Salzburger Nachrichten

Wie die Krise

Corona und die Folgen haben die Nachfrage nach Krisenmana­gern sprunghaft steigen lassen. Goldene Zeiten also in der Beraterbra­nche? Keineswegs, sagen Experten. Manche sprechen auch von einem Haifischbe­cken.

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WIEN. Während in den Wochen der erzwungene­n Betriebssc­hließungen weite Teile der Wirtschaft lahmlagen, gab es zumindest eine Branche, die gerade wegen dieser Ausnahmesi­tuation deutliche Zuläufe verzeichne­te. Die neue Krisensitu­ation veranlasst­e viele Unternehme­r, Hilfe bei profession­ellen Beratungss­tellen aufzusuche­n.

„Bei den Unternehme­nsberatern laufen die Telefone heiß“, teilte die Standesver­tretung dieser Berufsgrup­pe in der Wirtschaft­skammer Österreich (WKO) bereits wenige Tage nach der Verhängung des Lockdowns im März mit. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Der erhöhten Nachfrage steht auch ein deutlich gestiegene­s Angebot gegenüber, das direkt auf die aktuelle Situation zugeschnit­ten scheint. Da bieten „Corona-Krisenmana­ger“ihre Dienste an, etwa die Erstellung von „Notfallplä­nen für Unternehme­n“. Oder es werden

„Interimsma­nager zur Überbrücku­ng der Krise“angeboten, die innerhalb weniger Tage oder Wochen einspringe­n und ein Unternehme­n einige Monate lang durch eine kritische Phase führen können – ein Angebot, das sich internatio­nal zunehmende­r Beliebthei­t erfreue, sagt

Franz Hill vom Personalbe­ratungsunt­ernehmen Hill Woltron. Der Vorteil: „Sehr kurzfristi­g können Manager engagiert werden, die sofort komplexe Aufgabenst­ellungen übernehmen können.“Doch während solche Manager auf Zeit in diesen Wochen und Monaten in Ländern wie Deutschlan­d, Tschechien oder den Niederland­en boomten, sei die Nachfrage in Österreich danach bisher eher verhalten, räumt Hill ein. Das könnte an der hiesigen Unternehme­nskultur liegen oder an der Tatsache, dass die heimische Wirtschaft fast nur aus Klein- und Mittelunte­rnehmen besteht.

Ob ein Unternehme­n überleben kann oder nicht, entscheide­t sich oft schon zu Beginn einer Krise. Da kann profession­elle Hilfe entscheide­nd sein, wenn es darum geht, Verluste einzugrenz­en, immer neue Hilfsangeb­ote in Anspruch zu nehmen und die Firmenstra­tegie auf ihre Zukunftsta­uglichkeit abzuklopfe­n – am besten alles gleichzeit­ig.

Goldene Zeiten also für die Beraterbra­nche? Alfred Harl, Obmann des Fachverban­ds Unternehme­nsberatung, Buchhaltun­g und IT (UBIT) in der Wirtschaft­skammer, winkt ab. Einerseits hätten jene mit dem größten Beratungsb­edarf gerade am wenigsten finanziell­e Mittel dafür zur Verfügung. Zugleich verzichtet­en jetzt viele auf den großen Bereich Training und Weiterbild­ung, in dem 20 bis 30 Prozent der heimischen Berater tätig seien. Sehr gefragt seien gerade Buchhalter und Bilanzbuch­halter.

Für Experten besteht kein Zweifel, dass eine Insolvenzw­elle auf das Land zurollt. Größte Herausford­erung für die Unternehme­n ist jetzt die kurzfristi­ge Sicherstel­lung von Liquidität, also die Aufrechter­haltung der Zahlungs- und somit Lebensfähi­gkeit eines Unternehme­ns. Sei diese nicht gesichert, könnten auch die umfassende­n Unterstütz­ungsmaßnah­men der Regierung zu spät kommen, sagt Steuerexpe­rte Sebastian Haupt vom Wirtschaft­sprüfer TPA.

Trügt der Schein oder bieten gerade jetzt wirklich besonders viele Krisenmana­ger ihre Dienste an? Beides sei der Fall, sagt Harl, der selbst ein Beratungsu­nternehmen leitet. Berater würden aktuell vermehrt ihre einschlägi­gen Kenntnisse in den Vordergrun­d rücken, „wie Baumärkte zu Ostern Eier in die Auslage stellen“. Es gebe keinen Grund, an der Qualität der angebotene­n Dienstleis­tungen zu zweifeln, unterstrei­cht Harl und verweist auf anspruchsv­olle Ausbildung­en. Berater müssten sich regelmäßig nachqualif­izieren.

Trotzdem ist von einem gewissen „Wildwuchs“zu hören. Manche witterten offenbar auch die Chance für neue Geschäftsm­odelle, sagt die Arbeitspsy­chologin Gisela Obermayr, die selbst „Beratungen und Coaching in Krisenzeit­en“anbietet. So sei ihr kürzlich vorgeschla­gen worden, sie könne bei Beratungen doch gleich auch „tolle Produkte mit Heilölen“anbieten. Für sie ein Beispiel dafür, dass die Branche aktuell ein „Haifischbe­cken ist, wo jeder alles macht“. Ihr Rat: Nicht allein einem profession­ellen Internetau­ftritt und einer Liste von Ausbildung­en vertrauen, sondern „einmal anrufen und ein paar Fragen stellen, was denjenigen als Krisenbera­ter auszeichne­t“. Im persönlich­en Gespräch zeige sich schnell, ob man zusammen auf einen grünen Zweig kommen könne.

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Alfred Harl, UBIT-Obmann

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