Briten planen neues AKW
Österreich beteiligt sich am Verfahren zur Umweltverträglichkeitsprüfung. Atomgegner zweifeln indessen erheblich daran, ob ein Einspruch am geplanten Bau etwas ändern könnte.
WIEN. Im Fischerdorf Sizewell an der Ostküste Großbritanniens soll eine neue Kernkraftwerkanlage entstehen – Sizewell C. Sizewell A wurde im Jahr 2006 abgeschaltet, die geplante Abschaltung von Sizewell B soll im Jahr 2035 stattfinden.
Für den Neubau hat Großbritannien nun ein Genehmigungsverfahren mit einer grenzüberschreitenden Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) eingeleitet – nach britischem Recht und der Espoo-Konvention. Diese regelt die Beteiligung betroffener Staaten an UVP-Verfahren in anderen Staaten, wenn bei geplanten Projekten mit erheblichen grenzüberschreitenden Auswirkungen wie Emissionen zu rechnen ist. Bei Sizewell C wurden die Unterlagen nun vonseiten der Betreiber zugänglich gemacht. So erhielt das österreichische Umweltbundesamt einen Link zu rund 600 Dokumenten, wie Franz Meister erklärte. Er ist Experte für Industrie und Energieerzeugung im Umweltbundesamt. „Wir haben alle Dokumente durchgesehen und jene herausdestilliert, die für Österreich wichtig sein könnten.“Die Briten seien der Ansicht, dass es in der Anlage keine schweren Unfälle geben könne, bei denen es zu einer relevanten Freisetzung von Radioaktivität kommen könnte. „Das wird zu diskutieren sein“, sagte Meister.
Bei einem genaueren Blick auf österreichische Gletscher „sieht man, dass diese relativ schwarz sind“. Dabei
handle es sich nicht nur um Asche aus dem Ruhrpott, auch britische Kohlekraftwerke hätten daran einen nicht unbedeutenden Anteil. „Zu argumentieren, dass wir von dort keinen Wind bekommen, wird schwierig. Wir liegen in der Westwindwetterlage“, erklärt der Experte. Man werde auch eine technische Diskussion darüber führen müssen, wie es möglich sein soll, dass selbst bei einem schweren Atomunfall keine Radioaktivität freigesetzt würde. Rein rechnerisch gebe es bei dem geplanten Reaktortyp in Sizewell eine geringe Wahrscheinlichkeit, „aber diese geht nicht gegen null, das ist der kritische Punkt. Man kann es nicht ausschließen.“
Das Umweltbundesamt werde für das Umweltministerium eine Stellungnahme ausarbeiten. Diese werde aber erst gegen Ende der Frist am 4. September fertig, sagte Meister. Auch Privatpersonen können bis dahin eine Stellungnahme bei den jeweiligen Landesregierungen einreichen. Meister rät, diese in englischer Sprache zu verfassen. Zudem kann sich jeder bis 30. September als „Interested Party“registrieren.
Wenig Chancen, dass ein Einspruch etwas bewirken könnte, sieht Heinz Stockinger, Obmann des Salzburger Vereins Plattform gegen Atomgefahren (plage). „Wir beteiligen uns nur unter Widerspruch an solchen Verfahren – manchmal auch gar nicht. Wir kennen kein einziges UVP-Verfahren zu Nuklearanlagen in Europa und darüber hinaus, das an der Planung etwas Konkretes geändert hätte.“Er könne sich auch nicht erinnern, jemals eine Antwort auf einen Einspruch erhalten zu haben.
In Großbritannien wachsen indessen die Zweifel am Bau des Atommeilers Hinkley Point C in der Grafschaft Somerset sowie am Projekt
Sizewell C in Sussex. Doch die Diskussion dreht sich keineswegs um Kernenergie ja oder nein. Kritische Stimmen zur Atomkraft sind im Königreich nicht nur in der Unterzahl, sondern auch sehr leise. Der Streit fokussiert sich vielmehr auf ein spezielles Unternehmen, das als Juniorpartner an der Errichtung der Anlagen beteiligt ist: den chinesischen Staatsbetrieb China General Nuclear (CGN). Während noch vor wenigen Jahren der ehemalige britische Premierminister David Cameron und Chinas Präsident Xi Jinping eine „goldene Ära“prophezeiten, hat sich die Stimmung
in Gesellschaft, Politik und Medien gewandelt. Gerade erst sorgte etwa der Ausschluss des Technologiekonzerns Huawei vom weiteren 5G-Ausbau auf der Insel für Schlagzeilen. Nun wollen Kritiker der Volksrepublik den Schwung ihres jüngsten Erfolgs mitnehmen. Etliche Parlamentarier, auch aus den Reihen der regierenden Tories, warnen davor, einen bedeutenden Teil der Energiepolitik den Chinesen zu übergeben. „Wir müssen unsere Abhängigkeit von China überdenken“, sagte etwa Iain Duncan Smith, ehemaliger Parteivorsitzender der Konservativen. Das Problem: In Großbritannien gilt die Erneuerung der noch am Netz befindlichen acht Meiler als dringend notwendig. Das Land hat sich verpflichtet, bis 2050 die Nettoemissionen von klimaschädlichen Gasen auf null zu reduzieren. Zwar führt Großbritannien weltweit bei der OffshoreWindenergie. Die Anlagen rund um die Insel liefern jedoch nur rund ein Fünftel des britischen Stroms. Das Königreich wird sich auch deshalb nicht von der Kernkraft verabschieden. Die Frage ist, welche Konzerne künftig an den Atomkraftprojekten beteiligt sein werden.
SN-Info: Die Unterlagen zum AKW Sizewell C liegen in Salzburg in der Landesregierung, Kanzlei der Abteilung Natur- und Umweltschutz, Gewerbe in der Michael-Pacher-Straße 36, zur Einsicht auf. Online einsehbar unter: WWW.UMWELTBUNDESAMT.AT/ UVP-KKW-SIZEWELL