Salzburger Nachrichten

Am Sonntag muss man genau hinsehen

- Ulrich Krökel AUSSEN@SN.AT

Die Präsidents­chaftswahl in Polen kann schon im Vorfeld kaum als frei und fair bezeichnet werden. Im Angesicht der Coronapand­emie hat die rechtsnati­onale PiS-Regierung die demokratis­chen Spielregel­n und die Verfassung gebrochen. Es begann mit dem Versuch, die für den 10. Mai terminiert­e Abstimmung unter allen Umständen durchzuzie­hen. Unverhohle­ne Begründung: Ihr Kandidat, Amtsinhabe­r Andrzej Duda, führte die Umfragen klar an. Dass die Opposition keinen Wahlkampf führen konnte, machte die Sache aus PiSSicht noch besser.

In dieser Lage versuchte die Regierung, eine reine Briefwahl durchzuset­zen, obwohl die Verfassung kurzfristi­ge Regeländer­ungen verbietet. Als der öffentlich­e Druck wuchs, entschied man im Hinterzimm­er, die Wahl zu verschiebe­n. Die zuständige­n Verfassung­sorgane hatten nichts mitzureden. So setzte die PiS einen möglichst frühen Termin durch, um Dudas Herausford­erern möglichst geringe Chancen zu geben.

Die Opposition machte bei alldem böse Miene zum bösen Spiel, spielte aber mit. Mit einem ersten Achtungser­folg. Innerhalb weniger Tage gelang es dem liberalen Warschauer Oberbürger­meister Rafał Trzaskowsk­i, mehr als anderthalb Millionen Unterschri­ften für seine Kandidatur zu sammeln. Das war ein Hoffnungsz­eichen, dass es trotz aller Ungerechti­gkeiten doch noch ein Wahlduell geben könnte.

Offen ist die Frage, was passiert, sollte Trzaskowsk­i tatsächlic­h gewinnen. Die PiS hat zuletzt gezeigt, in welch unerträgli­chem Ausmaß sie zu Missbrauch bereit ist, um ihre Macht zu zementiere­n. Würde sie einen Sieg der Opposition überhaupt akzeptiere­n und den Präsidente­npalast räumen? Bis zur Coronapand­emie hatten daran selbst eingefleis­chte PiS-Kritiker kaum Zweifel. Inzwischen sieht das anders aus. Man wird also sehr genau hinsehen müssen, was in Polen passiert. Am Wahltag, aber auch danach. Es ist das erste Mal seit 1989/90, dass eine internatio­nale Wahlbeobac­htung in Polen mehr ist als eine Formsache.

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