„Das schafft man nicht nur mit Dächern“
Milliardeninvestitionen in Ökostrom könnten die Wirtschaft nach Corona wiederbeleben, sagt die E-Wirtschaft und erwartet Widerstand.
Die Coronakrise wird bei der Salzburg AG, wie bei der Energiebranche insgesamt, Spuren in der Bilanz hinterlassen. Es gibt auch positive Lehren, die der Präsident von Oesterreichs Energie und Vorstandssprecher der Salzburg AG, Leonhard Schitter, aus der Krise mitnimmt. So wird Homeoffice forciert, nachdem 700 Mitarbeiter problemlos von zu Hause gearbeitet haben und die Mehrheit weitermachen will, jedenfalls zwei Mal pro Woche. Auch viele Besprechungen sollen nur noch per Videokonferenz abgehalten werden, um Zeit und Kosten zu sparen. Generell wollen die Energieversorger massiv in sauberen Strom investieren, vor allem in Photovoltaik (PV).
Die Energiebranche ist von Corona betroffen, aber weniger als andere.
Wie schlimm wird es am Ende?
Schitter: Die Energiewirtschaft hat gezeigt, dass sie in der Krise der Stabilisator ist. Wir haben Österreich mit unseren Netzen am Laufen gehalten – von Strom über Wärme bis zum Internet –, weil wir dauerhaft in kritische Infrastruktur investieren und vorbereitet waren. In Ostösterreich gab es Verbrauchsrückgänge bei Strom von zehn Prozent, in Salzburg von 20 Prozent und bis zu 30 Prozent im Westen, wo Seilbahnen und Tourismus als Erste aufgehört haben. Im Durchschnitt rechnen unsere Unternehmen heuer mit neun Prozent Umsatzminus.
Und in der Salzburg AG?
Auch bei uns ist der Stromverbrauch gesunken. Im Tourismusbereich stehen wir zum Teil bei null und werden das auch nicht mehr aufholen, weil der Sommer massiv beeinträchtigt bleibt. Der Wasserverbrauch ist um zehn Prozent geringer, weil die Beherbergungsbetriebe zu sind, und im öffentlichen Nahverkehr gab es Einbußen von bis zu 80 Prozent. Umgekehrt hatten wir bei Telekom, Breitband, Internet und Fernsehen Zuwächse von bis zu 90 Prozent. Es zeigt sich, dass wir mit unserem Ausbauplan von einer Viertelmilliarde für Breitband und 5G bis 2027 auf dem richtigen Weg sind. Allein heuer investierten wir 32 Millionen Euro.
Ihre Branche hat sich freiwillig verpflichtet, Haushalten den Strom nicht abzudrehen, auch wenn nicht bezahlt wird. Wie viele Stundungen gibt es bisher?
Wir haben zunächst für März und April ein Moratorium zugesagt, mittlerweile haben wir bis Ende Juni verlängert. Wir sind uns als Branche unserer Verantwortung bewusst, aber die Politik kann nicht alles verlangen. Wir haben Kosten durch Homeoffice oder Hygienemaßnahmen, die es kleineren Unternehmen in der Branche schwer machen, die Krise durchzustehen. Wir hatten fünf bis sechs Prozent Anfragen für Stundungen, die aber nicht alle mit coronabedingten Zahlungsproblemen zu tun hatten. Es werden also weniger sein, mit denen wir zinsfreie Stundungen und Ratenpläne ausmachen.
Die Strompreise sind im April laut den Inflationszahlen von Statistik Austria um sieben Prozent gestiegen, wie erklären Sie das?
Die Großhandelspreise sind in den letzten zwei Jahren massiv gestiegen, unter anderem weil CO2-Zertifikate teurer wurden. Seit Krisenbeginn gab es leichte Rückgänge. Stromversorger müssen sich aber für ihre Kunden aus Sicherheitsgründen mit längerfristigen Verträgen eindecken, die höheren Preise sind jetzt spürbar. Wobei ich davon ausgehe, dass die Preise weiter anziehen werden. Österreich hat sich bis 2030 massive Investitionen in erneuerbare Energie vorgenommen, das wird die Strompreise nach oben gehen lassen oder jedenfalls nicht runter.
Laut einer aktuellen Branchenumfrage halten 48 Prozent der Unternehmen trotz Coronakrise an ihren Investitionsprogrammen fest. 42 Prozent wollen ihre Pläne aber überdenken. Wird jetzt gespart?
Ich sehe als Vorstand der Salzburg
AG und als Präsident von Oesterreichs Energie, dass wir uns jetzt als Motor für die Wirtschaft nach der Coronakrise positionieren müssen. Dazu muss so rasch wie möglich das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz kommen, damit wir den rechtlichen Rahmen dafür haben.
Werden Sie bei den Investitionen ebenfalls bremsen? Zuletzt wurden 166 Mill. Euro angekündigt, bleibt es dabei?
In der Salzburg AG haben wir krisenbedingt geprüft, welche Vorhaben nicht unbedingt wachstumsoder erlösrelevant sind, und einige Projekte auf Hold gesetzt. Wir investieren dennoch rund 170 Mill. Euro, vor allem in Telekommunikation und Erneuerbare. Wir wollen Photovoltaik massiv forcieren. Unser strategisches Ziel ist es, innerhalb der nächsten sieben Jahre zu den Top 5 in Österreich bei Sonnenenergie zu gehören. Dazu wollen wir etwa 500 Megawatt installierte Leistung in Salzburg, aber auch in Österreich ausbauen und bis zu 400 Mill. Euro bis 2027 investieren. Derzeit werden 40 bis 50 Prozent des Solarstroms von Privaten erzeugt. Wir wollen in diesen Markt.
Zum PV-Ausbau gibt es ebenfalls eine neue Studie.
Die kommt zum Schluss, dass nur etwas mehr als ein Drittel auf Dächern möglich ist. Der
Rest soll auf Freiflächen passieren – von Deponien über Felder bis zu schwimmenden Paneelen. Sie fordern einen „Nationalen PV-Masterplan“. Geht das?
Zunächst muss man den Blick schärfen: PV muss mit elf Terawattstunden bis 2030 den größten Anteil zur Erreichung des „100% Ökostrom“-Ziels in Österreich leisten. Das schafft man schlichtweg nicht allein mit Dächern.
Rein rechnerisch müsste alle drei Minuten eine PV-Anlage errichtet werden. Es ist nicht sinnvoll, etwas verharmlosend und romantisierend nur von Sonne auf Dächern zu reden. Da muss man massiv investieren, und daher sage ich klar, wir brauchen auch Freiflächen. Mir ist bewusst, dass wir nur Flächen verwenden können, die unproduktiv sind wie landwirtschaftliche Brachflächen, Flächen in Industriegebieten, Parkflächen oder Autobahnböschungen. Dazu braucht es ein politisches Commitment, es müssen Gesetze geändert werden. In einigen Ländern sind Freiflächenanlagen, die größer als 200 Quadratmeter sind, nur mit Sonderwidmung möglich, auch in Salzburg.
Was haben Sie konkret in Salzburg vor?
Ziel sind 200 Megawatt installierte Leistung. Einerseits wollen wir Anlagen selbst errichten, auf Dächern und Freiflächen. Es ist aber auch ganz wichtig, die Kunden einzubinden. Wir bieten daher neue Produkte wie Ratenkauf, bei dem ein Kunde eine PV-Anlage auf zwölf Jahre abzahlt, unser Sonnenabo, eine Art Energiekonto, oder unser Sonnenkraftwerk, wo ein Partner sein Dach zur Verfügung stellt und dafür einen Teil der Energie bekommt, während wir den Rest vermarkten.
Ab wann wird es das geben?
Wir haben schon damit begonnen, sind aber gerade dabei, diese Produkte noch weiterzuentwickeln und stärker auf die Kundenbedürfnisse einzugehen. Unsere Kunden sind ganz zentrale Partner bei diesen Plänen bis hin zu Beteiligungsmodellen. Das ist etwas, das ich jetzt anstoßen will.
Rechnen Sie beim PV-Ausbau mit Widerstand?
Durch Corona verschwindet die Klimakrise nicht. Wir müssen daran arbeiten, 100 Prozent Erneuerbare bis 2030 zu schaffen, auch wenn es extrem schwierig ist. Nach unserer Branchenumfrage glauben fast 60 Prozent der Unternehmen, dass das Ziel nicht mehr erreichbar ist, und nur 34 Prozent, dass es noch geht. Jeder Tag, der uns da verloren geht, fehlt. Daher dränge ich auch so auf das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz und einen Klimapakt. Denn für eine Energiewende braucht es auch eine Wärmewende und eine Mobilitätswende. Da müssen Politik, Energiewirtschaft und Bürger zusammenarbeiten. Natürlich wird es Konflikte geben, aber was uns einen muss, ist das Ziel, die Klimaziele zu erreichen. Sonst wird es dramatisch.
Um wie viel Geld geht es?
Österreichs Energieunternehmen stehen bereit. Wir rechnen mit Investitionen von 25 Mrd. Euro in Erzeugung und etwa noch einmal so viel in Speicher und Netzausbau. Da lassen sich Klimaschutz und Wirtschaftsankurbelung ideal verbinden. Wenn die Energiewirtschaft drei Euro investiert, kommen fünf zurück. Das hat also nicht nur einen klimapolitischen, sondern auch einen volkswirtschaftlichen Vorteil.