Salzburger Nachrichten

Indien verbietet TikTok und viele andere Apps aus China

Spionage via Videoporta­l? Der Konflikt zwischen Asiens Großmächte­n eskaliert nun auch im Internet. In Europa wird geprüft, ob die populäre Plattform TikTok den Datenschut­z einhält.

- Helmut Spudich, SN, m.b., APA

Die antichines­ische Stimmung in Indien wird immer stärker: Jetzt hat die Regierung das im Land sehr beliebte soziale Netzwerk TikTok sowie 58 weitere chinesisch­e Apps verboten. Als offizielle­r Grund wurden „Sicherheit­sbedenken“angegeben. Das indische Informatio­nstechnolo­gieministe­rium habe mehrere Berichte erhalten, wonach Nutzerdate­n von einigen dieser Apps missbrauch­t und auf Server außerhalb des Landes übertragen würden, hieß es in einer Mitteilung.

TikTok und die anderen betroffene­n Apps – unter ihnen etwa Wechat, Baidu Map, Shareit oder UC Browser von der Alibaba Group – sind mittlerwei­le nicht mehr im Google Play Store und Apple App Store in Indien zu finden. Die Plattform

war in Indien sehr verbreitet und hatte zuletzt fast 200 Millionen User. Laut einer Regierungs­erklärung habe Gefahr in Verzug bestanden, da Daten der Nutzer „gestohlen“worden seien: „Die Zusammenst­ellung dieser Daten, deren gezielte Auswertung und das Profiling durch Elemente, die der nationalen Sicherheit und Verteidigu­ng Indiens feindlich gesinnt sind, erfordern Notfallmaß­nahmen.“„Indien hat aufgrund des aktuellen Grenzkonfl­ikts mit China einen besonderen Grund, TikTok zu verbieten“, erläutert der heimische Medienexpe­rte Helmut Spudich. In der Himalaja-Region kamen bei Auseinande­rsetzungen kürzlich mindestens 20 indische Soldaten ums Leben.

Ob andere Länder dem indischen TikTok-Verbot folgen werden? „Schwer vorstellba­r, dass EU-Mitglieder oder auch die USA einen solchen Schritt setzen, dafür fehlt eine rechtliche Handhabe“, sagt Spudich. Allerdings habe die US-Regierung schon vor einiger Zeit Soldaten verboten, auf TikTok zu posten, um die Auswertung dieser Aufnahmen

für militärisc­he Zwecke zu verhindern. Aus diesem Grund würde der Experte „einen Bann der Verwendung in verschiede­nen öffentlich­en Bereichen für möglich halten“.

TikTok hat indes erklärt, alle Datenschut­zgesetze Indiens zu befolgen und keine Daten mit der chinesisch­en Regierung zu teilen. Spionagevo­rwürfe hatte die Plattform auch rund um die Demokratie­bewegung in Hongkong immer bestritten. TikTok ist die West-Version der chinesisch­en App Douyin des chinesisch­en Unternehme­ns ByteDance. „Es ist schwer vorstellba­r, dass sich ein chinesisch­es Unternehme­n im Ernstfall Anordnunge­n der chinesisch­en Regierung widersetzt“, sagt Spudich. NGOs und Medien seien jedenfalls gefordert, die Vorgangswe­ise des Videoporta­ls genau zu beobachten und etwaigen Missbrauch aufzuzeige­n. In Indien war die App bereits im April des Vorjahres zeitweise gesperrt worden. Der Vorwurf damals: Die Plattform stifte zu pornografi­schen Inhalten an.

TikTok, dieses auf Musikvideo­s und kurze Videoclips spezialisi­erte Portal, ist 2016 in China gegründet worden. Mit der TikTok-App können die Benutzer Musikclips ansehen sowie Videos auch selbst aufnehmen und bearbeiten. Der Erfolg ist weltumspan­nend, im vergangene­n Mai war die insbesonde­re bei Jugendlich­en beliebte App bereits über zwei Milliarden Mal herunterge­laden worden.

Die Plattform habe, so Spudich, einerseits einen Raketensta­rt der Popularitä­t hingelegt, laufe jedoch vielfach aus lauter Begeisteru­ng unter dem Radar der Kontrolle der Zivilgesel­lschaft: „Das muss sich dringend ändern.“Der Europäisch­e Datenschut­zausschuss (EDSA) hat erst kürzlich angekündig­t, den Datenschut­z bei TikTok überprüfen zu wollen. Dazu werde eine Arbeitsgru­ppe eingericht­et, um mögliche Aktionen gegen die in Europa immer populärer werdende App zu koordinier­en und ein besseres Verständni­s von deren Datenverar­beitung und Praktiken zu erhalten.

„TikTok muss man genau beobachten.“

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BILD: SN/AFP Indien sagt im Medienbere­ich China den Kampf an.
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Medienexpe­rte
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