Salzburg lockt mit seiner Mordskulisse
Das Jubiläum der Salzburger Festspiele reizt viele Krimiautoren: Die ganze Stadt ist Tatort.
Das Jubiläum der Festspiele reizt auch viele Krimiautoren: Die ganze Stadt ist Tatort.
SALZBURG. Wenn ein reicher Mann auf dem Domplatz stirbt, gibt es schnell einen Verdächtigen: Der Tod ist der Täter! Zumindest hätte er ein Motiv, das deutlich von seiner gottergebenen Rolle im „Jedermann“abweicht. Paul Neumann, eigentlich Schauspieler der zweiten Garde, ist nicht nur kurzfristig als Sensenmann in der Festspielinszenierung eingesprungen. Vor allem hat er eine Affäre mit der NochEhefrau jenes Milliardärs, der nach der Premiere tot in der ersten Reihe sitzt. Ob er auch das nötige Knowhow hatte, um den Herzschrittmacher des Verstorbenen digital zu manipulieren, damit seine Geliebte nicht fürchten muss, ihr eifersüchtiger Mann könnte sein Testament noch zu ihren Ungunsten ändern?
Mit den Salzburger SocietyVerhältnissen muss sich der Inspektor, der den Fall aufklären will, erst einmal vertraut machen. Jedes Mal an einem anderen Schauplatz lässt das Autorinnenduo Christine Grän und Hannelore Mezei seinen Krimihelden Martin Glück ermitteln. Im heurigen Jubiläumsjahr bietet sich freilich die Festspielstadt Salzburg als Kulisse an. Nur der Titel „Glück in Salzburg“lässt an Peter-Alexander-Idylle denken. Tatsächlich bekommen es der Wiener Polizist und sein nach Salzburg versetzter Kompagnon auch abseits der Bühne mit einer Gier nach Geld und Ruhm zu tun, von der sich Jedermann etwas abschauen könnte. Dass auf dem Weg zur Lösung des Falls auch Lokale und andere Sehenswürdigkeiten der Stadt liegen, gehört zum Bauplan vieler Regionalkrimis, die sich oft auch wie Reiseführer mit Handlung lesen lassen.
Was vor einem Jahrzehnt als Trend begonnen hat, füllt heute ganze Abteilungen in den Buchhandlungen: Städte und Regionen, die als Reiseziele beliebt sind, haben mindestens einen verlässlichen Krimihelden. In Salzburg scheinen sich besonders kurze Verbindungen zwischen schönem Äußeren und morbidem Kern zu finden.
Auch Gurlitts Haus ist Krimischauplatz
„Der Tod gehörte für Bosch zu Salzburg“, heißt es etwa im neuen Krimi von Ines Eberl, „doch hier hatte er etwas Alltägliches, Vertrautes, ja, sogar Heiteres. (...) Wenn der ,Jedermann‘-Ruf von der Festung auf die Stadt herabschallte, wenn der Tod aus dem Dunkel des Domes auf die Bühne heraustrat, dann hielten die Zuschauer mit wohligem Schauer den Atem an.“Eberl, die beim auf Regionalkrimis spezialisierten Emons-Verlag mehrere
Romanserien veröffentlicht, lässt in ihrem „Salzburger Requiem“zum dritten Mal den Kunsthistoriker Hans Bosch in Abgründe schauen. Im Stadtteil Aigen sind Festspieltrubel und Touristenmassen zwar nur ein Hintergrundgeräusch. Stattdessen aber bietet das Haus, in dem der Kunstsammler Cornelius Gurlitt jahrelang wertvolle Gemälde aus der mit NS-Raubkunst durchsetzten Sammlung seines Vaters gelagert hat, einen Ausgangspunkt für einen Krimi um Kunstwäsche und Herkunftsverschleierung geraubter Werke, die bei Eberl geschickt mit der finsteren Familiengeschichte eines Salzburger Kunsthändlers verflochten sind.
Und dann geht auch noch ein Virus um: Im Jubiläumssommer lichten sich die Reihen überall, ob im Festspielhaus oder bei der Polizei. Manfred Baumann, Lokalmatador unter den Salzburg-Krimiautoren, hat im neuen Roman „Jedermannfluch“
viele Anknüpfungen an die Aktualität eingebaut – auch, wenn es nur die Sommergrippe ist, die umgeht, während Martin Merana seinen achten Fall zu lösen hat. Dieser führt ihn wieder auf den Domplatz, wo schon Baumanns erster Krimi („Jedermanntod“) gespielt hatte.
„Die Festspiele werden nervös“, heißt es da. Und: „Normalerweise holt der Tod den Gastgeber, den reichen Lebemann.“Das erste Opfer ist diesmal aber ein Mitglied der Tischgesellschaft. Und, so viel darf verraten werden: Der Sensenmann scheidet als Verdächtiger völlig aus.
Bücher: Christine Grän, Hannelore Mezei: „Glück in Salzburg“, Ars vivendi 2020;
Ines Eberl: „Salzburger Requiem“, Emons 2020;
Manfred Baumann: „Jedermannfluch“, Gmeiner 2020, ab 8. Juli.