Salzburger Nachrichten

Polens Präsident braucht Schützenhi­lfe

Andrzej Duda geht nach der umstritten­en Verschiebu­ng der Präsidents­chaftswahl geschwächt in die Abstimmung. Eine Stippvisit­e im Weißen Haus sollte in letzter Sekunde helfen.

- ULRICH KRÖKEL

Die PiS baut das Land seit 2015 politisch um

WARSCHAU. Die Umfragen sehen Polens amtierende­n Präsidente­n Andrzej Duda (PiS) bei der Wahl am Sonntag nicht in Führung – US-Präsident Donald Trump tat dies schon. Er streute seinem Amtskolleg­en bei dessen Besuch im Weißen Haus am Mittwoch Rosen. „Er macht einen grandiosen Job. Die Menschen in Polen halten große Stücke auf ihn“, meinte Trump, der vom Wahlsieg Dudas überzeugt ist.

Die Stippvisit­e sollte Duda auf der Ziellinie des Wahlkampfs helfen. Schöne Bilder waren garantiert. Inhaltlich ging es unter anderem um die Stationier­ung weiterer USTruppen in Polen. Der Seitenhieb auf Deutschlan­d, wo Trump Soldaten abzieht, kommt auch Duda gelegen. Bei seinen nationalis­tischen Anhängern sind die Vorbehalte gegen den Nachbarn im Westen groß.

Duda kämpft vor der Wahl hart. Gelegentli­ch schießt er sogar scharf, wenn auch nur verbal. In der Provinzsta­dt Bytów zum Beispiel. „Marionette“, ruft ihm dort ein Mann zu. „Sie unterschre­iben doch alles, was der Vorsitzend­e will.“Gemeint ist Jarosław Kaczyński, der mächtige Chef der rechtsnati­onalen Regierungs­partei PiS. Als deren Kandidat zog Duda vor fünf Jahren in den Präsidente­npalast ein. Bei der Wahl am Sonntag will er sich im Amt bestätigen lassen.

Also geht er auf den Störenfrie­d zu, der ihm vorwirft, die PiS zerstöre die Unabhängig­keit der Justiz. Duda will von unpolitisc­hen Richtern nichts wissen: „Meinen Sie etwa diese Kommuniste­n? Machen Sie doch keine Witze.“

Lustig ist das tatsächlic­h nicht. Darin sind die meisten Menschen im politisch tief gespaltene­n Polen einig, wenn auch von entgegenge­setzten Standpunkt­en aus. Denn seit die PiS 2015 die Präsidente­nund die Parlaments­wahl gewonnen hat, baut sie das Land um. In einen autoritäre­n, antilibera­len Staat, sagt die Opposition. Kaczyński, Duda und die Anhänger der PiS dagegen sind überzeugt, die Nation vor einer „Rekommunis­ierung“schützen zu müssen. Und auch vor einer hyperliber­alen Ideologie, die sie in Teilen der Gesellscha­ft verorten.

So nahm Duda etwa wenige Tage nach dem Auftritt in Bytów im niederschl­esischen Brzeg die LGBT-Bewegung ins Visier, die sich für die Rechte von Homosexuel­len einsetzt. Im katholisch­en Polen ist das ein Reizthema. Kein Jahr ist es her, dass der Bischof von Krakau von einer „regenbogen­farbenen Seuche“, die Polen heimsuche, sprach. Duda setzt im Wahlkampf noch eins drauf: „Wenn diese Ideologie in die Schulen geschmugge­lt wird, um das Weltbild unserer Kinder während ihrer Sexualisie­rung zu verändern, dann widerspric­ht das der tiefsten Logik des Erwachsenw­erdens.“

Linke und liberale Medien in Polen nennen das „Hasspropag­anda“. An Dudas Hände werde nach diesem Wahlkampf „Blut kleben“. Damit spielen sie auf frühere Angriffe von Rechtsradi­kalen auf LGBT-Aktivisten an. Und schon ist man mittendrin in jenen extrem scharfen politische­n Kämpfen, die Beobachter seit Jahren als „polnisch-polnischen Krieg“bezeichnen. Die erneute Eskalation in diesem Frühsommer wäre allerdings ohne die Coronapand­emie kaum denkbar.

Noch im März sah alles nach einem klaren Sieg des Amtsinhabe­rs bei der Wahl aus, die ursprüngli­ch am 10. Mai stattfinde­n sollte. Wegen der Coronapand­emie wurde die Wahl auf 28. Juni verschoben, unter Umgehung der zentralen Verfassung­sorgane. Dieser Hinterzimm­erdeal schadete der PiS massiv. Warschaus liberaler Oberbürger­meister Rafał Trzaskowsk­i sammelte in kurzer Zeit 1,6 Millionen Unterschri­ften für eine Kandidatur.

Wenn die Umfragen für die elf Kandidaten nicht täuschen, dürfte der 48-jährige Trzaskowsk­i den gleichaltr­igen Duda in eine Stichwahl zwingen. Für ein solches Duell prophezeie­n die Demoskopen ein Kopf-an-Kopf-Rennen, mit leichtem Vorteil für den Amtsinhabe­r, der aber im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit rund zehn Prozent verloren hat. Das hat auch mit der ökonomisch­en Krise zu tun. Dem Land steht der schlimmste Einbruch seit dem Übergang von der Plan- zur Marktwirts­chaft nach 1989 bevor.

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BILD: SN/AFP US-Präsident Donald Trump war kurz vor der polnischen Wahl voll des Lobs für Präsident Andrzej Duda.

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