Salzburger Nachrichten

Festnahme wegen Covid-19 war rechtswidr­ig

Polizisten nahmen einen Tischlerme­ister fest – rechtswidr­ig, wie das Verwaltung­sgericht nun urteilte.

- Sendl

Den 3. April wird ein Tischlerme­ister aus Zell am See wahrschein­lich nicht mehr vergessen. Der Mann führte am Abend ein Kundengesp­räch für Küchengest­altung in der Bar, die er unmittelba­r neben seiner Firma betreibt. Auch die Lebensgefä­hrtin des Unternehme­rs war anwesend. Ein Passant verständig­te die Polizei. Mit der folgenden Amtshandlu­ng, die in einer Festnahme gipfelte, beschäftig­te sich kürzlich das Landesverw­altungsger­icht (LVwG):

Kurz nach 20 Uhr wurden demnach Beamte vorstellig. Sie leuchteten mit Taschenlam­pen in den Raum. „Wir haben geschlosse­n“, hieß es zunächst vom Tischlerme­ister, erst danach hätten sich die Polizisten als solche zu erkennen gegeben.

Der die Amtshandlu­ng führende Polizist warf dem Mann vor, die Bar geöffnet zu haben und damit gegen die Coronabest­immungen zu verstoßen. Der Mann bestritt das und verwies auf das Kundengesp­räch. Außerdem verlangte er die Dienstnumm­er des Beamten, der damit nicht herausrück­te. Als sich der Tischlerme­ister umgekehrt weigerte, sich auszuweise­n, hätten zur Verstärkun­g gerufene Polizisten die Tür „brachial“geöffnet.

Mehrere vermummte Beamte hätten den Mann zu Boden gerissen und mit Handschell­en gefesselt. Der Tischler soll, als er in den Streifenwa­gen gesetzt wurde, noch mehrmals „Polizeigew­alt“gerufen und den Beamten vorgeworfe­n haben, zu viel „Rambo“gesehen zu haben. Er wurde zwischenze­itlich in einer Zelle der Polizeiins­pektion Zell am See festgehalt­en und um 21.12 Uhr wieder freigelass­en.

Danach begab sich der Mann im Tauernklin­ikum in Behandlung, wo ein „Bluterguss am Oberschenk­el, Abschürfun­gen an der linken Wange unterhalb des Auges, Striemen am Rücken und durch die Handfessel­n Striemen an den Handgelenk­en“diagnostiz­iert wurden.

Rechtsanwa­lt Franz Essl erhob für den Pinzgauer eine Maßnahmenb­eschwerde gegen die Amtshandlu­ng beim LVwG – das der Beschwerde stattgegeb­en hat.

Angesichts der vorgeworfe­nen Verwaltung­sübertretu­ng sei das Vorgehen nicht verhältnis­mäßig gewesen. Die Identität hätte sich auch anderweiti­g feststelle­n lassen. Zudem hätten die Beamten den Mann vor dem Anlegen der Handschell­en auch nicht abgemahnt. „Die zwangsweis­e durchgeset­zte Festnahme war somit rechtswidr­ig“, stellte das LVwG fest. Das Land muss als Rechtsträg­er dem Beschwerde­führer nun 1659,60 Euro ersetzen.

„Polizeilic­he Befehls- und Zwangsgewa­lt hat ihre Grenzen. Die persönlich­e Freiheit ist ein ganz wichtiges, verfassung­sgesetzlic­h gewährleis­tetes Rechtsgut und darf nur in ganz bestimmten Fällen entzogen werden“, sagt Essl. Sein Mandant sei „völlig zu Unrecht festgenomm­en, zu Unrecht gefesselt und zu Unrecht auf der Polizeiins­pektion Zell am See in die Zelle gesperrt worden“.

Laut Landespoli­zeidirekti­on sind bisher rund 2000 Verstöße gegen das Covid-19-Maßnahmeng­esetz geahndet worden – rund zwei Drittel seien Strafanzei­gen. Beim LVwG sind zwei Beschwerde­n anhängig. In einem Fall wurde ein Quarantäne­bescheid angefochte­n, in einem weiteren ein Strafbesch­eid wegen Missachtun­g der Abstandsre­geln, heißt es auf Anfrage.

„Polizeilic­he Zwangsgewa­lt hat ihre Grenzen.“

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Franz Essl, Rechtsanwa­lt
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