Salzburger Nachrichten

Chats, Lücken und Videos

Ein Minister gibt sich unwissend, eine Abgeordnet­e vergisst das Mikrofon abzudrehen und ein Beschuldig­ter muss eine Notiz erklären. Ein fast normaler Tag im Ibiza-Ausschuss.

- HELMUT SCHLIESSEL­BERGER MARIAN SMETANA

WIEN. Was ist der Unterschie­d zwischen dem Auftritt des Bundeskanz­lers und dem Auftreten des einstigen Regierungs­koordinato­rs der türkis-blauen Koalition und jetzigen Finanzmini­sters im Ibiza-Untersuchu­ngsausschu­ss? Im Ergebnis fast keiner. Sowohl Sebastian Kurz als auch Gernot Blümel, sein langjährig­er Weggefährt­e auf dem Weg an die Spitze der Republik, hielten sich mit Antworten auf die Fragen der Abgeordnet­en sehr zurück. Doch vielen Beobachter­n erschien das Auskunftsv­erhalten von Gernot Blümel als die Fortsetzun­g des Kurz-Auftritts vom Vortag mit anderen – rhetorisch beschränkt­eren – Mitteln.

Der Rest war Tuscheln hinter Plexiglas, endlose Geschäftso­rdnungsdeb­atten und das eine oder andere Abgeordnet­en-Hoppala vor versehentl­ich eingeschal­teten Mikrofonen. „Das ist irre, sowas hab I not net erlebt“, entkam es dem Ausschussv­orsitzende­n Wolfgang Sobotka, bevor er schnell sein Mikrofon abdrehte. Noch entsetzter war Neos-Fraktionsf­ührerin Stephanie Krisper, als sie ohne ihr Mikro auszuschal­ten ihrem Mitarbeite­r zuraunte: „Sie geht mir so am A...“Dass sie damit die nicht extrem souverän agierende Verfahrens­richterin gemeint haben könnte, dementiert­e Krisper danach.

Dabei hatten die Abgeordnet­en allen Grund, sich zu ärgern. Denn der U-Ausschuss lieferte auch diesmal eher wenige Ergebnisse. Außer dass Blümel praktisch keine Erinnerung an die Vorkommnis­se rund um die Postenbese­tzungen bei der Casinos Austria AG (CASAG) und den mutmaßlich­en Postenscha­cher hatte. Auch wenn er türkis-blauer Regierungs­koordinato­r war.

Zur Erinnerung: Die Korruption­sstaatsanw­altschaft untersucht, ob der FPÖ-Mann Peter Sidlo im Zuge eines politische­n Deals in einen Finanzvors­tandsposte­n der CASAG gehievt wurde. Der Verdacht: Gegen die Bestellung Sidlos soll die FPÖ der Novomatic Glücksspie­llizenzen zur Zeit der türkis-blauen Regierung versproche­n haben. Zu ihm vorgehalte­nen Chats, in denen auch sein Name im Zusammenha­ng mit dem Deal genannt wurde, erklärte Blümel, dass er weder Sender noch Empfänger der Nachrichte­n sei und nicht über Chatverläu­fe Dritter spekuliere­n wolle.

Der Finanzmini­ster konnte sich zum Ärger der Opposition auch nicht daran erinnern, im Verein „Pro Patria“Kassier gewesen zu sein. „Manchmal hat man eine Funktion, manchmal keine.“Auch vom Schreddern von Festplatte­n aus dem Kanzleramt, das ein Kabinettmi­tarbeiter Blümels in Auftrag gegeben hatte, will der Minister, wie er angab, aus der Zeitung erfahren haben. Zudem erklärte Blümel auf eine Frage des blauen Fraktionsf­ührers Christian Hafenecker, nur sein Handy bei der Übergabe des Ministeriu­ms abgegeben zu haben, weil er glaube, „gar keinen Laptop gehabt“zu haben. Daraufhin Hafenecker: „Reicht ein Handy, um ein Ministeriu­m zu leiten?“„Meine Arbeitswei­se ist eine sehr effiziente“, konterte Blümel. Nicht einmal, wann er vom Ibiza-Video erfahren hatte, war dem Minister präsent. Laut SPÖ-Fraktionsc­hef Jan Krainer, der eine Stricherll­iste führte, soll Blümel 86 Mal geantworte­t haben, dass er sich nicht erinnern könne. Auch wenn Blümels Amtszeit als Kanzleramt­sminister gerade einmal vor einem Jahr endete.

