Kaczynski hat den Zenit der Macht überschritten
Polen ist politisch zutiefst gespalten. Das heißt aber auch, dass Dinge schnell ins Rutschen geraten können. Auch zuungunsten der PiS.
Zu Jahresbeginn wirkte die Macht der rechtsnationalen PiS-Regierung in Polen unerschütterlich. Die Partei mit ihrem autoritären Vorsitzenden Jaroslaw Kaczynski hatte die Parlamentswahl 2019 zwar nicht so eindeutig gewonnen wie erwartet. Aber die gute Wirtschaftslage ermöglichte eine Fortsetzung der populären (und richtigen!) Sozialpolitik. Hinzu kam die dramatische Schwäche der Opposition, die weder über zugkräftiges Personal noch über ein attraktives Programm verfügte.
Noch im März hätte wohl kein ernst zu nehmender politischer Beobachter gewettet, dass der PiSMann Andrzej Duda bei der Präsidentenwahl in Schwierigkeiten geraten könnte. Doch genau so ist es gekommen. Am Sonntag deutete alles darauf hin, dass Duda sich in einer Stichwahl mit dem liberalen Warschauer Oberbürgermeister Rafal Trzaskowski messen muss. Was ist da passiert?
Zeitlich fiel die Wende mit der Coronapandemie zusammen. Doch in Krisen können sich gewöhnlich die Regierenden profilieren. So war es auch in Polen. Duda trat als kompromissloser Krisenmanager auf. Das Problem war Kaczynski, der wahre starke Mann in der PiS. Er wollte die Situation nutzen, um seinen Staatsumbau voranzutreiben. Eine Verschiebung der Wahl wegen der Coronapandemie lehnte er lang ab.
Als Kaczynski der Verschiebung zustimmte, hatten die Partei und ihr Chef ihr wahres Gesicht bereits allzu offen gezeigt. Die Opposition nutzte die Gelegenheit, um mit Trzaskowski einen Kandidaten ins Rennen zu schicken, der schnell an Profil gewann. All das belegt, dass die Machtverhältnisse in Polen keineswegs so zementiert sind, wie es in den vergangenen Jahren schien. Richtig ist: Das Land ist politisch zutiefst gespalten. Das heißt aber auch, dass die Dinge schnell ins Rutschen geraten können.
Derzeit deutet manches darauf hin, dass die PiS und Kaczynski den Zenit ihrer Macht überschritten haben könnten. Selbst wenn Duda weitermachen kann, wird das Regieren in Warschau schwieriger.
Vor allem zwingt die Coronawirtschaftskrise die PiS erstmals seit 2015 zu unpopulären Einschnitten.
Aber auch in der Europa-Politik wird die Partei gegen ihre tieferen Überzeugungen handeln müssen und sich dabei immer stärker selbst entlarven. Denn strukturell ist die nationalistische PiS eine Anti-EUPartei im Sinne der britischen Brexiteers. Polen aber ist, anders als Großbritannien, in fast jeder Hinsicht auf einen Erfolg der Staatengemeinschaft angewiesen. Zudem ist die EU im Land ungeheuer populär.