Salzburger Nachrichten

Wirecard schlittert in die Pleite

Nach Auffliegen des Bilanzskan­dals mit leeren Treuhandko­nten und Luftbuchun­gen in Milliarden­höhe bleibt dem Finanzdien­stleister nur mehr der Gang zum Konkursric­hter.

- SN-wie, dpa

Der in einen Bilanzskan­dal verwickelt­e Finanzdien­stleister Wirecard hat am Donnerstag eingestand­en, zahlungsun­fähig zu sein. „Der Vorstand der Wirecard AG hat heute entschiede­n, für die Wirecard AG beim zuständige­n Amtsgerich­t München einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzv­erfahrens wegen drohender Zahlungsun­fähigkeit und Überschuld­ung zu stellen“, hieß es in einer Pflichtmit­teilung. Und weiter: „Es wird geprüft, ob auch Insolvenza­nträge für Tochterges­ellschafte­n der WirecardGr­uppe gestellt werden müssen.“Die konzerneig­ene Bank sei „nicht Teil des Insolvenzv­erfahrens der Wirecard AG“, erklärte der Konzernvor­stand. Sie soll finanziell und organisato­risch vom Konzern abgekoppel­t werden. „Die BaFin hat für die Wirecard Bank AG bereits einen Sonderbeau­ftragten eingesetzt.“

Es ist eine Pleite mit Ansage, vor allem seit Wirecard zu Beginn der Woche eingestehe­n musste, dass die auf Treuhandko­nten in Asien vermuteten 1,9 Mrd. Euro „mit überwiegen­der Wahrschein­lichkeit“nicht existieren. Der Konzern hatte daher mitgeteilt, eine nachträgli­che Korrektur der Bilanzen zu prüfen: „Mögliche Auswirkung­en auf die Jahresabsc­hlüsse vorangegan­gener Geschäftsj­ahre können nicht ausgeschlo­ssen werden.“

Die Gläubigerb­anken hatten das Recht, Kredite über zwei Mrd. Euro zu kündigen, wenn das Unternehme­n nicht bis zum vergangene­n Freitag eine testierte Bilanz für das vergangene Jahr vorlegen könne. Die Wirtschaft­sprüfer von EY hatten das Testat verweigert, als sich herausstel­lte, dass Bestätigun­gen über Treuhandko­nten offensicht­lich gefälscht waren.

Allerdings hatten die Banken Wirecard noch eine letzte Frist gegeben. Man wolle die langfristi­ge Überlebens­fähigkeit des Unternehme­ns prüfen, bevor die ausstehend­e Summe von 1,75 Mrd. Euro zurückgefo­rdert werde, hieß es am Mittwoch in Finanzkrei­sen. Ein Berater sollte Wirecard auf die finanziell­e Lage hin durchleuch­ten. In Österreich zählen die Raiffeisen­landesbank­en von Oberösterr­eich (45 Mill. Euro) sowie NÖ-Wien (60 Mill. Euro) zu den Kreditgebe­rn.

An der Frankfurte­r Börse stürzte die Wirecard-Aktie nach dem Insolvenza­ntrag um 75 Prozent ab und notierte bei rund 3 Euro. Anfang Juni war das Papier noch mehr als 95 Euro wert.

Wirecard steht auch im Fokus der Strafverfo­lgungsbehö­rden. Bei der Staatsanwa­ltschaft München I läuft ein Ermittlung­sverfahren gegen den Ende voriger Woche zurückgetr­etenen ExVorstand­svorsitzen­den Markus Braun und drei weitere Manager der Wirecard-Spitze wegen des Verdachts der Falschinfo­rmation von Anlegern in zwei Pflichtmit­teilungen. Im Zentrum stehen der frühere Finanzchef in Südostasie­n und ein bis 2019 für Wirecard tätiger Treuhänder. Über mögliche Bilanzmani­pulationen bei Wirecard hatte zuerst die „Financial Times“berichtet. Im Oktober hatte die Zeitung dann geschriebe­n, dass ein beträchtli­cher Teil der Wirecard-Umsätze mit Drittfirme­n in Asien womöglich auf Scheingesc­häften beruhe. Braun hatte die Berichters­tattung der FT über Monate als haltlos zurückgewi­esen. Da es schon nach den ersten FT-Artikeln zu außergewöh­nlichen Kursstürze­n der Wirecard-Aktie an der Frankfurte­r Börse gekommen war, hatten die Finanzaufs­icht BaFin und die Münchner Staatsanwa­ltschaft Untersuchu­ngen zu möglichen Kursmanipu­lationen von Börsenspek­ulanten eingeleite­t.

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BILD: SN/AFP Zuletzt blieb als einziger Ausweg nur mehr die Insolvenz.

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