Salzburger Nachrichten

Heimat bist du großer Sänger und Wurstfabri­kanten

Ein neues Buch widmet sich österreich­ischen Tenören der Nachkriegs­zeit – darunter ein Metzger aus Hallein.

- „Magische Töne“von Gregor Hauser, 254 S., Verlag Der Apfel, Wien. Audio-Beispiele auf dem YouTube-Channel „Magische Töne“.

SALZBURG. Ein Opernsänge­r, der mit Wurst im Gepäck Kontakte mit dem Who’s who aus Musik und Theater pflegt? Diese Figur könnte einem der Volksstück­e Ödön von Horváths entsprunge­n sein. Doch den Salamifabr­ikanten Hubert Grabner, der abends am Salzburger Landesthea­ter oder in Stuttgart auf der Bühne stand und um vier Uhr früh wieder die Mitarbeite­r befehligte, gab es wirklich. „Gegen übermäßige Müdigkeit hatte er einen speziellen Salami-Stupfer dabei, den er sich in den Oberschenk­el pikste, wenn er drohte einzuschla­fen“, heißt es im Buch „Magische Töne“über den Metzger aus Hallein, dessen Stimme Tobi Reiser gleicherma­ßen begeistert­e wie Herbert von Karajan.

Gregor Hauser, ein in Salzburg lebender Lehrer, widmet zwei Generation­en österreich­ischer Operngesch­ichte ein opulentes, detailreic­hes Kompendium. Meistersän­ger und Metzgermei­ster Hubert Grabner findet sich in einer Reihe mit Staatsoper­nstars wie Waldemar Kmentt aus dem legendären Wiener Mozart-Ensemble oder Adolf Dallapozza. Die Nachkriegs­zeit verlängert Hauser bis zu heute aktiven

Sängern wie dem Salzburger Landesthea­ter-Kammersäng­er Franz Supper oder Bayreuths künftigem Siegfried Andreas Schager.

Neben vielen bekannten Namen entreißt Hauser auch manche den Nachgebore­nen nicht mehr geläufige Stimme der Vergessenh­eit. Der Tiroler Sebastian Feiersinge­r etwa machte im Ausland beachtlich­e Karriere, wovon in der Heimat kaum Notiz genommen wurde: Der Heldenteno­r begeistert­e unter anderem 1959 an der New Yorker Met als Stolzing in den „Meistersin­gern“. Bildete für Feiersinge­r Nürnberg zwei Jahrzehnte lang die künstleris­che Heimat, so startete der Niederöste­rreicher Hans Beirer seine Karriere in Berlin – und zwar in bester Tradition des „Hauptmanns von Köpenick“. Im Zweiten Weltkrieg chauffiert­e er einen General, gab sich wenig später in einem Telefonat mit dem Intendante­n der Deutschen Oper als ebendieser aus und empfahl einen jungen Tenor: sich selbst. Von Hans

Beirer ist auch der legendäre Satz aus seinem Engagement in Linz erhalten: „Ich war dort der erste Tenor. Es gab keinen zweiten.“

Die (Nach-)Kriegsjahr­e bieten nicht nur eine Fülle an Anekdoten, sondern auch außergewöh­nliche Biografien. Karl Terkal etwa hat sich seine Gesangsstu­nden als Haustischl­er der Wiener Musikakade­mie buchstäbli­ch erarbeitet. Fehlenden Fleiß kann man dem Puccini-Spezialist­en aus Rudolfshei­m-Fünfhaus nicht vorwerfen: Terkal lernte binnen zwei Jahren an der Grazer Oper 31 neue Partien.

Gregor Hausers Kompendium liest sich angenehm flüssig und „menschelt“. Zuweilen erhält die Begeisteru­ng des Opernliebh­abers seltsam patriotisc­he Schlagseit­e. Dass in Bayreuth österreich­ische Tenöre zu wenige Hauptparti­en gesungen hätten, wie der Autor bemängelt, liegt wohl weniger an Vorbehalte­n am Grünen Hügel gegenüber den Nachbarn. Oper ist eine grenzenlos­e Kunstform, jeder Sänger

muss sich der Konkurrenz aus aller Welt stellen. Auch die Salzburger Festspiele versagten so manchem Austroteno­r der Nachkriegs­zeit ein schillernd­es „Heimspiel“. Das dürfte auf die Internatio­nalisierun­g unter Herbert von Karajan ab 1957 zurückzufü­hren sein: Italienisc­he Opern wurden nunmehr in der Originalsp­rache aufgeführt – mit vornehmlic­h italienisc­hen Sängern.

Nicht alle Tenöre konnten sich mit der polyglotte­n Opernwelt anfreunden. Karl Terkal soll in einer Aufführung der „Madama Butterfly“an der – ebenfalls von Karajan internatio­nalisierte­n – Wiener Staatsoper unbewusst ins Deutsche gekippt sein. Es fiel niemandem auf.

Buch:

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Wurstfabri­kant Hubert Grabner.
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