„Ein Stück globales Leben für diese Stadt“
Ein weltweites Netz baut die Sommerakademie heuer trotz Corona. Ihre Direktorin spricht über das Ausnahmejahr und zieht zum Abschied Bilanz.
„Man muss einfach die Tür hinter sich zumachen können“, sagt Hildegund Amanshauser zu ihrem Abschied: Zuvor öffnet sie am Wochenende aber zum letzten Mal als Direktorin der Internationalen Sommerakademie für Bildende Kunst die Türen der Festung für Studierende und Kunststars, die in Salzburg lehren. Erstmals wird auch in Internetklassen unterrichtet, weil viele Teilnehmende und Lehrende, die sonst aus aller Welt kommen, nicht reisen können.
SN: Wegen der Coronakrise schien es heuer kurz unsicher, ob Kurse und Veranstaltungen überhaupt stattfinden könnten. Was würde denn in der Stadt ohne Sommerakademie fehlen?
Hildegund Amanshauser: Die Sommerakademie ist eine Institution, die ein Stück globales Leben in die Stadt bringt – auch wenn das heuer zum Teil nur via Internet sichtbar sein wird. Wir sind eine sehr kleine Institution. Wenn wir uns etwa mit den Salzburger Festspielen vergleichen in Bezug auf Einnahmen, Budget oder die Menschen, die wegen uns nach Salzburg kommen, sind wir ein Zwerg. Aber in der Produktion von Kunst, in ihrer Vermittlung und im Kunstdiskurs, da sind wir tatsächlich groß und global sehr gut aufgestellt.
SN: Unter welchen Bedingungen finden die Kurse heuer statt?
Die Sommerakademie ist heuer hybrid: Es werden Kurse vor Ort auf der Festung und im Steinbruch Fürstenbrunn angeboten, andere finden online statt und einige in einer Mischform. Gleich nach dem Lockdown war für uns klar, und das haben wir auch kommuniziert, dass die Sommerakademie auf jeden Fall stattfinden wird, entweder wie geplant oder online oder eben hybrid.
Im Dialog mit dem Team und allen Lehrenden hat sich dann langsam das jetzige Konzept entwickelt.
Ich erinnere mich an einen schönen Moment, als ich an einem Samstag im Furtwänglerpark saß und mich der Maler Tobias Pils anrief. Er sagte: „Es wurden alle meine Ausstellungsprojekte in nächster Zeit abgesagt, mir wird langsam langweilig im Atelier. Ich habe große Lust, im Sommer auf der Festung zu unterrichten, auch wenn nur zehn Studierende in die Klasse dürfen!“Diese Idee habe ich sofort aufgegriffen und auch Kulturlandesrat Heinrich Schellhorn kommuniziert, so hat sich nach und nach das hybride Format herauskristallisiert. In der Folge haben wir die Dauer der Sommerakademie auf zwei Wochen, mit der Ausnahme Steinbruch, der vier Wochen ist, verdichtet.
SN: Was bedeutet das finanziell?
Es geht sich aus. Vorgabe war, dass wir kein Minus machen. Nun sind wir besser gebucht als gedacht. Viele Kurse waren rasch ausgebucht.
SN: Von 19 Kursen finden elf statt. Welche wurden abgesagt?
Das waren jene Kurse in künstlerischen Medien, die digital nicht so gut vermittelt werden können, also Zeichnung, Malerei, Druckgrafik von Lehrenden, bei denen klar war, dass sie nicht anreisen können, also zum Beispiel aus Kanada oder Georgien. In den Onlinekursen, die sich mit künstlerischer Produktion in digitalen Medien befassen, haben wir natürlich Lehrende und Studierende aus der ganzen Welt.
SN: Auf der Festung können heuer nur Teilnehmende aus Österreich und dem näheren Europa in den Klassen sitzen.
Ist das eine Parallele zu den Anfängen der Akademie, die Oskar Kokoschka 1953 gründete?
Nein, nein! Die Idee von Kokoschka war immer international, nur dass „international“im Kalten Krieg eben Westeuropa und Nordamerika bedeutete. In den 1960er- und 1970er-Jahren sind dann viele Teilnehmer aus arabischen Ländern gekommen oder aus Indien. Vom Anspruch war die Sommerakademie immer global. Aber je nachdem, wie die Welt sich veränderte, hat das etwas anderes bedeutet. In den Teilnehmerlisten spiegeln sich stets die politischen Verhältnisse der Zeit.
