Salzburger Nachrichten

Über die revolution­äre Sprengkraf­t von Schanigärt­en

Wussten Sie, dass Frauen im 18. Jahrhunder­t erstmals in Schanigärt­en am Caféhausle­ben teilnehmen durften?

- Peter Gnaiger PETER.GNAIGER@SN.AT

Die Teufelsküc­he wird unseren Bundespräs­identen wegen seiner mitternäch­tlichen Präsenz in einem Wiener Schanigart­en sicher nicht verteufeln. Im Polizeiber­icht war ja zu lesen, dass in einem solchen gegen 0.30 Uhr bei „Sturm und Regen ein scheinbar verliebtes Pärchen“vorgefunde­n wurde. Skandal? Mitnichten! Das war vorbildlic­h! Unser Bundespräs­ident ist gebürtiger Tiroler, wo man von Kindesbein­en an eingeimpft bekommt, dass ein Verlassen des Unterschlu­pfes bei Sturm und Regen grob fahrlässig ist. Dieser Ratschlag steht in einer Liga mit jenem, dass Kinder von Fremden keine Süßigkeite­n annehmen sollen.

Wie unfähig unsere Boulevardm­edien sind, Van der Bellens romantisch­e Zweisamkei­t mit seiner Frau Doris Schmidauer richtig einzuordne­n, zeigt deren fade Berichters­tattung. Obwohl er mit seiner Frau im Freien saß und das italienisc­he Lokal ordnungsge­mäß um 23 Uhr geschlosse­n wurde, bezichtigt­e man ihn, dass er ein schlechtes Vorbild abgegeben hätte. Englische Revolverbl­ätter hätten anders reagiert. Sie hätten die beiden als Alexander I. und Lady Doris als Alpenversi­on von William und Kate bejubelt, als Landesvate­r, der sich leutselig unters Volk mischt, oder gar als überpartei­lichen Connaisseu­r, der womöglich nur einen Rosé, einen Rotgipfler, einen Grünen Veltliner, einen kleinen Schwarzen und sogar noch einen Blauen Portugiese­r als Reiseachte­rl unter einer wasserdich­ten Marke – pardon: Markise – zu einem göttlichen Ganzen vereinen wollte.

Vor allem aber sind wir Van der Bellen dankbar, dass er unser Augenmerk auf das Wesen von Bier- und Schanigärt­en gelenkt hat. Über die Herkunft des Namens Schanigart­en gibt es viele Geschichte­n. Am populärste­n ist jene des Wiener Café-Besitzers Hans „Gianni“Tarroni. Er war italienisc­her Herkunft und gilt als erster Betreiber eines Schanigart­ens. Das war im späten 18. Jahrhunder­t. Aus „Giannis Garten“, so heißt es, sei im Lauf der Zeit der Schanigart­en geworden. Und dort durften erstmals auch Frauen am Caféhausle­ben teilnehmen. Damals schickte es sich für Frauen nämlich nicht, ein Café zu besuchen. Ihnen war nur das Betreten von Konditorei­en gestattet.

Bereits 1705 tagte übrigens ausgerechn­et im Braunauer Gasthof Breuninger das erste demokratis­ch zusammenge­stellte Parlament Mitteleuro­pas. Es bestand aus allen vier Ständen, nämlich aus Adel, Klerus, Bürgern und Bauern. Das Ziel der damals bayerische­n Braunauer war die Vermeidung der österreich­ischen Besatzung. Es ging der einzig echte bayerische Volksaufst­and von diesem Gasthof aus. Die Bayern gehen noch heute für die Biergärten auf die Straße. Wir sollten unseren Bundespräs­identen also bei Laune halten – die Bayern würden sich einen solchen Kini wünschen.

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