Salzburger Nachrichten

Das Virus lehrt uns Respekt vor Mensch und Tier

- Sylvia Wörgetter SYLVIA.WOERGETTER@SN.AT

Es war kein Geheimnis, wie es beim deutschen Großschlac­hter Tönnies zuging. Das räumt selbst der Ministerpr­äsident von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet (CDU), ein. Arbeiter aus Osteuropa zerlegten Schlachtvi­eh im Akkord, schufteten ohne reguläre Anstellung auf Werkvertra­gsbasis, lebten auf engstem Raum. Alles, damit der Fleischpre­is niedrig und der Profit möglichst hoch bleibt.

Zum Thema wurde das erst, als sich mehr als 1500 TönniesArb­eiter mit dem Coronaviru­s ansteckten und deswegen 640.000 unbeteilig­te Menschen zurück in den Lockdown mussten. Der Firmenbesi­tzer wurde über Nacht vom Ehrenmann zum Buhmann einer ganzen Nation. Er ist nicht der Einzige. Aus einer Dönerprodu­ktion in Duisburg wurden am Freitag ebenfalls 80 Infizierte gemeldet.

Überall dort, wo sich Menschen untereinan­der sowie Mensch und Tier auf ungute Weise sehr nahe kommen, findet das Virus beste Bedingunge­n vor. Das ist in Betrieben wie Tönnies der Fall. Oder auf dem Fisch- und Wildtierma­rkt in Wuhan, wo die Pandemie wahrschein­lich ihren Ausgang genommen hat.

Beide Orte stehen für ein System, in dem das Recht des Stärkeren herrscht und Ausbeutung – egal ob es sich um menschlich­e Arbeitskra­ft oder um tierisches Leben handelt – toleriert wird. Beide Male geht es darum, dass es sich die einen auf Kosten der anderen im Übermaß, oft sogar ohne Maß, gut gehen lassen.

Teilen unserer Konsumgese­llschaft ist der Respekt vor Mensch und Tier verloren gegangen. Das Virus zwingt dazu, zu fragen, wie viel Tönnies in unserem Leben steckt. Und es zu ändern.

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