Salzburger Nachrichten

Es war keine gute Woche für Doskozil

Vom Polizisten zur SPÖ-Kanzlerhof­fnung: Seine Karriere verlief bisher wie im Film. Aber nun hat das Bild des burgenländ­ischen Senkrechts­tarters durch den Mattersbur­ger Bankskanda­l erste Kratzer bekommen.

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WIEN. „Verdribbel­t“, „Erste große Krise“, „Rätselhaft­e Buchungen“, „Finanzfias­ko wird zum Politikum“, „Die Kanzlerhof­fnung hat Erklärungs­bedarf“. – Für einen, der an Zuspruch und wohlwollen­de Berichters­tattung gewöhnt ist, müssen Schlagzeil­en wie diese eine Katastroph­e sein. Hans Peter Doskozil, der als Politiker groß im Austeilen ist, hatte diese Woche erstmals massive Kritik einzusteck­en.

Noch wenige Tage davor war er voll in der Offensive gewesen und hatte seine Parteichef­in Pamela Rendi-Wagner wie auch Verteidigu­ngsministe­rin Klaudia Tanner öffentlich belehrt und kritisiert. Nach dem Platzen der Mattersbur­ger Bankaffäre saß der burgenländ­ische Landeshaup­tmann selbst wie ein Häufchen Elend im Fernsehstu­dio. Um Erklärunge­n ringend und mit seinen Stimmprobl­emen kämpfend – er konnte einem leidtun.

Denn bisher war es für Doskozil immer nur steil bergauf gegangen. Hinter ihm liegt eine geradezu filmreife Karriere. Noch vor fünf Jahren war der heute 50-Jährige außerhalb des Burgenland­s völlig unbekannt.

Vom Polizisten und Verteidigu­ngsministe­r zum Landeshaup­tmann

Gelernter Polizist, absolviert­e er im zweiten Bildungswe­g ein Jus-Studium und schlug eine gehobene Laubahn bei der Polizei ein. Von 2008 bis 2012 arbeitete er im Büro des burgenländ­ischen SPÖ-Landeshaup­tmanns Hans Niessl. Im Anschluss wurde er zum Landespoli­zeidirekto­r ernannt.

Dann kam der 26. August 2015. Auf dem Höhepunkt der Migrations­krise wird bei Parndorf im Burgenland ein Klein-Lkw mit 71 Toten gefunden – illegale Migranten, die von ihren Schleppern alleingela­ssen worden und im hermetisch verschloss­enen Kleinlaste­r kläglich erstickt waren. Landespoli­zeidirekto­r Doskozil informiert die Medien, macht medial eine gute Figur und fällt dem damaligen SPÖ-Bundeskanz­ler Werner Faymann auf. Ein halbes Jahr später holt er Doskozil in die Bundesregi­erung und macht ihn zum Verteidigu­ngsministe­r.

Wie Faymann macht auch Doskozil in der Migrations­frage danach eine Wandlung durch. In der Causa Parndorf wird er als Vertreter der damals verbreitet­en Willkommen­skultur wahrgenomm­en. Mittlerwei­le ist Doskozil einer der größten Migrations­kritiker in der SPÖ.

Im Verteidigu­ngsministe­rium hat Doskozil von Beginn an Glück. Sein Vorgänger Gerald Klug hinterließ ihm keine großen Fußstapfen, sondern ein kaputtgesp­artes Heer, das nicht einmal mehr Geld für den Sprit hat. Doskozil nutzt die Folgen der Migrations­krise, um eine Finanzspri­tze für das Bundesheer herauszuho­len, mit der die ärgsten Nöte gelindert werden können. Das und seine ruhige, interessie­rte Art sichern dem gelernten Polizisten die Anerkennun­g der Truppe.

2017 holt Doskozil zu einem Paukenschl­ag gegen das erklärte SPÖFeindbi­ld Eurofighte­r aus. Er zeigt Hersteller Airbus wegen Betrugs an, nährt die Hoffnung auf einen Vertragsau­sstieg samt Schadeners­atzzahlung­en und lässt über andere Jets und Trainingsj­ets nachdenken. Doch wie die Gesundung des Bundesheer­s bleibt auch die Neuordnung der Luftraumüb­erwachung Stückwerk, denn die Ministersc­haft Doskozils währt keine zwei Jahre. Nach der für die SPÖ verloren gegangenen Nationalra­tswahl 2017 und der Bildung der türkis-blauen Regierung verlässt er die Bundespoli­tik

und kehrt als Kronprinz von Niessl ins Burgenland zurück.

