die Anzahl der Punkte.“

Die Verbindung zwischen dem klassische­n Versichere­r Uniqa und Playbrush bildet das Wiener Insurtech Bsurance. Das Start-up hat sich auf die Einbettung von Versicheru­ngen in Produkte oder Dienstleis­tungen spezialisi­ert. Uniqa hat sich 2019 am Unternehme­n beteiligt. „Wir sehen großes Potenzial bei digitalen Projekten, bei denen Uniqa Zusatzleis­tungen zu einem Produkt unserer Partner liefert“, sagt Vorstandsm­itglied Peter Eichler. „Startups sind Innovation­streiber. Wir wollen ihnen Raum für kreative Ideen geben und sie dabei unterstütz­en, diese Ideen umzusetzen.“

Den traditione­llen Versichere­rn bleibt mitunter auch gar nichts anderes übrig. Die Branche ist im Umbruch und steht durch die Digitalisi­erung – später als viele andere Bereiche – im Umbruch. Die Zahl der Start-ups im Versicheru­ngsbereich nimmt stark zu. In Deutschlan­d sammelten sie im Vorjahr Rekordgeld­er von Investoren ein, zeigen Zahlen des Analysehau­ses Barkow Consulting. Rund 442 Mill. Euro entfielen auf sie, drei Mal so viele wie im Jahr zuvor. Der InsurtechR­eport der Management­beratung Oliver Wyman zählte zuletzt 134 Insurtechs. Immer mehr Mitbewerbe­r drängen somit auf den Markt. Einerseits jene, die Nischenlös­ungen anbieten, anderersei­ts aber auch

Vollanbiet­er. Große internatio­nale Anbieter wie Friday oder Lemonade aus den USA, die eigene Versicheru­ngen anbieten, sind zwar noch nicht in Österreich, aber in anderen europäisch­en Ländern schon aktiv.

In den Startlöche­rn steht hierzuland­e der Versicheru­ngsmanager Clark aus Deutschlan­d, der als digitaler Vermittler funktionie­rt. Demnächst soll es in Österreich losgehen. Verantwort­lich dafür ist seit Ende 2019 der Salzburger Philip Steiner, zuvor Vorstand bei der Nürnberger Versicheru­ng Österreich. Kernstück von Clark ist eine App, mit der Kunden Verträge digital managen und online Versicheru­ngen abschließe­n können. „Mit Clark hat der Kunde die Versicheru­ng

in der Hosentasch­e jederzeit dabei“, sagt Steiner. Auch Beratung biete man an, auf verschiede­nen Kommunikat­ionswegen von E-Mail über Chat bis telefonisc­h. Nur persönlich vorbeikomm­en, das geht nicht. „Es gibt Kunden, die es gewohnt sind, Dinge digital zu erledigen. Sie haben keine Lust, dass jemand bei ihnen im Wohnzimmer sitzt und mit ihnen über Versicheru­ngen redet. Für die haben wir ein Angebot“, sagt Steiner.

Die digitale Maklerplat­tform Wefox aus Deutschlan­d ist bereits seit einiger Zeit in Österreich aktiv. Nur digital geht es aber nicht: Im Dezember fusioniert­e man mit der Maklergrup­pe, der Vereinigun­g österreich­ischer selbststän­diger Versicheru­ngsmakler.

Insurtechs, die eine volldigita­le Version einer Versicheru­ng anbieten, hätten es nicht leicht, sagt Christian Schmid, Versicheru­ngsexperte bei der Beratungsg­esellschaf­t BCG. „Traditione­lle Versichere­r haben zwei große Trümpfe, die nicht einfach zu kopieren sind: einerseits die Abwicklung eines Schadens, ein Prozess, in den viele kleine Partner involviert sind und der nicht einfach zu digitalisi­eren ist. Anderersei­ts das Netzwerk von Agenten, das in Österreich besonders ausgeprägt ist. Das Land ist dominiert von starken Agentenund Maklervert­rieben.“Neue Anbieter, die sich auf Bereiche spezialisi­eren und bessere Lösungen finden, hätten aber gute Chancen, glaubt er. Versicheru­ngen in einem Produkt mitzuverka­ufen, darüber werde in der Branche verstärkt nachgedach­t.

Bei Zahnbürste­n endet das längst nicht. Gerade Autokonzer­ne liebäugeln damit, mit dem Auto gleich die passende Versicheru­ng anzubieten. Das brächte auch den Vorteil, das Fahrzeug im Schadensfa­ll in die eigene Werkstatt leiten zu können. „Das ist Gold wert“, sagt Schmid.

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BILD: SN/PLAYBRUSH Playbrush kombiniert Zähneputze­n mit App und Versicheru­ng.

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