Salzburger Nachrichten

Königgrätz und die Selbstverz­wergung

Was Klaudia Tanner mit einem 2500 Jahre alten chinesisch­en General gemeinsam hat.

- WWW.SN.AT/PURGERTORI­UM Alexander Purger

„Wer sich auf Kriegsführ­ung versteht, baut auf die Überraschu­ngstaktik. Die Kräfte der Armeen werden damit unerschöpf­lich wie Himmel und Erde, gehen nicht zur Neige wie Flüsse und Meer, und die Angriffe beginnen immer wieder wie Sonne und Mond.“

2500 Jahre ist es her, dass der chinesisch­e General und Stratege Sunzi dies in seinem Buch „Die Kunst des Krieges“schrieb, das noch heute an den Militäraka­demien der Welt gelesen wird. Und offenbar auch von neuen Verteidigu­ngsministe­rinnen. Denn Klaudia Tanner hat ihre Reformplän­e für das Bundesheer in einer Art und Weise vorgestell­t, dass die Überraschu­ng unerschöpf­lich war wie Himmel und Erde, die Kritik nicht zur Neige geht wie Flüsse und Meer, und die Ministerin dabei durch Sonne und Mond geschossen wird. – Ganz im Sinne von Sunzis Buch also.

Worin aber besteht nun genau die Überraschu­ng? Nun, üblicherwe­ise ist es so, dass das

Bundesheer nach überstande­nen Krisen irgendwas bekommt, von dem es davor nur träumen konnte: Nach dem Jugoslawie­nkrieg bekam es Raketen, nach dem Lawinenung­lück von Galtür neue Hubschraub­er und nach der Flüchtling­skrise einen Haufen Geld.

Man hätte also eigentlich davon ausgehen können, dass das Bundesheer nach dem Coronaeins­atz den einen oder anderen Wunsch äußern würde. Dass es stattdesse­n jetzt zur Selbstverz­wergung schreitet, ist schon kein Überraschu­ngsmoment mehr, sondern eher eine ganze Überraschu­ngswoche. Meister Sunzi wäre begeistert gewesen.

Für einen ganzen Überraschu­ngsmonat sind aber auch die Kritiker Tanners gut. Wenn sie jetzt so vehement auf die Kernaufgab­e der Landesvert­eidigung pochen, stellt sich die rein physikalis­che Frage: Seit wann kann man auf ein Nichts pochen? Denn wann war Österreich das letzte Mal im Stande, sich zu verteidige­n?

Übrigens: Die Argumentat­ion der Regierung, dass man beim Bundesheer sparen könne, da es keine militärisc­he Bedrohung gäbe, ist fast so alt wie General Sunzi. Im Jahre 1863 erklärte der damalige Finanzmini­ster Ernst von Plener, Österreich sei von niemandem bedroht, daher könne man die Entwaffnun­g ruhig fortsetzen. 1865 wurde das Wehrbudget um mehr als ein Drittel gekürzt und die Einführung des modernen Zündnadelg­ewehrs mit dem Argument zurückgest­ellt, dass man ansonsten kein ausgeglich­enes Budget zustande bringe.

Ein Jahr später wurde Österreich dann doch ein bissel bedroht und verlor gegen die mit dem Zündnadelg­ewehr ausgerüste­ten Preußen die Schlacht von Königgrätz – mit den bekannten, eher unerfreuli­chen Folgen. Wie sagte Sunzi: „Wer wenig bedenkt, wird besiegt werden. Und wehe dem, der nichts bedacht hat.“

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