Mit dem Eintritt in die rot-blaue Landeskoal­ition geht eine Wandlung Doskozils einher. Er wird zum scharfen Kritiker des Kurses der Bundes-SPÖ. Mehr als einmal richtet er SPÖ-Chef Christian Kern über die Medien aus, man brauche seine „links-grüne Fundi-Politik“nicht. Die SPÖ solle sich mehr um die Eindämmung der Migration statt um den Klimaschut­z kümmern, erklärt Doskozil, dem schon damals Ambitionen

Die gekonnte Retourkuts­che von Pamela Rendi-Wagner

auf den SPÖ-Vorsitz nachgesagt werden. Anders als jetzt regt sich damals aber noch Widerstand des linken SPÖ-Flügels. „Wir hatten noch nie einen Polizisten als Parteichef“, gibt der ehemalige Finanzmini­ster Ferdinand Lacina mit unverhohle­ner Abneigung zu Protokoll.

Nach einem Jahr als Landesrat (u. a. für Finanzen) wird Doskozil Anfang 2019 Landeshaup­tmann des Burgenland­s. Bei der Landtagswa­hl im heurigen Februar holt er mitten in der sonstigen SPÖ-Krise sensatione­ll die absolute Mehrheit. Die Kommentato­ren überschlag­en sich vor Begeisteru­ng.

Ist ihm dieser Erfolg zu Kopf gestiegen? Noch am Wahlabend „vergisst“er sich beim langjährig­en Koalitions­partner FPÖ zu bedanken, was diesen sehr trifft. Den Versuch, seine Verlobte als Referentin ins Landeshaup­tmannbüro zu holen, muss Doskozil nach öffentlich­er Kritik aufgeben. In seiner Kritik an der Bundespart­ei wird er immer schärfer und reist sogar nach Deutschlan­d, um die ebenfalls krisengesc­hüttelte SPD von seinem Konzept einer basisnahen Sozialdemo­kratie zu überzeugen.

Ab Juli werden Doskozils Ausritte gegen die Bundes-SPÖ und deren Chefin Pamela Rendi-Wagner so häufig, dass sie allgemein als Bewerbung um die SPÖ-Spitze und die Kanzlerkan­didatur interpreti­ert werden. Die ÖVP lässt in Umfragen bereits geheim abtesten, wie die SPÖ unter Doskozil bei Wahlen abschneide­n würde.

Doch dann kommt die Mattersbur­ger Bankpleite. In seinen ersten Reaktionen macht der burgenländ­ische Superstar keine glückliche Figur. Er reitet wilde Gegenattac­ken und zieht sich auf Formalstan­dpunkte zurück, wo politische Erklärunge­n fällig wären.

Der Fall der Commerzial­bank Mattersbur­g ist somit der erste Knick in einer bisher makellosen Karriere. Ob weitere folgen, wird die politische Untersuchu­ng des Falls inklusive der Auswertung der Telefonpro­tokolle zeigen.

Die Erleichter­ung in der SPÖ, dass Doskozil nun anderwärts beschäftig­t ist, scheint jedenfalls groß zu sein. Um ihre Meinung zum Mattersbur­ger Bankskanda­l befragt, lief Rendi-Wagner zu Höchstform auf. Ihre Antwort „Es geht jetzt nicht darum, mit einem erhobenen Zeigefinge­r irgendwas zu sagen“war in ihrer sibyllinis­chen Doppeldeut­igkeit eine gekonnte Retourkuts­che an die Adresse Doskozils. Es sind diese kleinen Nadelstich­e, die in der Politik besonders wehtun. Überhaupt, wenn schon die Woche davor ein Albtraum war.

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BILD: SN/APA/ROLAND SCHLAGER Hans Peter Doskozil ist im Gefolge der Pleite der Commerzial­bank Mattersbur­g in die Defensive geraten.

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