SN: Was ist von Kokoschkas
Zielen bis heute geblieben, was hat sich verändert?
Seine zwei Prinzipien gelten nach wie vor: dass wir international aufgestellt sind und dass Teilnehmende mit jedem Alter und Bildungshintergrund hier studieren können. Das war schon eine bahnbrechende Idee, weil durch diesen Mix eine eigene Dynamik entsteht. Erfolgreich ist diese Arbeit freilich nur, wenn der richtige Mix zusammenkommt. Genau daran habe ich immer gearbeitet. Die Sommerakademie ist nur so gut wie die Menschen, die hier miteinander produzieren.
Heute bewegen wir uns in einem weltweiten, bildungsindustriellen Sektor, das hat 1953 ganz anders ausgeschaut. Auch der Diskurs über Kunst hat sich radikal gewandelt und weiterentwickelt.
SN: Inwiefern?
1953 war es noch kein Thema, dass der Blick auf die Welt aus einer eurozentristischen Perspektive problematisch sein könnte. Heute leben wir im Postkolonialismus. Und genau das fand ich in den letzten Jahren das Spannende, hier einen Raum jenseits des Eurozentrismus zu schaffen, für eine neue Art, zusammenzuarbeiten, Kunst zu produzieren und gemeinsam mit Menschen aus der ganzen Welt anders und neu darüber nachzudenken.
SN: Sie haben in Symposien in Salzburg den Begriff der „Globalen Kunst“, später der „Planetaren Kunst“etabliert.
Für mich und viele andere in der Kunstwelt ist dieser Diskurs heute zentral: Spätestens seit den 1990erJahren war klar, wie stark der Blick auf die Welt und die Kunst aus europäischer Perspektive auf der Geschichte des Kolonialismus beruht. Diese Geschichte können wir zwar nicht ändern, aber wir können die Haltung ändern. Heute geht es darum, Kunst der ganzen Welt zu betrachten und nicht so zu tun, als ob wir in Europa und Nordamerika die ganze Welt wären.
Wir haben Salzburg zum Ort für diese Diskurse gemacht. Und wir haben ein wachsendes Netzwerk aufgebaut, das die Basis für unsere Arbeit bildet.
SN: Wenn Sie zum Abschied einen Blick auf die Sommerakademie werfen: Was bräuchte sie am dringendsten?
Da gebe ich keine Empfehlungen. Es ist schwer genug, den Abschied zu akzeptieren! Ich freue mich über meine Nachfolgerin Sophie Goltz, die wird das ausgezeichnet machen! Ich finde, man muss die Tür hinter sich schließen und den Nachfolgern vertrauen, dass sie es wieder besser machen als man selbst. Was die Struktur betrifft, ist bekannt, dass ich denke, dass die Sommerakademie dringend ausgegliedert werden muss. Sie ist nominell eine „betriebsähnliche Einrichtung des Landes“, aber meiner Ansicht nach ist sie einfach eine nachgeordnete Dienststelle, das kann nicht dauerhaft gut gehen. Wir sind eine Dienststelle des Landes und sollen zugleich ein Kunstbetrieb sein, der sich jedes Jahr neu erfinden, also extrem innovationsfreudig und wendig sein muss. Das ist strukturell nicht sinnvoll, vor allem was das Budget und das Personal angeht.
SN: In vielen Betrieben stellt sich auch die Frage, was die Coronazäsur verändert. Wie wird sie in der Kunst nachwirken?
Hybride Formate helfen Flugreisen zu reduzieren, umgehen Visaprobleme. Allerdings wäre es vermessen zu glauben, dass jemand, der etwa in einem afrikanischen Land kein Visum kriegt, stattdessen problemlos an einem Onlinekurs teilnehmen kann. Ich bin sicher, dass Veranstaltungen, Kurse wie Konferenzen künftig sicher flexibler werden und sich die hybriden Formate weiter entwickeln werden.
Zur Person:
Hildegund Amanshauser leitet seit 2009 die Internationale Sommerakademie für Bildende Kunst. „Neue Horizonte“heißt das Programm, mit dem sie als Direktorin in Pension geht. Das aktuelle Buch „Navigating the Planetary“, das die Kunstexpertin mit Kimberley Bradley herausgegeben hat, wird am 20. 8. präsentiert. Details zu aktuellen Kursen und Veranstaltungen im Netz: