Jedes Eigentum ist von Gott treuhändig gegeben
HEDWIG KAINBERGER
Das Wort „Mammon“stammt aus dem Aramäischen, einer alten Sprachfamilie im heutigen Nahen Osten. Seine neutrale Bedeutung von „Vermögen“und „Besitz“sei in Literatur und Volksmeinung mutiert „zu einem Dämon, der den Menschen zu Geiz und Habgier verfügt“, sagte der Moderator und frühere ORF-Redakteur Michael Kerbler zu Beginn des Salzburger Festspiel-Symposiums, das – in der Tradition der früheren Festspiel-Dialoge – einen Aspekt des Programms mit Intellektuellen vertieft und ausbreitet.
Im Jubiläumsjahr sind die auf drei Tage aufgeteilten Vorträge und Podiumsgespräche, die coronabedingt nicht im Schüttkasten, sondern in der Großen Aula stattfinden, dem „Jedermann“gewidmet. Dieser habe nach 100 Jahren und über 700 Aufführungen „erstaunliche Aktualität“, betonte Präsidentin Helga Rabl-Stadler. Der erste von drei Vormittagen – vor Tod und Liebe – war am Donnerstag dem Geld gewidmet, oder wie die Präsidentin ausführte: „Wie gelingt es dem Dichter trotz altertümelnder Sprache, die Probleme von heute vor Augen zu führen“– Gier, Geiz, Machtmissbrauch oder Mangel an Respekt? Das als Titel des ersten Tags gewählte jedermännische Zitat ist aus der Schuldknecht-Szene:
„Des Satans Fangnetz in der Welt hat keinen anderen Nam als Geld.“
In jeder ethischen Konzeption und jeder Theorie der Gerechtigkeit spiele Geld eine Rolle, erläuterte die Philosophin Lisz Hirn. Als Gegenposition zur Auffassung, Geld sei geistlos und trivial, zitierte sie den Philosophen Georg Simmel, von dessen „Philosophie des Geldes“sich Hofmannsthal für den „Jedermann“hat inspirieren lassen: Geld sei Ausdruck einer außerordentlich Abstraktionsleistung, es mache Dinge und Leistungen messbar und vergleichbar. Zudem verleite es uns, den Wert eines Dings zu über- oder unterschätzen. Der Preis bestimme die Meinung über die Qualität, was bewirke, dass Menschen „durch die Dinge am Körper und um den Körper reicher oder ärmer erscheinen“.
Passen Reichtum und Weisheit zusammen? Michael Kerbler erinnerte an den Kirchenlehrer Basilius, der im vierten Jahrhundert gesagt haben soll, Privateigentum sei Gotteseigentum und dem Menschen treuhändig gegeben. Lisz Hirn verwies auf Seneca. Demnach spiele Reichtum für den Weisen eine dienende Rolle, für den Toren eine herrschende. Der Narr lasse sich von Sicherheit und Komfort blenden und werde von Bedrohungen überrollt. Dem Weisen sei bewusst, er könne jederzeit alles verlieren.
Der Wirtschaftsethiker Christian Neuhäuser bot als Erklärungshilfe zur Frage, was „ist Dein gebührend richtig Teil?“, eine Definition von „reich“: „Wenn jemand deutlich mehr Geld hat, als er braucht, um in Würde und Selbstachtung leben zu können.“Kritik an Reichtum sei nicht gleichbedeutend mit Neid. Denn ungerecht verteilter Reichtum sei dreifach gefährlich. Wenn wenige Reiche den politischen Prozess über Medien und Lobbying beeinflussten, störe dies eine faire Demokratie. Bedenklich sei etwa, dass es in den USA keinen Spitzenpolitiker gebe, der nicht selbst reich sei.
Zweitens unterlaufe eine extreme Reichtumsverteilung die faire Chance aller, mit Klugheit und Tüchtigkeit selbst reich zu werden. Drittens störe exzessiver Reichtum die kulturelle Teilhabe: Wie man sich kleide, wo und wie man urlaube, werde mittlerweile fast ausschließlich über Märkte bestimmt.
Andreas Treichl, Aufsichtsratsvorsitzender der Erste-Stiftung, führte den Begriff der „finanziellen Gesundheit“ein. Diese sei nach der physischen Gesundheit das zweitgrößte Glück. Finanziell gesund sei, wer nicht bei jeder Ausgabe grübeln müsse: „Kann ich mir das leisten?“und wer nicht bange, in zehn oder 20 Jahren zu wenig Geld zu haben.