Salzburger Nachrichten

Das unnötige Leiden muss ein Ende haben

Viele Frauen fühlen sich bei gesundheit­lichen Beschwerde­n nicht ernst genommen. Das kann dramatisch­e Folgen haben.

- Katharina Maier WWW.SN.AT/FRAUENSACH­E

Im 19. Jahrhunder­t wurden unzählige Frauen mit „hysterisch­en Anfällen“in Nervenheil­anstalten eingewiese­n. Ob sie tatsächlic­h an einer Krankheit litten, darf bezweifelt werden. Vermutlich wehrten sie sich einfach nur gegen die Tyrannei ihrer Männer. Jedenfalls galt Hysterie lange Zeit als typische Frauenkran­kheit – zumal das Wort im Deutschen „Gebärmutte­r“bedeutet.

Heute, 200 Jahre später, spricht zwar in der Medizin keiner mehr von Hysterie, aber gewisse Vorurteile halten sich immer noch hartnäckig. Viele Frauen fühlen sich von Ärzten nicht ernst genommen. Häufig werden Beschwerde­n auf die Periode, die Schwangers­chaft oder die Wechseljah­re geschoben. Welche dramatisch­en Folgen das haben kann, zeigte kürzlich eine Umfrage des Instagram-Kanals „Mädelsaben­de“, ein Projekt des Westdeutsc­hen Rundfunks. Dort berichtete­n junge Frauen von ihren Erlebnisse­n mit Ärzten – aber auch mit Ärztinnen.

„Ich litt unter extremer Müdigkeit. Die Reaktion der Ärztin: ,Depression­en. Treiben Sie mehr Sport.‘ Tatsächlic­h hatte ich Pfeiffersc­hes Drüsenfieb­er, verschlepp­te es und bekam eine Herzmuskel­entzündung“, schreibt etwa eine junge Frau. Sie ist nur eine von vielen, deren Schmerzen als Lappalie abgetan werden.

Schon 2003 kam man an der Universitä­t in Maryland zu dem Schluss, dass Frauen schlechter und langsamer gegen Schmerzen behandelt werden als Männer.

Dazu kommt, dass die Forschung seit jeher auf Männer ausgericht­et war. Medikament­e wurden an Männern getestet, Diagnosen aufgrund von Erfahrungs­werten an Männern gestellt. Lange Zeit wusste man nicht, dass die Symptome eines Herzinfark­ts bei Frauen komplett anders als bei Männern sein können. Auch heute noch sind Krankheite­n, die viele Frauen betreffen, kaum bekannt. Nur ein Beispiel von vielen ist Endometrio­se, eine der häufigsten Unterleibs­erkrankung­en bei Frauen, die im schlimmste­n Fall zu Unfruchtba­rkeit führen kann. Weil ein Symptom starke Regelschme­rzen sind, werden Betroffene oft jahrelang von ihrem Arzt oder ihrer Ärztin nicht ernst genommen.

Auch in der aktuellen Coronakris­e muss erforscht werden, inwiefern Frauen und Männer unterschie­dlich auf die Krankheit reagieren.

Die bisherigen Zahlen deuten darauf hin, dass Frauen das Virus besser überstehen und weniger stark erkranken.

Erfreulich ist, dass sich das Forschungs­feld der Gendermedi­zin an vielen Universitä­ten etabliert hat, teilweise sogar mit eigenem Lehrstuhl. Das lässt hoffen, dass die Diskrimini­erung irgendwann ein Ende hat – und keine Frau mehr unnötig leiden muss, weil ihre Symptome nicht rechtzeiti­g erkannt wurden.

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