Urteil: VW muss Schadenersatz zahlen
Die erste höchstrichterliche Entscheidung im Dieselskandal stärkt getäuschten Autokäufern den Rücken, auch in Österreich.
WIEN. Fast fünf Jahre nach Auffliegen des VW-Dieselskandals hat der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt, dass der Autokonzern Schadenersatz für manipulierte Fahrzeuge zahlen muss. „Das Verhalten der Beklagten ist als sittenwidrig zu bezeichnen“, begründete der Vorsitzende Richter Stephan Seiters das Urteil. Volkswagen habe „im eigenen Kosten- und Gewinninteresse durch bewusste Täuschung“des Kraftfahrt-Bundesamts gehandelt. Klagende Kunden können nun ihr Auto zurückgeben und den Kaufpreis einfordern – abzüglich gefahrener Kilometer. Allerdings gibt es einen Korrekturfaktor für die Zeit zwischen Klage und Urteil.
Unmittelbar wirkt sich das Urteil auf die 60.000 bis 70.000 Klagen aus, die bei deutschen Gerichten anhängig sind. Die werden sich nun grundsätzlich am Spruch der obersten deutschen Zivilrichter orientieren. Verbraucherschützer sehen das Urteil aber als wichtiges Signal für Europa und Österreich, wo ebenfalls Tausende Dieselkunden auf Schadenersatz hoffen.
„Das ist ein guter Tag für alle, die seit Jahren darum kämpfen, dass VW für den Dieselbetrug haften muss“, sagt Lydia Ninz vom Verbraucherschutzverein (VSV), der für 500 VW-Käufer Schadenersatzverfahren betreibt. Jetzt sei der Weg für Klagen in Deutschland mit hohen Aussichten auf Erfolg frei.
Bisher warten Kläger aus anderen europäischen Ländern vergeblich auf Entschädigung. Auch im Verfahren um die Musterfeststellungsklage in Deutschland hat sich VW nur mit rund 235.000 deutschen Kunden verglichen, die zwischen Anfang 2010 und Herbst 2015 einen VW, Audi, Seat oder Škoda mit dem manipulierten Dieselmotor gekauft hatten. Im Durchschnitt gab es für sie 3000 Euro. Rund 140.000, die sich der Klage der deutschen Verbraucherzentrale angeschlossen hatten – darunter mehr als 100 Fälle aus Österreich und Südtirol –, bekamen kein Angebot von VW, weitere 25.000 lehnten es ab. Sie alle hätten nun aufrechte Ansprüche, sagt Ninz. Das zeige, dass „nur die, die sich wehren“, eine Chance auf Schadenersatz hätten. Volkswagen kündigte nach der Urteilsverkündung an, man werde vielen Kunden Einmalzahlungen als „pragmatische und einfache Lösung“anbieten. Das würde es Klägern ersparen, ihren Prozess zu Ende zu führen.
Abgeschlossen ist der Dieselskandal damit noch nicht. Es gibt weitere Klagen, etwa von VW-Kunden, die nach dem Auffliegen des Skandals noch gekauft hatten. Auch der Europäische Gerichtshof befasst sich mit der Causa. So etwa mit der Frage, ob VW auch vor österreichischen Gerichten auf Schadenersatz geklagt werden kann, wie das der Verein für Konsumenteninformation (VKI) für rund 10.000 VW-Kunden gemacht hat. VKIChefjurist Thomas Hirmke erwartet eine Entscheidung bis Spätsommer. Weiters beschäftigt die Richter in Luxemburg eine Klage aus Frankreich, in der es um die Software-Updates geht. Damit hatte Volkswagen das Problem zu hoher Abgaswerte zunächst für behoben erklärt.