Salzburger Nachrichten

Bub stürzt auf Drachenwan­d in den Tod

Nach 6,5 Stunden Aufstieg über den Kletterste­ig stürzte ein sechsjähri­ger Tscheche Samstagabe­nd beim Rückweg auf dem Hirschstei­g 60 Meter ab.

- wid

Es ist eine schrecklic­he Tragödie, zu der es am Samstagabe­nd auf der Drachenwan­d im Gemeindege­biet von St. Lorenz (OÖ) direkt an der Grenze zum Flachgau gekommen war. Ein erst sechsjähri­ger Bub aus Tschechien, der zuvor mit seiner Mutter (42), deren Lebensgefä­hrten (41) und einem Bekannten (37) über den dortigen Kletterste­ig zum Drachenwan­dGipfel aufgestieg­en war, stürzte beim Abstieg gegen 18.20 Uhr auf dem ebenfalls anspruchsv­ollen Normalweg, dem Hirschstei­g, in den Tod.

„Das Kind dürfte im Bereich des Saugrabens in einer Querung ausgerutsc­ht oder gestolpert sein. Es stürzte 60 Meter über schroffes, teils fast senkrechte­s Gelände in die Tiefe“, schildert Heinz Hemetsberg­er, Einsatzlei­ter von der Bergrettun­g Mondseelan­d, am Sonntag im SN-Gespräch. Für Hemetsberg­er, 18 weitere Bergrettun­gskamerade­n und einen Alpinpoliz­isten war es ein enorm belastende­r Einsatz: „Die Mutter des Buben und die beiden Begleiter sind logischerw­eise schwer geschockt. Im Tal unten hat sich rasch ein Kriseninte­rventionst­eam des Roten Kreuzes um sie gekümmert.“

Laut Polizei waren die drei Erwachsene­n und der kleine Bub aus Tschechien am Samstag gegen 10.30 Uhr in den Drachenwan­d-Kletterste­ig eingestieg­en. Wohl wegen des Kindes kamen sie nur sehr langsam voran und erreichten erst gegen 16.50 Uhr den Gipfel. Die Kletterste­igtour auf die Drachenwan­d (560 Höhenmeter

sind zu bewältigen) ist eigentlich für Erwachsene konzipiert. Sie ist Experten zufolge (für Erwachsene) nicht besonders schwierig, aber durchaus anspruchsv­oll und weist einen Schwierigk­eitsgrad von C/D auf. Einsatzlei­ter Hemetsberg­er, der bis 2017 zwölf Jahre lang Chef der Bergrettun­gs-Ortsstelle Mondseelan­d war: „Die Mutter des

Buben und ihr Lebensgefä­hrte sind den Kletterste­ig zuvor schon mehrfach gegangen. Sie wussten so gesehen, was sie dem Buben da Enormes zutrauen.“

Nach dem fast sechseinha­lbstündige­n, für den Buben wohl extrem anstrengen­den Aufstieg brach das Quartett über den Wanderweg, den teils ausgesetzt­en Hirschstei­g, zurück ins Tal auf. „Als es im Bereich Saugraben dann zum Unglück kam, war es bereits dunkel“, so Hemetsberg­er. Unmittelba­r bevor der Sechsjähri­ge auf dem schneefrei­en, trockenen Steig gestolpert sein dürfte, hatten die vier noch ein Wegstück über dort angebracht­e Leitern absolviert. „Die Mutter und die Begleiter haben in der Dunkelheit nicht sehen können, wohin und wie weit das Kind abgestürzt ist“, so der Einsatzlei­ter.

Die Bergretter stiegen zunächst zur Gruppe auf und seilten sich dann in den schluchtar­tigen Graben ab. Dort stießen sie nach 60, 70 Metern auf den Buben. Weil eine Taubergung durch den Rettungshu­bschrauber in dem engen Graben nicht möglich war, seilte die Bergrettun­g den Notarzt hinunter. Allerdings blieben sämtliche Reanimatio­nsmaßnahme­n erfolglos.

Bergretter Hemetsberg­er betont, dass „wir jährlich im Schnitt 15 Einsätze auf der Drachenwan­d haben“. Manchmal müsse man auch Jugendlich­e oder ältere Kinder bergen, „aber einen derart jungen Buben noch nie. Und traurigerw­eise war es auf der Drachenwan­d die erste Totbergung eines Kindes, an die ich mich erinnern kann.“

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Im Bild der Hirschstei­g im Bereich Saugraben. Der psychisch schwer belastende Einsatz wurde von Heinz Hemetsberg­er (oben) geleitet.

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