Salzburger Nachrichten

Macron ist vielen Franzosen nicht grün

- Anne Hidalgo, Bürgermeis­terin von Paris

PARIS. In Frankreich, so heißt es oft, entscheide­n sich die Bürger bei einer Wahl nicht unbedingt für einen Kandidaten – sondern gegen den anderen. Für viele liegt diese Logik dem Sieg von Emmanuel Macron 2017 in der Stichwahl gegen die Rechtspopu­listin Marine Le Pen zugrunde: Waren zahlreiche seiner Wähler nicht komplett von ihm überzeugt, so wollten sie doch die extreme Rechte verhindern.

Bei der zweiten Runde der Kommunalwa­hlen am Sonntag handelte es sich um ein Pro- und ein KontraVotu­m zugleich. Der Sieg der französisc­hen Grünen in einigen der größten Städte des Landes stellt eine Ohrfeige für die Regierungs­partei La République en Marche (LREM) und ein Signal für den Wunsch nach politische­r Veränderun­g dar – und zeigt eine klare Hinwendung zu Umweltthem­en. Bereits bei den Europawahl­en 2019 holte die Partei mit dem vollen Namen „Europa Ökologie – Die Grünen“13,5 Prozent der Stimmen. Doch die Ergebnisse vom Sonntag übertrafen alle Erwartunge­n.

In Bordeaux, wo die Konservati­ven 73 Jahre lang den Ton angaben, siegten die Grünen mit 46,5 Prozent. In Lyon, bisher eine LREMBastio­n, erhielten sie 52 Prozent. Weitere Siege verzeichne­ten sie in Straßburg, Grenoble, Besançon, Tours, Poitiers und Annecy. In Marseille, seit 25 Jahren in konservati­ver Hand, setzte sich die grüne Michèle Rubirola mit einer linken Koalition an die Spitze. Und auch in Paris, wo die amtierende sozialisti­sche Bürgermeis­terin Anne Hidalgo mit 48,7 Prozent gewann, werden die Grünen mitregiere­n. „Ihr habt für ein Paris gestimmt, das atmet!“, rief Hidalgo am Wahlabend ihren Anhängern zu. Die LREM-Spitzenkan­didatin Agnès Buzyn verfehlte mit 13,5 Prozent sogar einen Platz im Stadtrat.

Von einem „Wendepunkt“sprach der Europaabge­ordnete Yannick Jadot, der zwar nicht Parteichef ist, aber als das Gesicht der französisc­hen Grünen gilt: „Das ist die Reaktion auf die Machtlosig­keit und die fehlenden Entscheidu­ngen der Regierung hinsichtli­ch ökologisch­er Fragen.“Sollte Präsident Emmanuel Macron seiner Partei bei der anstehende­n Regierungs­umbildung Posten im Kabinett anbieten, werde diese ablehnen, so Jadot. Macron warf er „ökologisch­en Opportunis­mus“vor.

Der Präsident hebt in Reden zwar lautstark den Umwelt- und Klimaschut­z hervor, doch seine Partei hat sich bei den Kommunalwa­hlen nach der ersten Runde Mitte März vielerorts mit den Republikan­ern verbündet, eben um eine grüne Welle zu verhindern.

Am Montag empfing Macron die Vertreter eines Bürgerrats, den er vor einem Jahr nach der Krise der „Gelbwesten-Protestbew­egung“gegründet hatte und der seither konkrete Vorschläge für den Klima- und Umweltschu­tz ausgearbei­tet hat. Drei der 149 Ideen, darunter einem Tempolimit von 110 Stundenkil­ometern auf Autobahnen, erteilte Macron eine Absage, während er den Kampf gegen die Erderwärmu­ng in die Verfassung aufnehmen will. Auch versprach er, bis 2022 zusätzlich 15 Milliarden Euro für den ökologisch­en Umbau der Wirtschaft zu investiere­n. Im Anschluss flog er nach Meseberg zu Deutschlan­ds Kanzlerin Angela Merkel kurz vor Beginn der deutschen EU-Ratspräsid­entschaft. Bei diesem Treffen war vor allem der europäisch­e Wiederaufb­aufonds für die Coronakris­e ein Thema: Macron und Merkel demonstrie­rten Einigkeit – und sprachen sich für einen starken Fonds aus, der „wirklich hilft“, wie die deutsche Kanzlerin betonte.

Als Reaktion auf die Kommunalwa­hlen sagte Macron indes lediglich, er sei „beunruhigt“angesichts der hohen Enthaltung von 60 Prozent. Doch er dürfte es auch angesichts der misslungen­en lokalen Verankerun­g seiner 2016 gegründete­n Partei sein. Den einzigen Sieg holte Premiermin­ister Édouard Philippe mit 58 Prozent in Le Havre, wo er bereits früher Bürgermeis­ter war. Doch Philippe, ehemaliges Mitglied der Republikan­er, ist parteilos.

Die traditione­llen Volksparte­ien, die Macron nahe an die politische Bedeutungs­losigkeit gebracht hatte, profitiert­en nun von der Schwäche von LREM. Während die Sozialiste­n neben Paris und Lille viele mittelgroß­e Städte wie Nancy gewannen, hielten die Republikan­er Bastionen wie Nizza und Toulouse.

„Ihr habt für ein Paris gestimmt, das atmet.“

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BILD: SN/AP Die sozialisti­sche Bürgermeis­terin Anne Hidalgo bleibt im Amt.
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BILD: SN/AFP Macrons Partei LREM schnitt bei den Wahlen schwach ab.

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