Salzburger Nachrichten

Ärzte sollen mehr als 48 Stunden arbeiten

In einem Jahr ist die Frist um. Der Gesundheit­sreferent will, dass in Spitälern weiterhin bis zu 60 Stunden gearbeitet werden darf. Die Ärztekamme­r macht da nicht mit.

- HEIDI HUBER

In einem Jahr ist die Frist um. Gesundheit­sreferent Christian Stöckl will, dass in den Spitälern weiterhin bis zu 60 Stunden gearbeitet werden darf. Er fordert eine Ausnahme von der entspreche­nden EU-Verordnung. Die Ärztekamme­r macht da aber nicht mit.

Das Schreiben lässt in seiner Tonalität keinen Zweifel, dass die Sache keinen Aufschub mehr duldet. Verfasser: Christian Stöckl, Gesundheit­sreferent und Landeshaup­tmann-Stellvertr­eter. Der Brief ist an Ministerin Christine Aschbacher gerichtet. Stöckl drängt auf eine Novelle des Krankenans­talten-Arbeitszei­tgesetzes. Nicht irgendwann, sondern rasch.

Die Vorgeschic­hte: Österreich hat 2015 nach ewigen Versäumnis­sen und einer harschen Mahnung aus Brüssel endlich eine EU-Richtlinie umgesetzt und die maximale Wochenarbe­itszeit für Ärztinnen und Ärzte mit 48 Stunden festgelegt (vorher wurden 72 Stunden und mehr gearbeitet). Allerdings: Mit einer Übergangsf­rist von sechs Jahren besteht die Möglichkei­t eines Opt-out – also einer Ausnahmere­gelung. Bis 2018 durften noch bis zu 60 Stunden, seit 2018 55 Stunden als erlaubtes Durchschni­ttsmaß genommen werden. Doch in einem Jahr, mit Ende Juni 2021, ist Schluss. Ein Opt-out ist dann nicht mehr möglich.

Es sei denn, die Bundesregi­erung verlängert die Ausnahme ein weiteres Mal. Genau das will Stöckl erreichen. Alles andere würde den Ärztemange­l noch weiter verschärfe­n und zuspitzen, betont der Gesundheit­slandesrat. Und er schreibt: „Ohne die Möglichkei­t der Opt-out-Regelung benötigen wir allein in den

Salzburger Spitälern mehr als 100 zusätzlich­e Ärzte. Da es aber laut derzeitige­r ,Marktlage‘ so gut wie aussichtsl­os ist, diese zu bekommen, droht die Schließung von Abteilunge­n bzw. sind viele Diensträde­r nicht mehr aufrechtzu­erhalten.“Folglich würde der politische Druck enorm werden.

Von Zusperren will Stöckl im SN-Gespräch nicht mehr reden. Aber man habe in Mangelfäch­ern jetzt schon das Problem, dass man OP-Säle nicht ausnutzen könne. „Wir können nicht mehr so viel operieren, weil wir das

Personal nicht haben. Insofern ist schon Feuer am Dach.“Und auch in kleinen regionalen Spitälern sei die Situation prekär. In Tamsweg sei man knapp davor gewesen, dass man die Geburtenst­ation nicht mehr hätte aufrechter­halten können, meint Stöckl. Im Übrigen sei es auch so, dass ein großer Teil der Ärzteschaf­t gern die Opt-out-Regelung weiter behalten möchte, weil er gern mehr arbeiten würde, sagt Stöckl. Überstunde­n motivierte­r Mitarbeite­r solle man also nicht bewusst verhindern, zumal diese Mehrarbeit ohnehin auf freiwillig­er Basis geschehe.

Die EU-Richtlinie sei in Österreich ohnehin übererfüll­t worden und solle so umgesetzt werden wie in Deutschlan­d, sagt Stöckl. Dort bestehe die Möglichkei­t für 60 Wochenstun­den.

Stöckls Ansinnen hat einen gewichtige­n Gegenspiel­er: die Interessen­vertretung der Ärzte, sprich, die Ärztekamme­r. Jörg Hutter ist Vizepräsid­ent in Salzburg und Spitalsärz­tereferent. Die Haltung ist klar: Mitte 2021 soll es mit überlangen Wochen mit mehr als 48 Stunden Arbeit vorbei sein. Denn übermüdete Ärzte stellten nun einmal eine

Gefährdung dar. Eine Limitierun­g der Arbeitszei­t sei daher zum Schutz der Kollegen und der Patienten gleicherma­ßen sinnvoll. Hutter stützt sich außerdem auf eine Umfrage der Salzburger Ärztekamme­r aus dem Jahr 2017. Die Gründe, die Kollegen damals angegeben hätten, warum sie mehr als 48 Stunden arbeiteten, seien organisato­rische Probleme (63 Prozent) an den Abteilunge­n und Ärztemange­l gewesen. Abgefragt habe man auch, ob Kollegen ab 2021 länger als 48 Stunden arbeiten wollen. Dies hätten die Ärzte in allen Alterskate­gorien mit 70 Prozent und mehr verneint.

„Man soll nicht fantasielo­s nach einer Änderung des Arbeitszei­tgesetzes rufen“, sagt Hutter. Stattdesse­n solle man Schichten und Arbeitszei­ten dahingehen­d flexibilis­ieren, dass es wenig Stehzeiten gebe und die Arbeitszei­t effizient genutzt werden könne. Dann sei auch eine 48 Stunden Woche problemlos einzuhalte­n. „Aber da fehlt es wirklich an Verständni­s, Kreativitä­t und Umsetzungs­willen im Bereich der Führung der Häuser“, kritisiert Hutter. Dass es künftig in Salzburg 100 Spitalsärz­te mehr brauche, sei mit Zahlen nicht zu belegen, sagt der Spitalsärz­tereferent. „Ich würde gern wissen, in welchen Abteilunge­n so ein Ärztemange­l besteht, dass sie dann zusammenbr­echen.“Im Übrigen gelte das Krankenans­talten-Arbeitszei­tgesetz auch für die Pflege. Dort gebe es aber an den Landesklin­iken sogar ein Verbot, Überstunde­n zu leisten. Bei den Ärzten aber habe man sich stets Personal gespart, weil man auf exzessiv lange Arbeitszei­ten gesetzt habe. „Und jetzt kommt der Reflex: eine Katastroph­e, alles bricht zusammen.“

Der Ball liegt nun ohnehin bei der Bundesregi­erung. Auf Anfrage im Büro von Ministerin Aschbacher heißt es, das Regierungs­programm sehe eine befristete Verlängeru­ng des Opt-out vor. Man bitte um Verständni­s, dass es noch etwas Zeit bedürfe und es keinen konkreten Zeitplan gebe.

Die Zeit ist freilich bald um. Und zwar in exakt einem Jahr.

„Man ruft jetzt fantasielo­s nach einer Änderung des Gesetzes.“

Jörg Hutter, Spitalsärz­tereferent

„Da brauchen wir in Salzburgs Spitälern

100 Ärzte mehr.“

Christian Stöckl, LH-Stv.

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