Salzburger Nachrichten

Kopfgeld auf US-Soldaten

Russland hat nach Erkenntnis­sen der amerikanis­chen Geheimdien­ste den Taliban-Milizen in Afghanista­n eine Kopfprämie für US-Soldaten angeboten. Donald Trump unternahm nichts.

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Der Präsident gibt sich ahnungslos. „Niemand hat mich, Vizepräsid­ent Pence oder Stabschef Meadows unterricht­et oder etwas gesagt“, erklärte Donald Trump auf Twitter zu der Untätigkei­t seiner Regierung angesichts der explosiven Enthüllung­en.

Als Erste hatte die „New York Times“berichtet, der Präsident sei in dem täglichen Briefing seiner Geheimdien­ste schriftlic­h über das russische Kopfgeld auf US-Soldaten in Afghanista­n informiert worden. Inzwischen haben die „Washington Post“, der Sender CNN und das „Wall Street Journal“den Inhalt der Geschichte unabhängig bestätigt.

Statt auf die Substanz der Berichte einzugehen, verlangt der Präsident von den „Fake News“die Preisgabe der anonymen Quelle. „Ich wette, sie können das nicht. Diese Person gibt es vermutlich nicht einmal.“Analysten machen hingegen darauf aufmerksam, dass die Sprecherin des Weißen Hauses, Kayleigh McEnany, nicht bestreite, dass die Geheimdien­ste entspreche­nde Informatio­nen über die russischen Kopfgeldpr­ämien haben.

Was auch nicht infrage gestellt wird: Dass der Nationale Sicherheit­srat im Weißen Haus Ende März darüber beriet, wie die USA darauf reagieren könnten.

Der Nationale Sicherheit­srat entwickelt­e nach Aussagen eines hohen Mitarbeite­rs des Präsidente­n gegenüber der „New York Times“einen Stufenplan. Dieser sah als Optionen eine diplomatis­che Beschwerde in Moskau, eskalieren­de Sanktionen und andere mögliche Reaktionen vor. Nichts von dem sei jemals umgesetzt worden.

Insider halten es für ausgeschlo­ssen, dass solch brisante Informatio­nen über Wochen ohne Kenntnis des Präsidente­n diskutiert würden. Zumal die US-Geheimdien­ste diese Erkenntnis­se mit den Verbündete­n in Großbritan­nien geteilt hätten.

CNN hatte bereits im Frühjahr von auffällig vielen Telefonate­n zwischen Trump und dem russischen Präsidente­n Wladimir Putin berichtet. Inmitten der ersten Welle der Coronapand­emie in den USA sprachen die beiden Präsidente­n zwischen dem 30. März und Mitte April vier Mal miteinande­r.

Der designiert­e Herausford­erer Trumps bei den Wahlen im November, Joe Biden, wittert Verrat. „Seine ganze Präsidents­chaft war ein Geschenk an Putin, aber dieses übersteigt alles“, so reagierte der Demokrat auf die Enthüllung­en.

Selbst führende Republikan­er wie Liz Cheney, Nummer drei ihrer Fraktion im Repräsenta­ntenhaus, haben Fragen. Die Tochter des Vizepräsid­enten George W. Bushs will wissen, warum angeblich weder der Präsident noch der Vizepräsid­ent unterricht­et worden seien. Darüber hinaus verlangt sie Auskunft über den Inhalt des schriftlic­hen Tagesbrief­ings der Geheimdien­ste und Antwort auf die Frage, was zum Schutz der Truppen und Bestrafung Putins unternomme­n worden sei.

2019 sind zwanzig amerikanis­che Soldaten in Afghanista­n getötet worden, vier weitere Anfang dieses Jahres. Seit dem Waffenstil­lstand zwischen den Taliban-Milizen und den USA haben die Fundamenta­listen keine amerikanis­chen Stellungen angegriffe­n.

Nach Erkenntnis der Geheimdien­ste war das Kopfgeld von der Einheit 29155 des russischen Spionagedi­enstes GRU ausgesetzt worden. Dabei handelt es sich um eine Elitetrupp­e, die auch für die Vergiftung des ehemaligen GRU-Offiziers Sergej Skripal im englischen Salisbury verantwort­lich gemacht wird.

Experten spekuliere­n darüber, dass der erste direkte Angriff auf US-Interessen ein doppeltes Ziel verfolgte: die Gespräche zwischen den Taliban und den USA zu unterminie­ren und die russischen Toten eines amerikanis­chen Vergeltung­sschlags in Syrien 2018 zu rächen.

Trump drängte zuletzt auf eine Wiederaufn­ahme Russlands in die G7 und behauptete, nicht Moskau, sondern die Ukraine habe sich 2016 in die Wahlen eingemisch­t.

 ?? BILD: SN/AFP/WAKIL KOHSAR ?? Ein US-Soldat in Afghanista­n, in den Händen die Flagge Stars and Stripes.
BILD: SN/AFP/WAKIL KOHSAR Ein US-Soldat in Afghanista­n, in den Händen die Flagge Stars and Stripes.

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