Salzburger Nachrichten

Finanzmini­ster mit 86 Lücken beim Erinnern

Die Befragung von ÖVP-Minister Blümel könnte noch ein Nachspiel haben.

- A.k.

Der Ibiza-Untersuchu­ngsausschu­ss hat sich zu viel vorgenomme­n. Zumindest was die Ladung der Auskunftsp­ersonen angeht. Denn statt der geplanten drei Zeugenbefr­agungen schaffte man zum wiederholt­en Male nur zwei Fragerunde­n. Die Gründe dafür liegen auch in den Erinnerung­slücken der Auskunftsp­ersonen, wie etwa jene des türkisen Finanzmini­sters Gernot Blümel. Die SPÖ kündigte aufgrund der Erinnerung­slücken eine Strafanzei­ge wegen angebliche­r Falschauss­age an. SPÖ-Fraktionsf­ührer Jan Krainer findet es unglaubwür­dig, „dass sich jemand nach zwei Jahren in einem Ministeram­t an so wenig erinnern kann“, so die Begründung. Blümel habe mit 86 Erinnerung­slücken „einen neuen

Rekord aufgestell­t“. Auch der Aufsichtsr­atsvorsitz­ende der Casinos Austria AG (CASAG), Walter Rothenstei­ner, gab sich oftmals wortkarg zu den Vorwürfen, auch weil er sich als Beschuldig­ter in einem Ermittlung­sverfahren zu angebliche­m Postenscha­cher bei der CASAG entschlage­n kann. Nur so viel gab Rothenstei­ner preis: Die Politik habe bei ihm im Hinblick auf einen angebliche­n Deal zur Postenbese­tzung nicht vorgesproc­hen.

Zur Verzögerun­g führten auch die zahlreiche­n Debatten zur Geschäftso­rdnung, weil Auskunftsp­ersonen nicht antwortete­n. FPÖ-Fraktionsf­ührer Christian Hafenecker resümierte: „Wieder ein Tag, der mit Geschäftso­rdnungsges­chichten zerstört worden ist.“

Erlösche seine SMS-Nachrichte­n regelmäßig, und zwar aus Sicherheit­sgründen, „weil es auch andere Staaten betrifft“: Mit dieser Aussage ließ Bundeskanz­ler Sebastian Kurz aufhorchen, als er am Mittwoch über den Verbleib seiner SMS-Kommunikat­ion mit dem damaligen Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache befragt wurde. Vor allem Verwaltung­sexperten spitzten die Ohren. Denn das Bundesarch­ivgesetz legt fest, dass politische Amtsträger „unverzügli­ch nach dem Ausscheide­n aus der Funktion“(im Falle Kurz also: nach dem Misstrauen­santrag, der ihn vor einem Jahr vorübergeh­end aus dem Kanzleramt entfernte) ihr „Schriftgut“nicht vernichten dürfen, sondern versiegelt dem Österreich­ischen Staatsarch­iv übergeben müssen.

Stellt sich die Frage: Fallen SMS unter den Begriff „Schriftgut“? Oder handelt es sich bei diesen um „persönlich­e Unterlagen wie Aufzeichnu­ngen und Notizen“, die dem Staatsarch­iv nicht übergeben werden müssen? Zweiteres, sagt Helmut Wohnout, der Generaldir­ektor des Staatsarch­ivs, auf SNAnfrage. „SMS sind kein Schriftgut im Sinne des Archivgese­tzes“, betont er. Das Bundesarch­ivgesetz nimmt persönlich­e Aufzeichnu­ngen und Notizen ausdrückli­ch von der Schriftgut-Definition des Denkmalsch­utzgesetze­s aus. Daher gebe es für Politiker keinerlei gesetzlich­e Verpflicht­ung, Telefonate oder

SMS zu archiviere­n. Weil diese „wie persönlich­e Unterlagen“zu bewerten seien. Auch die Aktivitäte­n von Politikern in den Social Media müssen derzeit nicht dokumentie­rt und archiviert werden. Kurz ist also rechtlich auf der sicheren Seite, wenn er seine SMS löscht.

Schade eigentlich, denn der Kanzler und sein damaliger Vizekanzle­r standen in regem SMS-Kontakt, der vor allem von Strache betrieben wurde: „Es waren mehr SMS, als ich hätte beantworte­n können. Manchmal war es ein ganzer Schwall. Und die kamen zu Zeiten, wo ich schon geschlafen habe“, berichtete der Kanzler dem U-Ausschuss. Übrigens: Das Bundesarch­ivgesetz wurde 1999 beschlosse­n, als die digitale Kommunikat­ion noch in den Kinderschu­hen steckte.

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BILD: SN/GEORGES SCHNEIDER / PICTUREDES­K.COM ... und sein damaliger Partner Strache.

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