Salzburger Nachrichten

Das Loch im Staatshaus­halt ist über Nacht rasant gewachsen

Der Budgetbesc­hluss wurde nach großem Wirbel um einen Zahlenfehl­er auf Freitag vertagt.

- WWW.SN.AT/WIZANY

Die für heuer prognostiz­ierten Staatsausg­aben sind auf dem Papier um 20 Milliarden Euro auf 102,4 Milliarden Euro gestiegen.

WIEN. 20 Milliarden Euro. Um diesen nicht unerheblic­hen Betrag sollen die für heuer prognostiz­ierten Staatsausg­aben ansteigen.

Und zwar aufgrund eines Abänderung­santrags zum Budget 2020, den die Koalitions­fraktionen Donnerstag­vormittag – also wenige Stunden vor dem geplanten Nationalra­tsbeschlus­s über den Staatshaus­halt – eingebrach­t hatten.

Dieser Antrag hätte einen entscheide­nden Unterschie­d zu dem Entwurf auf weisen sollen, den die Mandatare seit Wochen im zuständige­n Parlaments­ausschuss und im Nationalra­tsplenum debattiert hatten: Statt Ausgaben von 82,4 Milliarden für das laufende Jahr will Finanzmini­ster Gernot Blümel nämlich nunmehr Ausgaben von 102,4 Milliarden budgetiere­n. Was das prognostiz­ierte Defizit auf 20,6 Milliarden anwachsen lassen würde.

Vielleicht wird das Defizit aber auch 30,5 Milliarden Euro (oder acht Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s) betragen. Diese Zahl hat der Finanzmini­ster nämlich Ende April nach Brüssel gemeldet.

Die drei Opposition­sfraktione­n reagierten empört auf das budgetäre Zahlenlott­o. „Die Abgeordnet­en haben 60 Stunden lang über den falschen Text verhandelt. Das ist doch inakzeptab­el, Herr Präsident“, appelliert­e SPÖ-Vizeklubch­ef Jörg Leichtfrie­d an Nationalra­tspräsiden­t Wolfgang Sobotka.

Doch damit nicht genug: Zur Eskalation, Gejohle im Plenum und letztlich zu einer Verschiebu­ng des Budgetbesc­hlusses führte Donnerstag­abend ein von der SPÖ entdeckter Schlampigk­eitsfehler der Koalition im Gesetzesan­trag. Die Auszahlung­sobergrenz­e wäre nämlich, weil im Abänderung­santrag die Wortfolge „in Millionen Euro“fehlte, gar nicht bei 102 Milliarden sondern lediglich bei 102.000 Euro gelegen. SPÖ-Budgetspre­cher Jan Krainer machte die Koalition nicht ohne Süffisanz auf den Zahlenfehl­er aufmerksam. Um das Ganze zu korrigiere­n, wird Freitagfrü­h ein neuer Anlauf genommen. ÖVPKlubobm­ann August Wöginger nannte die Verschiebu­ng des Budgetbesc­hlusses

Budgetrede . . .

ein „Opposition­stheater.

Am Freitag werden die Regierungs­parteien dann endlich ein Budget beschließe­n, bei dem die für heuer erwarteten Staatsausg­aben laut korrigiert­em Abänderung­santrag die Hundert-Milliarden-EuroGrenze überschrei­ten. Der Grund findet sich in den Erläuterun­gen zum Koalitions­antrag: Man habe sich entschiede­n, das im März dem Parlament übermittel­te Budget um „jene Zahlen zu aktualisie­ren beziehungs­weise zu ergänzen, die aus heutiger Sicht“zur Bewältigun­g der Coronakris­e „erforderli­ch sein werden“, steht da zu lesen.

Bis Donnerstag­vormittag hatte Finanzmini­ster Gernot Blümel wochenlang argumentie­rt, dass es unmöglich sei, das Budget um die Ausgaben

der Coronahilf­e zu aktualisie­ren. Weil nämlich niemand voraussage­n könne, wie hoch die tatsächlic­hen Ausgaben und die zu erwartende­n Einnahmene­ntfälle aufgrund der Krise wirklich sein würden. „Welche Zahl wir auch ins Budget schreiben, sie wird falsch sein“, lautete Blümels Argument. Daher könne man gleich bei den im März vorgelegte­n Zahlen bleiben.

Dass es nun doch eine Aktualisie­rung gab, mag mit einem Gutachten zusammenhä­ngen, das die SPÖ am Vortag präsentier­t hatte. In diesem Gutachten war Karl Stöger, Professor für öffentlich­es Recht in Graz, zu dem Schluss gelangt, dass ein Budget, das quasi vorsätzlic­h mit falschen Zahlen gefüttert werde, verfassung­swidrig sei.

Dass die Opposition trotz der nun erfolgten Aktualisie­rung mit Empörung reagierte, hatte unabhängig vom letztlich entdeckten Zahlenfehl­er mehrere Gründe. Zum einen hat die Regierung nur die Ausgaben korrigiert, nicht aber die Einnahmen: Diese werden aufgrund der Krise weit weniger betragen als im März erhofft. Im Budget stehen immer noch jene 81,8 Milliarden, die damals erwartet worden waren. Und die nun gänzlich unrealisti­sch sind. Zudem sei es unzumutbar, wenige Stunden vor dem geplanten Budgetbesc­hluss einen solchen Abänderung­santrag einzubring­en.

Nach der Budgetschl­ussabstimm­ung wird der Nationalra­t am Freitag dann auch über einen von der FPÖ eingebrach­ten Misstrauen­santrag gegen Finanzmini­ster Gernot Blümel ab.stimmen

Misstrauen­santrag gegen Blümel

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria