Das unnötige Leiden muss ein Ende haben
Viele Frauen fühlen sich bei gesundheitlichen Beschwerden nicht ernst genommen. Das kann dramatische Folgen haben.
Im 19. Jahrhundert wurden unzählige Frauen mit „hysterischen Anfällen“in Nervenheilanstalten eingewiesen. Ob sie tatsächlich an einer Krankheit litten, darf bezweifelt werden. Vermutlich wehrten sie sich einfach nur gegen die Tyrannei ihrer Männer. Jedenfalls galt Hysterie lange Zeit als typische Frauenkrankheit – zumal das Wort im Deutschen „Gebärmutter“bedeutet.
Heute, 200 Jahre später, spricht zwar in der Medizin keiner mehr von Hysterie, aber gewisse Vorurteile halten sich immer noch hartnäckig. Viele Frauen fühlen sich von Ärzten nicht ernst genommen. Häufig werden Beschwerden auf die Periode, die Schwangerschaft oder die Wechseljahre geschoben. Welche dramatischen Folgen das haben kann, zeigte kürzlich eine Umfrage des Instagram-Kanals „Mädelsabende“, ein Projekt des Westdeutschen Rundfunks. Dort berichteten junge Frauen von ihren Erlebnissen mit Ärzten – aber auch mit Ärztinnen.
„Ich litt unter extremer Müdigkeit. Die Reaktion der Ärztin: ,Depressionen. Treiben Sie mehr Sport.‘ Tatsächlich hatte ich Pfeiffersches Drüsenfieber, verschleppte es und bekam eine Herzmuskelentzündung“, schreibt etwa eine junge Frau. Sie ist nur eine von vielen, deren Schmerzen als Lappalie abgetan werden.
Schon 2003 kam man an der Universität in Maryland zu dem Schluss, dass Frauen schlechter und langsamer gegen Schmerzen behandelt werden als Männer.
Dazu kommt, dass die Forschung seit jeher auf Männer ausgerichtet war. Medikamente wurden an Männern getestet, Diagnosen aufgrund von Erfahrungswerten an Männern gestellt. Lange Zeit wusste man nicht, dass die Symptome eines Herzinfarkts bei Frauen komplett anders als bei Männern sein können. Auch heute noch sind Krankheiten, die viele Frauen betreffen, kaum bekannt. Nur ein Beispiel von vielen ist Endometriose, eine der häufigsten Unterleibserkrankungen bei Frauen, die im schlimmsten Fall zu Unfruchtbarkeit führen kann. Weil ein Symptom starke Regelschmerzen sind, werden Betroffene oft jahrelang von ihrem Arzt oder ihrer Ärztin nicht ernst genommen.
Auch in der aktuellen Coronakrise muss erforscht werden, inwiefern Frauen und Männer unterschiedlich auf die Krankheit reagieren.
Die bisherigen Zahlen deuten darauf hin, dass Frauen das Virus besser überstehen und weniger stark erkranken.
Erfreulich ist, dass sich das Forschungsfeld der Gendermedizin an vielen Universitäten etabliert hat, teilweise sogar mit eigenem Lehrstuhl. Das lässt hoffen, dass die Diskriminierung irgendwann ein Ende hat – und keine Frau mehr unnötig leiden muss, weil ihre Symptome nicht rechtzeitig erkannt wurden.