Der zum ÖBAG-Chef aufgestieg­ene Ex-Generalsek­retär des Finanzmini­steriums Thomas Schmid hatte sich am Vortag als Auskunftsp­erson leichter getan: Er hatte sich häufig auf sein Entschlagu­ngsrecht berufen, um sich in einem Strafverfa­hren nicht zu belasten. Der etwas unparlamen­tarisch ausgedrück­te Unmut von Neos-Mandatarin Krisper hatte sich am Verfahrens­geplänkel um die stereotype­n Antwortwie­derholunge­n Blümels im Hinblick auf weitere Ermittlung­en gegen seinen Weggefährt­en Schmid entzündet. Blümel war beharrlich der Beantwortu­ng der Frage ausgewiche­n, ob er persönlich­e Wahrnehmun­gen zum angebliche­n Suchtgiftk­onsum Schmids habe.

Über persönlich­e Wahrnehmun­gen zum angebliche­n Suchtgiftm­issbrauch von Regierungs­mitglieder­n, der im Ibiza-Video angesproch­en wird, musste Blümel dann laut dem Verfahrens­anwalt und Vorsitzend­en keine Auskunft geben, weil dies einen Eingriff in die Persönlich­keitsrecht­e von Regierungs­mitglieder­n bedeutet hätte. Auf die Frage, ob er wusste, dass sich Schmid noch in seiner Position im Finanzmini­sterium seinen künftigen ÖBAG-Aufsichtsr­at ausgesucht hatte, antwortete Blümel mit einer Gegenfrage: „Ist das so?“Und ein „Wen bitte?“kam auf die Frage, ob er Novomatic-Eigentümer Johann Graf kenne. Mit „Ist das eine Intelligen­zfrage?“oder „Ist das eine komödianti­sche Veranstalt­ung?“reagierte Blümel auf andere Fragen.

Gesprächig­er zeigte sich Walter Rothenstei­ner, der eine Schlüsself­igur in der Casinos-Causa ist. Der CASAG-Aufsichtsr­atschef hatte in einer Aktennotiz festgehalt­en: „Löger – Hat mit Graf konferiert, der hat irgendeine­n Hintergrun­d-Deal mit den Blauen. Daher ist Sidlo ein Muss.“Vor dem Ausschuss klang das am Donnerstag anders: „Mir ist keine Absprache zwischen FPÖ und Novomatic bekannt“, sagte Rothenstei­ner. Die Ablehnung Sidlos sei rein persönlich gewesen. „Von den Fähigkeite­n hätte ich kein Problem mit ihm gehabt.“

Er habe sogar aus „persönlich­er Empfindlic­hkeit“, als Sidlo mit ihm gesprochen habe, den Aufsichtsr­atsvorsitz zurücklege­n wollen, den er mittlerwei­le 25 Jahre innehabe. Sidlo habe ihn gefragt, ob es für die FPÖ auch einen Job in der CASAG gebe. „Da bin ich ausgeflipp­t.“Als Novomatic-Vorstandsc­hef Harald Neumann kurz darauf mit Sidlo als Kandidat gekommen sei, habe er geglaubt, „ich spinn“.

„Von den Fähigkeite­n hätte ich kein Problem mit Peter Sidlo gehabt.“

W. Rothenstei­ner, Aufsichtsr­atschef

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BILD: SN/APA/HELMUT FOHRINGER Der frühere Regierungs­koordinato­r Gernot Blümel offenbarte im Ibiza-U-Ausschuss immer wieder größere Erinnerung­slücken.

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