Über die revolutionäre Sprengkraft von Schanigärten
Wussten Sie, dass Frauen im 18. Jahrhundert erstmals in Schanigärten am Caféhausleben teilnehmen durften?
Die Teufelsküche wird unseren Bundespräsidenten wegen seiner mitternächtlichen Präsenz in einem Wiener Schanigarten sicher nicht verteufeln. Im Polizeibericht war ja zu lesen, dass in einem solchen gegen 0.30 Uhr bei „Sturm und Regen ein scheinbar verliebtes Pärchen“vorgefunden wurde. Skandal? Mitnichten! Das war vorbildlich! Unser Bundespräsident ist gebürtiger Tiroler, wo man von Kindesbeinen an eingeimpft bekommt, dass ein Verlassen des Unterschlupfes bei Sturm und Regen grob fahrlässig ist. Dieser Ratschlag steht in einer Liga mit jenem, dass Kinder von Fremden keine Süßigkeiten annehmen sollen.
Wie unfähig unsere Boulevardmedien sind, Van der Bellens romantische Zweisamkeit mit seiner Frau Doris Schmidauer richtig einzuordnen, zeigt deren fade Berichterstattung. Obwohl er mit seiner Frau im Freien saß und das italienische Lokal ordnungsgemäß um 23 Uhr geschlossen wurde, bezichtigte man ihn, dass er ein schlechtes Vorbild abgegeben hätte. Englische Revolverblätter hätten anders reagiert. Sie hätten die beiden als Alexander I. und Lady Doris als Alpenversion von William und Kate bejubelt, als Landesvater, der sich leutselig unters Volk mischt, oder gar als überparteilichen Connaisseur, der womöglich nur einen Rosé, einen Rotgipfler, einen Grünen Veltliner, einen kleinen Schwarzen und sogar noch einen Blauen Portugieser als Reiseachterl unter einer wasserdichten Marke – pardon: Markise – zu einem göttlichen Ganzen vereinen wollte.
Vor allem aber sind wir Van der Bellen dankbar, dass er unser Augenmerk auf das Wesen von Bier- und Schanigärten gelenkt hat. Über die Herkunft des Namens Schanigarten gibt es viele Geschichten. Am populärsten ist jene des Wiener Café-Besitzers Hans „Gianni“Tarroni. Er war italienischer Herkunft und gilt als erster Betreiber eines Schanigartens. Das war im späten 18. Jahrhundert. Aus „Giannis Garten“, so heißt es, sei im Lauf der Zeit der Schanigarten geworden. Und dort durften erstmals auch Frauen am Caféhausleben teilnehmen. Damals schickte es sich für Frauen nämlich nicht, ein Café zu besuchen. Ihnen war nur das Betreten von Konditoreien gestattet.
Bereits 1705 tagte übrigens ausgerechnet im Braunauer Gasthof Breuninger das erste demokratisch zusammengestellte Parlament Mitteleuropas. Es bestand aus allen vier Ständen, nämlich aus Adel, Klerus, Bürgern und Bauern. Das Ziel der damals bayerischen Braunauer war die Vermeidung der österreichischen Besatzung. Es ging der einzig echte bayerische Volksaufstand von diesem Gasthof aus. Die Bayern gehen noch heute für die Biergärten auf die Straße. Wir sollten unseren Bundespräsidenten also bei Laune halten – die Bayern würden sich einen solchen Kini wünschen.