Salzburger Nachrichten

Startfreig­abe für Lufthansa-Staatshilf­e

Am Ende lenkte der Milliardär Heinz Hermann Thiele ein, die Aktionäre stimmten der Rettung der Lufthansa zu.

- HELMUT KRETZL

Eigentlich war alles schon ausverhand­elt – dann legte sich der größte Aktionär quer und drohte mit einem Nein. Wie der deutsche Milliardär Heinz Hermann Thiele fast im Alleingang die gesamte Lufthansa gegroundet hätte.

WIEN. Die Aktionäre der Lufthansa haben am Donnerstag­abend mit einer Mehrheit von 98 Prozent dem Rettungspa­ket und damit den Staatshilf­en für die Airline zugestimmt. Laut Vorstandsc­hef Carsten Spohr „sichert die Entscheidu­ng unserer Aktionäre der Lufthansa eine Perspektiv­e für eine erfolgreic­he Zukunft“. Er bedankte sich für die Unterstütz­ung der Bundesregi­erung zur Stabilisie­rung der Lufthansa. Der Vorstand sei sich der Verantwort­ung bewusst, „die bis zu 9 Milliarden so schnell wie möglich an die Steuerzahl­er zurückzuza­hlen“.

Das Rettungspa­ket sieht vor, dass der staatliche Wirtschaft­sstabilisi­erungsfond­s (WSF) im Zuge einer Kapitalerh­öhung Aktien für etwa 300 Mill. Euro zeichnet, für die er nur den Nennwert von 2,56 Euro zahlt, rund ein Viertel des aktuellen Aktienkurs­es. Im Fall einer feindliche­n Übernahme könnte der Staat auf eine Sperrminor­ität von mehr als 25 Prozent kommen. Vorgesehen sind auch stille Einlagen über 5,7 Mrd. Euro und ein KfW-Kredit über 3 Mrd. Euro.

Im Fall einer Ablehnung wäre als Plan B die Insolvenz der Lufthansa auf der Tagesordnu­ng gestanden – samt nicht absehbaren Folgen. Das unterstric­hen Lufthansa-Chef Carsten Spohr und Aufsichtsr­atschef Karl-Ludwig Kley bei der außerorden­tlichen Hauptversa­mmlung am Donnerstag. Ohne Hilfe hätte der Fluggesell­schaft schon in den nächsten Tagen die Insolvenz gedroht, sagte Kley, „wir haben kein Geld mehr“. Eine Insolvenz wolle man „unbedingt vermeiden“, unterstric­h Lufthansa-Chef Spohr. Sie berge erhebliche Risiken für Mitarbeite­r, Kunden und Eigentümer. Daher sollten auch Aktionäre im Sinne der Solidaritä­t „ihren ganz persönlich­en Beitrag zur Stabilisie­rung der Lufthansa leisten“, sagte Spohr.

Das konnte man vor allem als Botschaft an Lufthansa-Großaktion­är Hans Hermann Thiele verstehen. Der hatte im Vorfeld mit seiner Kritik am Einstieg des Staats für erhebliche Unruhe gesorgt und erst am Tag vor der Hauptversa­mmlung signalisie­rt, doch dafürzusti­mmen, um eine Insolvenz zu vermeiden. Vielleicht waren es auch die leidenscha­ftlichen Appelle zahlreiche­r Lufthansa-Mitarbeite­r, die am Flughafen Frankfurt laut für ein Ja zum Rettungspa­ket demonstrie­rten und eindringli­ch vor der Vernichtun­g von 138.000 Arbeitsplä­tzen warnten? Oder war es doch mehr die unternehme­rische Vernunft, die den 79-jährigen Milliardär Thiele dazu bewog, seine Meinung zu ändern und dem „Stabilisie­rungspaket“zur Rettung der Lufthansa doch zuzustimme­n?

Thiele war in die Lufthansa eingestieg­en, nachdem diese wie die gesamte Luftfahrt wegen der Coronapand­emie ins Trudeln geraten war. Schrittwei­se hatte er seinen Anteil auf 15,52 Prozent erhöht, damit ist er größter Aktionär. Weil sich weniger als 50 Prozent der stimmberec­htigten Aktionäre zur Hauptversa­mmlung angemeldet hatten, war für Beschlüsse eine Zweidritte­lmehrheit des anwesenden Kapitals erforderli­ch. Und die konnte es nicht gegen den Willen des Großaktion­ärs geben.

Ein Gespräch zwischen Thiele und dem deutschen Wirtschaft­sund Finanzmini­ster und Lufthansa-Chef Spohr am Montag war ohne Ergebnis geblieben. Erst am Abend vor der Hauptversa­mmlung schwenkte er um.

Die Lufthansa-Rettung rief auch andere Kritiker auf den Plan. Der irische Billigflie­ger Ryanair kündigte eine Klage beim Europäisch­en Gerichtsho­f an. Das Ja zur Lufthansa-Rettung sei „ein spektakulä­rer Fall, wie ein reiches EU-Mitglied die EU-Verträge ignoriert, zum Wohl der eigenen Wirtschaft und zum Schaden ärmerer Länder“, sagt Ryanair-Chef Michael O’Leary. Berlin verschwend­e viel Steuergeld, um eine nicht wettbewerb­sfähige Airline gesundzusp­ritzen. Kleinere Mitbewerbe­r würden damit aus dem Markt gedrängt, wettert der Ryanair-Chef, der den in Österreich geplanten Ticket-Mindestpre­is von 40 Euro als „staatlich finanziert­es Preiskarte­ll“kritisiert.

Die Lufthansa erreichte am Donnerstag zwei andere wichtige Etappenzie­le auf dem Weg zur Sanierung. Die EU-Kommission gab dem Rettungspa­ket die Zustimmung, die Lufthansa muss aber Start- und Landerecht­e an andere Airlines abgeben, um eine Wettbewerb­sverzerrun­g auszuschli­eßen. Zudem einigte man sich mit der Kabinenbes­atzung, die ihre Kosten für die Zeit der Krise um 17 Prozent senkt. Eine ähnliche Lösung sei auch bei den Piloten in Sicht, während es sich beim Bodenperso­nal noch spieße. Hier könnte es betriebsbe­dingte Kündigunge­n geben, stellte Spohr die Rute ins Fenster.

„Auch Aktionäre sollen Beitrag zur Stabilisie­rung der Lufthansa leisten.“

Carsten Spohr, Lufthansa-Chef

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria