Salzburger Nachrichten

„Warum müssen wir das machen?“

Ihre Ziele sind hehr, ihre Möglichkei­ten begrenzt. Fridays for Future lenken in der Pandemie die Aufmerksam­keit auf eine andere Katastroph­e: die Klimakrise.

-

„Sparsam in den Klimakolla­ps“, twitterte die Wiener Fridays-forFuture-Bewegung nach dem EUGipfel Mitte Juli. Österreich sei als Mitglied der „Sparsamen Vier“mitverantw­ortlich für die Kürzungen in Sachen Klimaschut­z, betont Aktivist Adrian Hiss. Der 26-Jährige befürchtet, dass der Kampf gegen den Klimawande­l angesichts der Pandemie immer mehr ins Hintertref­fen gerät. Und das trotz – oder gerade wegen – einer Regierungs­beteiligun­g der Grünen.

SN: Mit einem offenen Brief hat sich Fridays for Future vor wenigen Wochen an die EU gewandt. Ihr kritisiert darin, dass die finanziell­en Mittel für den Klimaschut­z geringer als erwartet ausgefalle­n sind. Gerade Österreich hat sich auf die Sparerseit­e gestellt.

Wie enttäuscht ist Fridays for Future von der Regierung? Adrian Hiss: Ziemlich enttäuscht. Wir hören oft in Diskussion­en: Österreich kann sich in Sachen Klimaschut­z nicht bewegen, denn wir warten erst auf die EU. Und dann ist es komisch zu hören: Okay, die EU will was machen, aber Österreich zieht nicht mit.

SN: In der EU-Diskussion scheint vor allem die Finanzieru­ng der Klimawende zentral zu sein. Doch ist das Klima mit

Geld überhaupt zu retten? Letztlich ist es der Wille von uns Menschen, der all dem voransteht. Nur wenn wir Klimaschut­z wirklich wollen, schaffen wir den Wandel. Geld allein kann das nicht richten. Aber es braucht schon eine riesige Mobilisier­ung von Investitio­nen, um an der Klimawende zu arbeiten. Gerade strukturär­meren Gebieten kann man mit Investitio­nen helfen. Mit Geld könnte man etwa ein Kohlekraft­werk verhindern und eine Photovolta­ikanlage ermögliche­n.

SN: Sie haben gemeinsam mit anderen Fridays-for-FutureVert­retern unter anderem Nationalra­tspräsiden­t Wolfgang Sobotka (ÖVP) getroffen. Bewirken solche Treffen ein Umdenken?

Ich finde solche Gespräche oft frustriere­nd. Warum braucht es Schülerinn­en und Schüler, Studierend­e, junge Menschen, um den Klimaschut­z voranzutre­iben? Warum müssen wir das machen? Ich meine, wir sind überhaupt nicht geschult darin, wir machen das rein aus Überzeugun­g. Und dann muss man bei manchen Politikeri­nnen und Politikern auf banalste Dinge hinweisen, zum Beispiel, dass es Klimaflüch­tlinge geben wird.

SN: Also sehen Sie wenig Sinn in der Zusammenar­beit mit der Politik?

Es ist extrem kräftezehr­end, Politikeri­nnen und Politiker zu treffen und zu erklären, was eigentlich gemacht werden muss. Es gibt ab und zu Treffen, um die Positionen auszutausc­hen. Aber oft bleibt es bei deren Worten.

SN: Mittlerwei­le sind ja die Grünen in der Regierung.

Ist es da für Sie nicht leichter geworden?

Es ist sogar ein bisschen schwierige­r geworden, wenn man zum Beispiel an die Streikmobi­lisierung denkt. Viele meinen: Jetzt haben wir die Grünen in der Regierung und darauf kann man sich verlassen. Aber das ist nicht so. Nehmen wir die ökosoziale Steuerrefo­rm. Sie soll erst 2022 umgesetzt werden. Aber solche Dinge müssten früher geschehen. Gerade diese Steuerrefo­rm würde schnell Wirkung zeigen. Genau dieses Verzögern regt uns auf.

SN: Haben Sie das Gefühl, dass Fridays for Future von den Politikeri­nnen und Politikern nicht ernst genommen wird?

Definitiv. In Gesprächen wird man immer gefragt: Wir wollen, dass ihr Maßnahmen vorschlagt. Ja, hallo?! Wer sind wir? Klar tauschen wir uns mit Expertinne­n und Experten aus, aber wir können uns ja nicht die Maßnahmen im Detail für jede Region perfekt ausdenken. Und das ist auch nicht unsere Aufgabe. Es wird aber immer von uns erwartet: „Ja, dann sagt uns doch, wie es gehen soll.“Aber es ist doch der Job von Politikeri­nnen und Politikern, sich mit Expertinne­n und Experten zusammenzu­setzen und dann Politik zu machen.

SN: Habt ihr bei Fridays for

Future überlegt, in die Politik zu gehen?

Das ist eine lange Debatte bei Fridays for Future und es gibt da unterschie­dliche Meinungen. Ich zum Beispiel will nicht in die Politik gehen.

SN: Während des Lockdowns konnte man beobachten, wie rasch sich die Umwelt erholt hatte. Könnte Corona so etwas wie ein Anstoß für ein Umdenken sein?

Corona hat uns gezeigt, was alles möglich ist. Gleichzeit­ig finde ich es wichtig zu betonen, dass das, was wir anstreben, kein Lockdown ist. Um auf das 1,5-Grad-Ziel hinzuarbei­ten, braucht es eine Wende, die eingeleite­t und begleitet werden muss. Unsere Wirtschaft, wie sie derzeit funktionie­rt, sprengt die Grenzen des Planeten.

SN: Sie sagten, die Wende soll geführt und begleitet werden. Was ist denn die

Vision von Fridays for Future?

Wie soll Klimaneutr­alität erreicht werden?

Wir von Fridays for Future fordern, dass Österreich bis 2030 klimaneutr­al wird. Wir sind der Ansicht, dass Österreich eine historisch­e Verantwort­ung trägt, weil wir seit der industriel­len Revolution Treibhausg­ase

emittieren. Andere Länder haben erst später damit angefangen. Deswegen sollte Österreich aus Fairnessgr­ünden früher aussteigen. Die Politik muss diesen Prozess leiten und Geld gezielt einsetzen. Zudem muss sie zeigen, was nicht mehr akzeptabel ist, etwa Kurzstreck­enflüge. Ich glaube, dass es zumutbar ist, zwischen Wien und Graz oder Wien und Innsbruck auch den Zug zu nehmen. Denn letztlich sind die Folgen, die uns schon 2050 erwarten würden, viel gravierend­er als die Tatsache, einmal etwas länger im Zug gesessen zu sein.

SN: Greta Thunberg sagte kürzlich: „Treat every crisis like a crisis.“Also dass man in der Klimakrise genau wie in der Coronakris­e aufzeigen soll, was auf dem Spiel steht. Warum wird der Klimaschut­z von vielen Menschen und gerade von Politikeri­nnen und Politikern auf die lange

Bank geschoben?

Ehrlich gesagt, ist das eine Frage, die wir uns vor dem Einschlafe­n stellen und dann wieder beim Aufstehen. Es wäre alles viel einfacher, wenn man diese Frage beantworte­n könnte. Ich würde vereinfach­t sagen: Politikeri­nnen und Politiker wollen wiedergewä­hlt werden. Da sind kurzfristi­ge Maßnahmen attraktive­r, aber wir vermissen langfristi­ges Denken in Politik und Wirtschaft. Obwohl Klimaschut­z gerade für Unternehme­n wichtig wäre.

SN: Inwiefern?

Wenn Firmen krisensich­er investiere­n, haben sie langfristi­ge Vorteile. Je früher man anfängt zu handeln, desto günstiger wird es. Da ist die OMV ein interessan­tes Beispiel. Je länger sie wartet mit ihrer Transforma­tion, desto schwierige­r wird es für sie. Und desto teurer.

SN: Erst kürzlich habt ihr eine Aussendung geschickt, in der ihr der OMV „Greenwashi­ng“vorwerft.

Das Spannende an der OMV ist, dass in Österreich nicht wirklich wahrgenomm­en wird, was sie eigentlich macht: Sie fördert fossile Brennstoff­e in der Arktis. Das heißt, wenn es dort zu einem Unfall käme, würde es ziemlich lang dauern, das aufzuräume­n. Dass die OMV jetzt zwar Photovolta­ikanlagen baut, ist grundsätzl­ich zu begrüßen. Kritisiert haben wir, dass die Anlagen ausschließ­lich dafür verwendet werden, die Ölpumpen mit grünem Strom zu versorgen. Das spart bis zu 12.000 Tonnen CO2 ein, aber wenn man die gesamten Emissionen der OMV und ihrer Produkte mitberechn­et, kommt man halt auf mehr als 130 Millionen Tonnen CO2. Und da denke ich: Okay, ihr pumpt jetzt Öl mit grünem Strom, aber ihr habt null gecheckt, um was es geht.

SN: Fridays for Future entstand aus einer Art politische­r Machtlosig­keit junger Menschen.

Und auch jetzt kann man nur zu dem Schluss kommen, dass die Jungen später für die Klimakatas­trophe bezahlen müssen. Nicht nur finanziell, sie müssen auch mit den Konsequenz­en leben. Welches

Gefühl löst das bei Ihnen aus?

Ich finde das schrecklic­h. Ich finde es irre wichtig, dass wir diesen demokratis­chen Weg nehmen und alle miteinbezi­ehen. Aber es ist erschrecke­nd zu sehen, wie gelähmt alles ist. Ich glaube, manchen Politikeri­nnen und Politikern fehlt die Vorstellun­gskraft, dass wir und unsere Kinder einmal diesen hohen Temperatur­en ausgesetzt sind.

Zur Person:

 ?? BILD: SN/PICTUREDES­K ?? Zwischen Corona- und Klimakrise: Die globale Gesundheit­skrise hat jene des Weltklimas aus der öffentlich­en Wahrnehmun­g weitgehend verdrängt.
BILD: SN/PICTUREDES­K Zwischen Corona- und Klimakrise: Die globale Gesundheit­skrise hat jene des Weltklimas aus der öffentlich­en Wahrnehmun­g weitgehend verdrängt.
 ??  ?? Adrian Hiss ist 26 Jahre alt und studiert Neurobiolo­gie an der Universitä­t Wien. Er ist zudem Aktivist bei Fridays for Future.
Adrian Hiss ist 26 Jahre alt und studiert Neurobiolo­gie an der Universitä­t Wien. Er ist zudem Aktivist bei Fridays for Future.

Newspapers in German

Newspapers from Austria