Viren, Fledermäuse und Menschen
Seit Beginn der Coronapandemie fürchten sich Menschen offenbar häufiger vor Fledermäusen. Mehr zum Fürchten wäre eine Welt ohne sie.
Ein Leserbrief vom 16. Mai brachte die neue Fledermaus-Verunsicherung zum Ausdruck. Eine Salzburgerin schrieb wegen der Fledermäuse in der alten Volksgartensauna, es sei ihr völlig unverständlich, warum diese Tiere unter Naturschutz stünden – speziell vor dem Hintergrund, dass SARS-CoV-2 seinen Ursprung wohl bei den Fledermäusen habe. Muss man sich also fürchten, wenn einem in der Abenddämmerung ein Exemplar um die Ohren fliegt?
Die Fledermaus ist virologisch so gut untersucht wie kaum ein anderes Wildtier. Überall auf der Welt haben Forscher in den vergangenen Jahrzehnten Virusproben von verschiedenen Arten genommen. Das aktuelle beruhigende Ergebnis: Europäische Fledermäuse haben mit SARS-CoV-2 nichts zu tun. Deswegen sind sie nicht virenfrei, doch gefundene Erreger sind für den Menschen ungefährlich.
In Österreich gibt es 28 unterschiedliche Fledermausarten. Ein fröhlicher Zeitgenosse hat sich je nach Aussehen Namen für sie ausgedacht. Heimische Fledermäuse heißen „Hufeisennase“, „Mausohr“, „graues Langohr“, „Mopsfledermaus“oder „Alpenlangohr“. Bemerkenswert auch: Fledermäuse sind die einzigen Säugetiere, die fliegen können. Diese Gabe steht im Verdacht, der Grund für das herausragende Fledermaus-Immunsystem zu sein. Wenn die Tiere nicht gerade irgendwo abhängen, schwingen sie sich in die Lüfte und bringen ihren Stoffwechsel damit auf Hochtouren. Im Flug steigert eine Fledermaus ihre Körpertemperatur von 37 auf 41 Grad – ein Wert wie starkes Fieber. Womöglich hält sie mit diesem regelmäßigen Aufheizen des eigenen Körpers sämtliche Viren in Schach und wird selbst nicht krank. Für die Viren bedeutet das, immer neue Strategien zu entwickeln, um gegen das bislang kaum erforschte Superimmunsystem der Fledermäuse ankämpfen zu können. Die Fledermaus ist gewissermaßen ein Fitnessstudio für Viren. Auch bei massivem Befall stirbt sie nicht, beherbergt aber jede Menge Viren und wird so zu einem natürlichen Reservoir.
Fledermäuse bei uns sind für sich genommen ungefährlich, es ist keine einzige Krankheitsübertragung bekannt. Und Viren gibt es sowieso überall. Von den Schimpansen kam HIV – an AIDS sind bis heute 32 Millionen Menschen gestorben. Puten in den
USA waren Auslöser für die Spanische Grippe mit 50 Millionen Toten. Wo viele Lebewesen besonders dicht beisammen sind, können sich Krankheiten rasant ausbreiten. Das gilt für überfüllte Schweineställe wie für vollgestopfte U-Bahnen. Der Platz wird allgemein enger: Über die Hälfte der neuen Infektionskrankheiten des Menschen stammen von Tieren.
Zurück zur Volksgartensauna und zum Leserbrief: Unsere Fledermäuse sind bedroht und stehen deshalb unter Schutz. Wir brauchen die Vielfalt der Arten, das sichert Stabilität. Viren sind bei den Fledermäusen gut aufgehoben. Solange wir Menschen ihnen nicht zu nahe kommen und ihnen ihren Lebensraum lassen, gibt es für potenzielle Krankheitserreger wenig Anlass, sich neue Wirte zu suchen. Keine Störung – das ist also der beste Schutz für uns und die Tiere. Und so ist Fledermausschutz irgendwie auch Menschenschutz.
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