Salzburger Nachrichten

Frohsinn

- Teresa Präauer

Ich habe ein Wasserglas vom Flohmarkt, das liegt schwer in der Hand, es ist dickwandig und seine Form zylindrisc­h, und der obere Rand, den man zum Mund führt, ist von beiden Seiten geschliffe­n, sodass sich in der Mitte eine Kante ergibt, die man beim Trinken immer auf der Unterlippe spürt. Wenn man es auch vollmundig beschreibe­n kann, ist es dennoch kein besonderes Glas. Solche Trinkgefäß­e gab und gibt es zahlreich, geschmückt sind sie mit Bauernmale­rei, Blumenmoti­ven in Rot, Ockergelb und Blau, dazwischen grüne Blätter, zarte schwarze Verästelun­gen.

Man muss nicht malen können, um diese Motive herzustell­en, und man könnte sich, hätte man zu viel davon im Schrank, an seiner naiven Rustikalit­ät bald stören. Aber als einzelnes Stück, in das ich gern auch CocaCola fülle, ist es mir lieb und teuer. Die handgemalt­en Blumen vor schwarzem Cola-Hintergrun­d sehen dann sehr poppig aus. Zwei Initialen sind zusätzlich noch eingravier­t: „A“und „H“. Zwischen den vielen Blumen befindet sich ein weißes Feld, dessen Fläche leer ist. Nur wenn man das Glas gegen das Licht hält, sieht man noch die Spuren eines Schriftzug­s, er könnte golden gewesen sein, das wäscht sich leicht ab. Das Wort „Frohsinn“stand hier einmal geschriebe­n für A. H. (oder für den A. und seine H.) – jetzt ist all das verblasst.

Der Frohsinn selbst ist als Begriff eine Modeersche­inung gewesen. Er ist, wie die Heiterkeit, von einer gepfiffene­n Melodie begleitet, und milde gesellt sich noch die Gelassenhe­it zu diesem Wortgrüppc­hen, das insgesamt etwas aus der Zeit gefallen scheint. Wenn man die Häufigkeit der Nennung

in Buchtiteln und Schriftstü­cken vergleicht, lässt sich eine Beliebthei­t seiner Verwendung etwa ab dem späten 19. Jahrhunder­t finden.

Aber schon Klopstock, der sprachlich kühne Dichter der Empfindsam­keit und Innerlichk­eit, widmete im Jahr 1784 dieser Gemütsverf­asstheit ein paar Verse, sie enden mit den Worten: „… denn glücklich / War ich durch Frohsinn!“

Was wie eine Doppelung des Ausdrucks klingt, verweist auf eine feine Unterschei­dung zwischen Glück und Frohsinn. Frohsinn ist vielleicht die bescheiden­ere Form des Glücks, aber auch die leichtfüßi­gere, naiv-fröhliche, wohlwollen­d und gutmeinend. Kein Wässerchen kann er trüben, dieser Frohsinn! Wir finden ihn als Namensgebe­r von Liedertafe­ln, Gesangs- und Kleingarte­nvereinen, wir stöbern ihn auf in Texten zur Lebensführ­ung und Erbauung, wo er mittlerwei­le doch eine Schicht Staub angesetzt hat.

Ein Geschirrst­ück habe ich einmal geschenkt bekommen, das wirklich wertvoll ist. Es stammt aus der böhmischen Porzellanm­anufaktur Schlaggenw­ald und ist ein kleines Biedermeie­rtässchen, aus dem ich manchmal Kaffee trinke. Es hat einen überhöhten Henkel und ist innen vergoldet. Sein Fond ist cremefarbe­n, ein gelbstichi­ger, sehr heller lachsfarbe­ner Farbton. Darauf gemalt sind als Dekor blaue und weiße Vergissmei­nnicht, verbunden durch eine Girlande, die sich um die ganze Tasse windet und ebenso, wie das Wasserglas von A. H., einen Schriftzug trägt: „Gesundheit, Frohsinn, und Zufriedenh­eit“, fortsetzen­d auf der Untertasse: „Bekränzen Ihre ganze Lebenszeit.“Vom ganz feinen Geschirr wird man immerhin noch gesiezt jeden Morgen. Du darfst es aber nicht in den Geschirrsp­üler geben, sonst wäscht sich der Frohsinn nämlich gleich wieder ab.

Teresa Präauer

ist Schriftste­llerin.

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